Mannheim/Heidelberg/Rhein-Neckar/Stuttgart, 30. Juli 2015. (red/pro) “Im Zusammenhang mit immer neuen Zuweisungen von Flüchtlingen an die Erstaufnahmestellen in Mannheim monieren Ehrenamtliche und Stadtverwaltung zunehmend die mangelhafte Kommunikation des Landes mit den Verantwortlichen vor Ort”, sagt der Landtagsabgeordnete Georg Wacker (CDU). Der ist zwar für den Wahlkreis Weinheim gewählt, “betreut” aber auch Mannheim. Aktuell hat er eine “kleine Anfrage” an die Landesregierung gestellt, die es in sich hat.
Georg Wacker fordert die Landesregierung zur Auskunft über aktuelle und geplante Kapazitäten bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Mannheim. Er fordert zudem eine bessere und vor allem zeitnahe Information der Stadt Mannheim und eine Einbeziehung der Stadt in zukünftige Planungen.
Die Stadt Mannheim hat sich bereit erklärt, Standort für eine Landeserstaufnahmestelle zu werden und hat aktuell neben einer Außenstelle der Landeserstaufnahmestelle Karlsruhe auch Kapazitäten für die Bedarfserstaufnahme auf dem Gelände des Benjamin-Franklin-Village in Käfertal bereit gestellt. Die Aufnahmebereitschaft und Akzeptanz in Mannheim sind traditionell groß, aber selbst in dieser toleranten Stadt sorgt die mangelhafte Kommunikation durch das Land beziehungsweise das Regierungspräsidium zunehmend für Unmut bei den Verantwortlichen und in der Bevölkerung.
Zuwanderung ist “größte Herausforderung”
Für die Stadt Mannheim, so Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD), ist die Zuwanderung von offiziell 9.000, inoffiziell aber bis zu 15.000 Einwanderern aus Südosteuropa die “größte Herausforderung” der nächsten Jahre für die Stadtgesellschaft. Eine weitere “Belastung” durch die Aufnahme von Asylsuchenden hat die Stadt durch einen “Deal” zu verhindern gesucht, indem sie Außenstelle der Landeserstaufnahme wird und 700-800 Asylsuchende aufnimmt, die nach vier bis zwölf Wochen auf andere Kreise verteilt werden.
Tatsächlich wurde neben einer LEA (Landeserstaufname) eine BEA (Bedarfsorientierte Erstaufnahme) auf Franklin errichtet. Vereinbart waren 600 Personen – die hat das Land längst mit 226 Personen (unser letzter recherchierter Stand) überschritten. Eine ordentliche Information der Öffentlichkeit unterbleibt. Georg Wacker:
Aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen hat die Stadt Mannheim ein großes Wissen über die Belastbarkeit und Tauglichkeit bestimmter Standorte für die Flüchtlingsaufnahme. Es ist für mich vollkommen unverständlich, warum bisher weder eine Einbeziehung der Stadt in die Planungen des Landes noch eine rechtzeitige Information über jeweils aktuelle Zuweisungen von Flüchtlingen gewährleistet wird.
Politik des “Gehörtwerdens” vs. keine Informationen
Die Stadt Mannheim und die Träger der freien Wohlfahrtspflege vor Ort seien am Besten in der Lage, so Wacker, die Stimmung in der Bevölkerung einzuschätzen und die Informationen über neu hinzukommende Flüchtlinge adäquat weiterzugeben, um die bisher überwiegend positive Haltung der Mannheimerinnen und Mannheimer mit Blick auf die Asylsuchenden zu erhalten.
Das Land erwartet auf der einen Seite eine Kooperation der Kommunen bei der Integration der Flüchtlinge und bei der Einbindung der Bevölkerung. Auf der anderen Seite lässt es die Städte und Gemeinden mit dieser Aufgabe im Stich und informiert nur schleppend und auf Nachfrage. Wenn die Kommunikation nicht bald verbessert wird, sehe ich selbst im sonst so weltoffenen und toleranten Mannheim in absehbarer Zeit die Gefahr eines deutlichen Stimmungsumschwungs.
In Heidelberg-Kirchheim ist die Bürgerschaft schon “auf den Zinnen” wegen einer Überbelegung von Patrick Henry Village (PHV), wo 1.000 Personen zunächst in einem “Winterlager” untergebracht werden sollten, die Zahl aber auf über 2.800 Personen angestiegen ist. Eine Vereinbarung zwischen der Stadt Heidelberg und dem Land sollte die Zahl auf 1.000 und “höchstens” 2.000 Personen regeln – davon ist man weit entfernt. Einfluss haben weder Heidelberg noch Mannheim – noch gehören die Konversionsflächen dem Bund – und hier klemmt es, weil Entscheidungen zu Asylanträgen aufgrund von Personalmangel liegenbleiben.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann war vergangene Woche persönlich vor Ort und versprach Abhilfe. Ebenso Integrationsministerin Bilkay Öney. Tatsächlich steigen die Zahlen wieder.
Nach unseren Informationen ist es durchaus realistisch, dass in PHV 4.-6.000 Menschen oder noch mehr untergebracht werden müssen und in Mannheim ebenso 2.-5.000 Menschen.
Von einer “versprochenen” Änderung der Informationspolitik ist bislang genau nichts zu erkennen. Ganz im Gegenteil hat uns das Regierungspräsidium Auskünfte aktuell verweigert.
Wichtigstes Projekt der Stadt Mannheim in Gefahr?
In Mannheim würde dadurch das wichtigste Stadtentwicklungsprojekt der kommenden Jahre, die Konversion von “Franklin” gefährdet – hier droht ein Investitionsschaden von 220 Millionen Euro.
Gleichzeitig hat Mannheim große Flächen, die für eine Flüchtlingsunterbringung in “Spitzenzeiten” eventuell geeignet wären – beispielsweise Spinelli. Dieses Gelände soll 2023 als “Grünzug-Nordost” zusammen mit einer Bundesgartenschau entwickelt werden. In den kommenden Jahren sind hier keine vergleichbar “dringlichen” Entscheidungen zu erwarten wie auf Franklin.
Die Mannheimer Abgeordneten Dr. Stefan Fulst-Blei (SPD), Helen Heberer (SPD) sowie Wolfgang Raufelder (Grüne) sind nach unserem Kenntnisstand bislang wenig bis gar nicht in der Sache aktiv geworden, um die Entwicklung von Franklin zu schützen. Seit Jahren steht der Vorwurf im Raum, dass Mannheim “in Stuttgart keine Lobby hat”.
Georg Wacker “betreut” den Wahlkreis in Ermangelung eines CDU-Abgeordneten, nachdem Claudius Kranz gegen Herrn Raufelder 2011 den “schwarzen” Wahlkreis Mannheim-Süd verloren hatte.