Mannheim/Stuttgart/Rems-Murr-Kreis, 03. August 2018. (red/pro) Aktualisiert. Die Causa Kontext ist hochkomplex. Eine „Zeitung“ veröffentlicht absolut widerwärtige, menschenverachtende, rassistische, rechtsextreme und auch nationalsozialistisch einzuordnende Zitate einer namentlich benannten Person, die als wissenschaftlicher Mitarbeiter für zwei AfD-Landtagsabgeordnete arbeitet. Doch stammen diese Zitate zweifelsfrei von dieser Person? Und mit welchen Mitteln wurden diese Zitate „recherchiert“? Ist eine Veröffentlichung „rechtens“? Darf sich Journalismus über Recht und Gesetz hinwegsetzen? Was wiegt schwerer – Aufklärung der Öffentlichkeit oder Privatsphäre? RNB-Redaktionsleiter Hardy Prothmann kommentiert einen hochkomplexen Fall und liefert dabei Hintergründe, die Sie nirgendwo sonst erhalten. Im Blickpunkt ist dabei der Journalismus und dessen Möglichkeiten. Die Äußerungen wurden laut Mannheimer Morgen aktuell von der Pressekammer des Landgerichts Mannheim untersagt.
Kommentar: Hardy Prothmann
Sie lesen hier einen sehr umfangreichen und komplexen Text mit jeder Menge Hintergrundinformationen, der sich äußerst differenziert einlässt. Es ist ein Kommentar, also eine Meinungsäußerung, aber eine, die auf Fakten basiert und Analysen bietet, die Sie in keinem anderen Medium finden.
Kommentare sind eine sehr schwere Übung, wenn es nicht nur einfach um „Meinung“ geht, sondern auch um deren Begründung.
Wer ist Kontext?
KontextWochenzeitung ist keine Zeitung. Die Redaktion liefert eine Wochenendbeilage mit Themen aus Baden-Württemberg an die Berliner Zeitung „taz“, die nach unserer Kenntnis im Südwesten ihr „Stammland“ hat. Hier gibt es eine sehr bedeutende, wenn nicht die größte Zahl an Abonnenten der linken Tageszeitung. Die zugelieferten Texte stellt KontextWochenzeitung auch ins Internet. Die Redaktion kann man sicher „linksorientiert“ einordnen. Sie unterhält gute Kontakte zu Gewerkschaften wie verdi und auch zu „Beobachternews“, was auch meiner Sicht der mediale Arm zahlreicher (auch gewaltbereiter) Antifa-Gruppen ist und von mir als ideologische Propagandaplattform eingeordnet wird.
Die journalistischen Köpfe hinter Kontext sind vor allem Josef-Otto Freudenreich und Susanne Stiefel, einst „Chefreporter“ bei Tageszeitungen, die gut vernetzt und jetzt teils erbitterte Gegner der Presse und selbsternannte „ganzheitliche Journalisten“ sind. Eigentlich Rentner, aber sie mischen noch mit. Die Einnahmen werden durch Spenden generiert, durch Tantiemen für die taz-Zulieferung und möglicherweise auch durch industrielle Geldgeber, über die es in der Vergangenheit Streit innerhalb der Redaktion gab, weshalb gewisse frühere Mitglieder nicht mehr für „Kontext“ arbeiten wollten.
Vernichtende Veröffentlichung
Im Mai 2018 veröffentlichte Kontext zwei Texte zu einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der AfD-Landtagsabgeordneten Dr. Christina Baum (Frauenbündnis für Kandel) und Heiner Merz. Den Aufschlag machte Redakteurin Anna Hunger mit „Sieg Heil mit Smiley“:
XX arbeitet für die AfD-Abgeordneten Christina Baum und Heiner Merz im baden-württembergischen Landtag. Und er ist ein strammer Faschist. Das belegen Chatprotokolle, die Kontext exklusiv vorliegen. Sie gewähren Einblick in hassverseuchte Dialoge und eine menschenverachtende Gedankenwelt,
beginnt deren „investigative“ Arbeit. Und es geht weiter:
Kontext liegt eine über vier Jahre andauernde Korrespondenz von XX vor. Dutzende Chatprotokolle mit allen möglichen Leuten, darunter Mitarbeiter bekannter AfD-Politiker, Neurechte, NPD-Funktionäre, Mitglieder rechter Studentenverbindungen. Vier Jahre Leben eines Mitdreißigers, anfangs Student, schlagende Verbindung Germania Marburg, dann AfD-Mitarbeiter im baden-württembergischen Landtag, der Hitler und Mussolini verehrt und Demokratie verachtet, Juden und Ausländer hasst.
Einen Konjunktiv sucht man in diesem Artikel vergebens. Der sehr lange Text steigt sehr tief ein in das Leben der Person und zeichnet das Bild eines strammen Faschisten, der sich auch gerne in Gewaltfantasien ergeht. Mehr „Hinhängen“ geht nicht.
Gibt es handfeste Belege?
Das kann man machen. Das muss man sogar machen, wenn man handfeste Belege hat, dass ein strammer Rechtsextremist Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten sein könnte. Die Zitate sind zweifelsfrei absolut widerwärtig, völlig indiskutabel und gehören gesellschaftlich geächtet. Mit voller Wucht.
Doch genau hier liegt das Problem: Die Frage nach den handfesten Belegen. Es geht überhaupt nicht darum, dass man sich angesichts der Vergangenheit der Person die zitierten Aussagen „vorstellen könnte“, sondern es kann nur darum gehen, dies zweifelsfrei zu belegen und dazu auch das Recht zu haben.
Ganz offenbar liegt der Redaktion nur eine HTML-Datei vor, die im Kern nichts anderes ist als eine Textdatei, die man nicht darauf prüfen kann, ob sie ein Original ist oder nicht, weil sie keinerlei Verlaufsdaten enthält. Man kann eine HTML-Datei nicht auf einen Verfasser oder ein Gerät überprüfen und mögliche Änderungen, also Manipulationen feststellen. Es fehlen die Metadaten, die beispielsweise in Fotodateien gespeichert werden. Eine HTML-Datei ist weniger überprüfbar als ausgedruckte Seiten – hier könnte man, sofern fündig, einen Drucker identifizieren. Oder ein handschriftliches Dokument, hier könnte man eine Schriftprobe machen. Eine HTML-Datei ist eigentlich als „Quelle“ genau nichts wert. Sie ist nicht dokumentenecht.
17.000 Seiten Protokoll verschiedener Chats über vier Jahre
Doch mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass streitet der Kläger auch nicht ab, handelt es sich im Wesentlichen um ein Protokoll von Chats von XX unter einem Pseudonym auf Facebook über mehrere Jahre mit rund 70 Personen, die ausgedruckt rund 17.000 DIN A4-Seiten Umfang ergeben. Die zitierten Aussagen bestreitet der Kläger aber – die seien nicht von ihm.
Und hier wird es spannend: Wie will man dies gerichtsfest beweisen? Das Argument, dieses Protokoll enthalte so viele „Puzzle-Teile“ des Lebens des Klägers, das sei insgesamt nicht zu fälschen, geht fehl. Es müssen ja gar nicht 17.000 Seiten gefälscht werden, nur hier und da an geeigneter Stelle Aussagen eingefügt werden, die dann als skandalös medial verbreitet wurden.
Jetzt könnte man meinen, was auch die Beklagtenseite vorbrachte: Wieso sollte sich jemand diese Mühe machen, einen eher unbedeutenden Mitarbeiter derart ins Zwielicht zu ziehen? Die Antwort ist einfach: Erstens führt die Berichterstattung selbst aus, dass man gerade diese angeblich unbedeutenden Mitarbeiter erkennbar machen wolle, weil diese ein rechtsradikales Netzwerk hinter der „offiziellen“ AfD bildeten und zweitens könnte man annehmen, dass die eigentlichen Zielobjekte die AfD allgemein und im besonderen die Abgeordneten Dr. Baum und Merz sind:
Weil wir der Meinung sind, dass es durchaus von Interesse ist, wenn in zweiter Reihe einer Partei, die mittlerweile Deutschland mitgestaltet, Faschisten sitzen, haben wir uns entschieden, ausgewählte Inhalte des der Facebook-Chats öffentlich zu machen,
begründet die Kontext-Redakteurin Anna Hunger die Veröffentlichung. Das ist ihre persönliche Meinung. Abgenommen durch die Chefredakteurin Stiefel, getragen vom Trägerverein hinter der Redaktion von Kontext. Man ist für diese Veröffentlichung verantwortlich.
Tatsachenbehauptungen müssen belegt werden
Meinungen sind grundgesetzlich geschützt: Tatsachenbehauptungen hingegen müssen belegt werden. Und Kontext behauptet vernichtende Tatsachen, die ganz offenbar auf wackeligen Recherchen beruhen und damit unzulänglich sein könnten.
Damit Sie nicht auf falsche Ideen kommen: Meine Sicht auf diese berichteten Zitate ist eindeutig. Keins davon ist akzeptabel. Allesamt sind widerwärtig. Aber sie müssen auch eindeutig belegt sein, sonst wird Journalismus inakzeptabel und widerwärtig. Journalismus hat Fakten zu berichten und ansonsten Meinungen kenntlich zu machen. Eine Meinung als Fakt hinzustellen, geht gar nicht und schadet nicht nur dem Journalismus, sondern der Gesellschaft und dem Rechtsstaat. Und Fakten müssen stimmen und belegbar sein.
Ich vermisse den eindeutig nachvollziehbaren Beleg, dass die Redaktion zweifelsfrei die Authentizität belegen kann, dass diese Aussagen unzweideutig durch die Person getätigt worden sind. Es ist vollständig unerheblich, ob man sich das „vorstellen könnte“.
Bei derart massiven Anschuldigungen, muss die Beweisführung eindeutig und belegt sein. Eine HTML-Datei erfüllt diese Kriterien alleine eben nicht. Insbesondere in Zeiten von Fakenews, aber auch schon davor muss der Zweifel immer journalistisch handlungsleitend sein. Bei RNB ist das erste „Gesetz“: „Traue keinem“. Das meint Personen ebenso wie angebliche „Beweise“ irgendwelcher Materialien.
Kontaktabbruch zu Kontext
An dieser Stelle wird es persönlich, denn es geht um persönliche und geschäftliche Hintergründe: Ich war mit den Protagonisten von Kontext in gutem Kontakt. Wir hatten auch mal über eine „Korrespondentenzulieferung“ von mir aus Nordbaden gesprochen. Daraus wurde nichts, weil bei Kontext kein Geld vorhanden war. Dabei habe ich nur eine bescheidene Summe genannt.
Der heutige Kontext-Redakteur Minh Schredle, einer der Verfasser zur Person XX, hat bei mir eine journalistische Grundausbildung genossen – als Volontär bei RNB. Seine Mitarbeit war immer betreut und in Teilen sogar herausragend. Der Nachwuchsjournalist hat sich in der Zeit beim RNB einen sehr guten Ruf erworben. Für die Zeit danach zeichne ich für dessen Arbeit dezidiert nicht mehr verantwortlich. Ganz im Gegenteil. Ich bin teils hochgradig entsetzt über dessen weitere Entwicklung bei Kontext und distanziere mich davon eindeutig – bei mir hat er das nicht gelernt.
Der Vertrag endete nach 20 Monaten am 31. August 2016. Eine seiner Außenstationen war Kontext, im August 2016 die taz in Berlin. Er wurde abgeworben. Der Vorgang war insgesamt mehr als „unerfreulich“ und seitdem habe ich bis auf eine juristische, außergerichtliche Auseinandersetzung mit Kontext und einem kurzen email-Kontakt mit Herrn Schredle keinen Kontakt mehr zu dieser Redaktion und meinem früheren Mitarbeiter. Und das wird auch so bleiben.
Linksideologische Veranstaltung
Aus gutem Grund, denn ich beobachte nicht regelmäßig die Veröffentlichungen dieser Redaktion, hin und wieder schon und ich habe immer erhebliche Zweifel an den journalistischen Standards, die dort „angewendet“ werden. Kontext ist aus meiner Sicht überhaupt kein unabhängiges, überparteiliches Medium, sondern eine zutiefst linksideologische Veranstaltung, die vielfach einfach nur ressentimentgetrieben ist.
Und mir fehlt entschieden das Bewusstsein für Rechtsstaatlichkeit. Ganz im Gegenteil beobachte ich ideologisch-propagandistische Tendenzen, die ich für enorm schädlich halte, was das Ansehen der Presse angeht.
Beispiel: Offenbar gibt es einen guten Kontakt zu Beobachternews. Deren Chef, Alfred Denzinger, saß beim Prozess am Donnerstag zwei Plätze neben mir. Beobachternews bietet keinen Journalismus, sondern politische Agitation. Auffällig ist, dass deren „Reporter“ zielgenau bei Antifa-Aktionen vor Ort sind. Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft, habe eine „gute Nase“, aber wer so eng und immer wieder „am Geschehen“ dran ist wie diese „Redaktion“, ist Teil des Geschehens. Meine Meinung.
Möglicherweise strafbare Handlungen?
Zurück zum Kern des Sachverhalts. Eine ganz entscheidende Frage ist, wie dieses Protokoll entstanden ist, wer es angefertigt hat und wie es verbreitet wurde. Hier wird es strafrechtlich relevant. § 201 Strafgesetzbuch:
§ 201
Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt
1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.
(2) 1Ebenso wird bestraft, wer unbefugt
1. das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2. das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
2Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. 3Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) 1Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. 2§ 74a ist anzuwenden.
Um Ihnen das konkret zu übersetzen: Heimliche Aufnahmen sind strafbar. Das gilt auch für Journalisten, denn die stehen nicht über dem Gesetz – auch, wenn manche das so meinen. Auch der Gebrauch illegaler Aufnahmen von Dritten ist strafbar. Auch das gilt für Journalisten. Und es gilt auch für die Ermittlungsbehörden. Im Zweifel sind solche „Aufnahmen“, hier als Tonaufnahmen beschrieben – es bietet sich eine Analogie zu Chat-Protokollen an, die ein verschriftliches „Gespräch“ sind – vor Gericht nicht zu verwenden, weil illegal angefertigt.
Es gilt hier auch das Grundgesetz, insbesondere Artikel 2 und 10. Und ganz gewiss stehen Journalisten niemals über dem Grundgesetz – leider denken das viele, die keinerlei Ahnung von Rechtsstaatlichkeit haben und auch nicht haben wollen, vor allem dann, wenn sie ideologisch getrieben sind.
Die Illegalität des „Beweises“ könnte ein großes Thema werden. Vor allem für „linke“ Medien, die konsequent gegen einen „Überwachungsstaat“ argumentieren, aber bei Gelegenheit sämtliche Zweifel über Bord werfen, wenn es der eigenen Sache dienlich ist.
17.000 Seiten Altpapier?
Das bedeutet, dass die zehn Ordner mit 17.000 Seiten Ausdruck möglicherweise als illegal und nicht gerichtsverwertbar eingestuft werden könnten. Siehe hier ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Oder anders übersetzt. Das ist Altpapier. Ohne jede Beweiskraft.
Ganz wesentlich für diesen Prozess sind Haltungen. Selbstverständlich darf man politisch sein. Man darf auch „den politischen Gegner bekämpfen“, wer immer das aus eigener Perspektive sein mag. Man darf dazu legale Mittel verwenden, aber eben keine illegalen. Aber Achtung: Wenn journalistische Redaktionen, die für eine unabhängige Berichterstattung angeblich einstehen, sich entschließen, „politische Gegner“ auszumachen, ist es eben vorbei mit „Unabhängigkeit“. Ab diesem Moment wird man Kombattant – hoffentlich nicht im Schlachtfeld mit Waffen, sondern nur mit Meinungen. Aber man ist eben nicht mehr unabhängig, weil Partei. Mit Journalismus hat das nichts zu tun. Dann macht man nur noch Propaganda.
Mit der Kanzlei Höcker, die den Kläger vertritt, bin ich selbst in einem Rechtsstreit. Und hier habe ich Klage eingereicht, die von dem benannten Richter Stojek und dessen Kammer abgewiesen wurde. Mein Prozessgegner ist Imad Karim, ein deutsch-libanesischer, selbsternannter „Islam-Kritiker“, der gerne und häufig bei der AfD auftritt. Zu diesem Rechtsstreit informiere ich demnächst öffentlich.
Keine Schuld durch (An)Klage
Ich bin also überhaupt nicht „Partei“ für den Kläger und dessen Kanzlei Höcker – trotzdem bin ich tendenziell auf deren Seite, weil die Gegenseite eben überhaupt nicht eindeutig überzeugen konnte. Es könnte sein, dass der Kläger ein fundamentaler Rassist und Rechtsextremist ist – mir fehlt aber der eindeutige Beweis.
Wer das noch nicht verstanden hat oder nicht verstehen will, was nichts ändert: Im Rechtsstaat ist man nicht schuldig durch Anklage. Sondern erst durch Urteil und dagegen kann man Rechtsmittel einlegen. Das gilt auch für die andere Seite.
(Das gilt auch für mich, wenn ich hier abweichen darf. Ein durch die Staatsanwaltschaft Mannheim beantragter und durch das Amtsgericht Mannheim beschlossener Strafbefehl macht mich noch nicht zum „Verurteilten“. Ich wehre mich dagegen mit erheblichem Aufwand und nutze dazu rechtsstaatliche Instanzen, wie das jeder tun kann.)
Verkorkstes Rechtsverständnis
Vollständig erschütternd ist diese anti-rechtsstaatliche Auffassung, die keinerlei Verständnis und Achtung aufweist:
Ulrich Schreyer, dju Landesvorsitzender: „Es ist Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass bei der AfD-Landtagsfraktion Rechtsextremisten angestellt sind. Das Aufdecken dieser für die Gesellschaft bedeutsamen Tatsache darf nicht durch die Persönlichkeitsrechte gerade derer, die sich demokratiefeindlich äußern, behindert werden. Deshalb zählt die dju darauf, dass im Prozess des Abgeordnetenmitarbeiters gegen Kontext heute die Pressefreiheit gestärkt wird.
Lesen Sie das bitte ganz genau. Schon der erste Satz ist eine klare Tatsachenbehauptung, verbunden mit einer ideologischen Forderung – vor einem Richterspruch. Im Folgesatz verachtet dieser Gewerkschafter das Grundgesetz vollständig eindeutig und damit extremistisch. Das ist erschütternd. Übersetzt: Die Gesetze sind mir vollständig egal, auf Basis der Gesetze fordere ich das, was ich für gut halte, der Rest ist Scheißdreck. Wird sich außer RNB jemand darüber empören? Gehen Sie auf die Suche, Sie werden fündig werden – einige Medien haben diesen Blödsinn als Nachricht übernommen. Teils, weil die Gewerkschaften noch zu stark einwirken, teils, weil Recherche und Haltung bei vielen Medien keine Rolle mehr spielt. Was Herr Schreyer nicht verstanden hat: Pressefreiheit steht nicht über dem Rechtsstaat, sondern wird durch diesen erst ermöglicht.
So geht das nicht. Doch Ideologen wie ein Herr Schreyer wollen das nicht verstehen und werden es niemals verstehen. Tatsächlich werden diese rechtsstaatlich zutiefst erschütternden „Meinungen“ ohne jegliche Einordnung aber verbreitet, auch von regionalen Medien in unserem Berichtsgebiet ohne jegliche analytische Einordnung. Das ist Gaga-Journalismus.
Ja, es ist ätzend, wenn Personen oder Organisationen, denen der Rechtsstaat nichts gilt, diesen nutzen, um sich selbst schadlos zu halten. Das gilt für alle Extremisten – ob von rechts oder links.
Nein – das ist kein Grund, sich über rechtsstaatliche Prinzipien hinwegzusetzen, sondern Anlass, hart mit diesen zu arbeiten, sich immer wieder deren Prinzipien bewusst zu machen und Glauben und Haltung zu bewahren, diese Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Auch gegen mutmaßlich eigene situative Vorteile.
Problemfall Richter
Leider muss man dabei auch einen Richter Stojek hinnehmen, dem ich nicht zutraue, dass er die intellektuellen Fähigkeiten hat, die Causa Kontext vernünftig zu überblicken. Seine Einlassungen, dass dieser Prozess eigentlich völlig uninteressant sei, verkennt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Es geht hier um grundfeste Rechte von Personen und Pflichten der Medien vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich vollständig erhitzten
Dieser Richter ist und bleibt ein Fehlbesetzung für die Pressekammer des Landgerichts Mannheim. Man muss leider seine Pensionierung abwarten, weil er clever genug ist, so zu tun, als sei er unabhängig. Das ist bitter, aber der Rechtsstaat hält auch eine Personalie Stojek aus. Meine Meinung.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass dieser Rechtsstaat äußert wehrhaft ist – gegen Extremisten jeder Art. Gegen fragwürdige Aussagen, gegen fragwürdige Urteile, gegen viele „Einzelfälle“ – am Ende steht die Rechtssicherheit, auch wenn der Weg dahin oft beschwerlich und ätzend ist. Ich weiß, wovon ich rede.
Fazit: Gut gewollt kann trotzdem schlecht gemacht sein
Das Problem ist, dass die „Öffentlichkeit“ nach einfachen Antworten sucht und sich schnell eine Meinung bildet, anstatt sich umfassend zu informieren. Damit gewinnen die, die einfache Antworten anbieten. Ganz gleich, wer das ist: Ein Medium, ein politische Partei oder auch ein Gericht.
Es bleibt spannend und anstrengend.
Sie entscheiden mit, wie Sie sich durch wen informieren lassen.
Mein Fazit: Gut gewollt kann trotzdem schlecht gemacht sein. Kontext hat nach meiner Auffassung ein Top-Thema in Händen gehabt und es vollständig vermasselt. Damit hat die Redaktion dem Journalismus enormen Schaden zugefügt, denn egal, ob man aktuell vor dem LG Mannheim gewinnt – es wird weitergehen und am Ende wird man scheitern, weil man eben nicht sauber gearbeitet hat.
Die Gewerkschaften wie dju innerhalb von verdi werden Meinung verbreiten, ebenso andere Medien, am Ende wird es eindeutige Urteile geben, die nicht mehr eindeutig berichtet werden. Es wird Leute geben, die das beobachten und gegen die „Lügenpresse“ agitieren.
Ohne unabhängigen Kopf ist man Systempresse
„Die Medien“, das haben „die Medien“ nur unzureichend erkannt, schaden sich durch schlechte Arbeit massiv selbst und suchen die Schuld fast immer bei anderen. Es ist eben nicht Aufgabe für Medien, Partei zu sein, sondern unabhängig zu sein und zu bleiben. Vor allem im Kopf.
Sonst im man „Systempresse“, ob links, ob rechts oder sonstwie „gesteuert“ oder „orientiert“.
Der Journalismus in Deutschland ist bestens beraten, sich an rechtsstaatliche Prinzipien zu halten. Dabei ist es vollständig egal, ob andere das nicht tun. Haltung ist, eine zu haben.
Ich stehe als RNB-Redaktionsleiter unmissverständlich für diese rechtsstaatlichen Prinzipien ein. Möglicherweise machen wir hier auch Fehler – ist menschlich. Aber wir beherrschen das Handwerk und verlassen uns niemals auf dubiose Belege und dubiose Quellen. Wir verfügen ständig über Informationen, die wir aber nicht „hart bekommen“ – also werden sie auch nicht veröffentlicht.
Und obwohl ich persönlich mit der Kanzlei Höcker in der Causa Karim im Rechtsstreit bin, halte ich das aktuelle Verfahren für eindeutig. Kontext hat eine miese journalistische Arbeit abgeliefert und ich habe kein Mitleid mit den „Kollegen“, wenn diese dafür eine Quittung erhalten. Nicht ein Urteil gegen Kontext bedroht die Pressefreiheit, sondern schlechte journalistische Arbeit, die zu entsprechenden Urteilen führt.
Kontext und alle, die nun behaupten, dies sei ein Schlag gegen die Pressefreiheit oder man werde sich „nicht einschüchtern“ lassen, macht mich das so richtig sauer: Wenn journalistische Dilettanten die Herausforderung suchen und sich aufspielen, bleibt immer ein Schaden – auch für professionelle Redaktionen. Man kann keine Regeln einfordern, wenn man selbst nicht bereit ist, diese einzuhalten.
Das ist äußerst schädlich – Medien müssen sauber arbeiten, sonst verlieren sie Ihre wertvollste Währung: Glaubwürdigkeit.
Kontext und alle, die nun behaupten, dies sei ein Schlag gegen die Pressefreiheit oder man werde sich „nicht einschüchtern“ lassen, macht mich das so richtig sauer: Wenn journalistische Dilettanten die Herausforderung suchen und sich aufspielen, bleibt immer ein Schaden – auch für professionelle Redaktionen. Man kann keine Regeln einfordern, wenn man selbst nicht bereit ist, diese einzuhalten.
Das ist äußerst schädlich – Medien müssen sauber arbeiten, sonst verlieren sie ihre wertvollste Währung: Glaubwürdigkeit.
Anm. d. Red.: (Hinweis, die folgenden zwei Absätze wurden inhaltlich präzisiert.) Wir können aktuell inhaltlich nichts zu Details der Entscheidung (Az.: 3058/18) berichten, da dies nur den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt worden ist. Diesen geht dann in den kommenden Wochen eine schriftliche Begründung zu. Dieses können wir dann anonymisiert anfordern und nachberichten. Rechtskraft erhält die Entscheidung erst, wenn die Einspruchsfrist abgelaufen ist. Sollte Einspruch eingelegt werden, ist der weitere Fortgang unklar – das hängt von den streitenden Parteien ab. Vom Verfahrenslauf her gesehen würde nach der jetzt im vorläufigen Rechtsschutz getroffenen Entscheidung vermutlich ein Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht folgen.
Sollte Kontext Einspruch einlegen und die Artikel weiter zugänglich machen, könnte das, sofern weitere Urteile die Entscheidung des LG Mannheim bestätigen, zu erheblichem Schaden bei Kontext führen, wenn wie angekündigt Strafanzeigen gegen einzelne Journalisten gestellt würden sowie Vermögensschäden geltend gemacht würden.
Dies könnte auch andere Medien treffen, die sich sich Inhalte von Kontext zu eigen machen oder gemacht haben – mit Rechtskraft dürfte es jede Menge Abmahnungen geben.
Wir stellen weiter fest, dass auch bei uns Veröffentlichungen erscheinen, die nicht immer jedem gefallen oder die sogar deutlich missfallen. Seit 2010 haben wir fast 50 juristische Verfahren bestreiten müssen. Nur den ersten Prozess haben wir verloren, vier Mal sind wir einen Vergleich eingegangen – den Rest haben wir gewonnen oder die gegnerische Seite hat es nicht bis zum Verfahren getrieben. Aktuell haben wir in erster Instanz einen weiteren Prozess verloren, den wir aber vors OLG bringen und dort gewinnen wollen. Ebenso unseren Einspruch gegen den Strafbefehl zum „Terroranschlag“-Artikel. Hier ist übrigens im Dezember 2018 ein Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Mannheim veranschlagt.
Aktualisierung, 15:28 Uhr: „Chefredakteurin Susanne Stiefel sagt, dieses für die Zeitung negative Urteil sei eine „herbe Niederlage für die Pressefreiheit“. Jede Journalistin und jeder Journalist werde jetzt mit der juristischen Keule bedroht, wenn er oder sie über die AfD und ihr Umfeld berichte“, vermeldet Kontext auf Facebook. Man prüfe weitere juristisch Schritte.
Das ist natürlich vollständiger Quatsch. Allen Medien steht es frei, über die AfD und andere Parteien zu berichten. Wer sauber arbeitet, muss keine „juristische Keule“ fürchten.