Rhein-Neckar, 31. Juli 2015. (red/pro) Das Informationsfreiheitsgesetz steht im Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung. Und es gibt einen, der sich persönlich dafür verantwortlich gemacht hat: Hans-Ulrich Sckerl. Der grüne Abgeordnete aus dem Landtagswahlkreis Weinheim ist ein Top-Politiker der Grünen. Parlamentarischer Geschäftsführer, innenpolitischer Sprecher. Jurist und fleißig im Wahlkreis. Er führt gerne das große Wort – in Sachen Informationsfreiheit hat er genau eine Möglichkeit. Ab in die Ecke und schämen.
Kommentar: Hardy Prothmann
Hans-Ulrich Sckerl und ich hatten nie ein einfaches Verhältnis, aber wir hatten eins. Ich kann mich sehr gut an den Wahlabend erinnern. 2011. Er war als Minister im Gespräch und musste viel telefonieren. Aus dem Minister wurde nichts. Reinhold Gall (SPD) bekam den Posten.
Aber „der Uli“ ist einer der wichtigsten Politiker im System der grün-roten Regierung. Irgendwie hat er fast überall die Finger drin. Er ist trotz seiner 64 Jahre ein Dynamiker. Auch dann, wenn er mir vor kurzem bei einer Veranstaltung mit der Hand in den Nacken greift und sagt:
Warte es ab. Ich hab das übernommen. Das wird was. Das wird gut. Warte es ab.
Sein „Übergriff“ war äußerst unangenehm. Als Frau hätte ich da einen „Aufschrei“ draus machen können. Über einen „Aufschrei“ denken Männer selten nach – das ist ein anderes Thema.
Anderen hab ich schon mal eine „gebrochene Hand“ angekündigt, weil sich mich körperlich angegangen sind. Der Bruch mit Uli Sckerl ist nicht körperlich, sondern politisch intellektuell.
Der Griff ins Genick könnte sportlich gemeint sein – Sckerl war früher Handballer – aber der Anlass ist Politik. Und der Greifer ist Politiker.
Ich lasse mich als Bürger und Journalist nicht auf den Arm nehmen und ich lasse mir schon gar nicht durch eine „Genickzange“ klar machen, wo es langgeht.
Hans-Ulrich Sckerl täuscht einen Erfolg vor
Genau das hat Uli Sckerl aber versucht. Scheinbar jovial – in der Handlung bestimmt und in der Symbolik vollkommen daneben.
Nach einer Bürgerinformation in Weinheim zum Thema Flüchtlinge kündigte er mir an, dass man „überrascht“ werde, wie „toll“ das neue Informationsfreiheitsgesetz sei. Er habe das „in die Hand genommen“.
Tatsache ist: Der Gesetzesentwurf zum Informationsfreiheitsgesetz ist keine Genickzange, sondern eine Farce. Und Hans-Ulrich Sckerl ist verantwortlich dafür, weil er sich aktiv gebrüstet hat. Hätte er irgendeine Ausflucht gesucht, könnte man ihm irgendeinen Vorwurf von wegen „windiger Politiker“ machen. Nein. Er persönlich ist verantwortlich.
Hans-Ulrich Sckerl ist keine 08/15-Nummer aus der Provinz – er ist ganz nah dran an der Macht der grün-roten Landesregierung. Die hat eine Politik des „Gehörtwerdens“ versprochen und scheitert kläglich. Betrieben wird eine Politik der Selbstdarstellung: „Ihr höret jetzt mal zu und werdet“.
Transparenz? Fehlanzeige!
Dieses Informationsfreiheitsgesetz ist der zentralste Bestandteil einer neuen, transparenten Politik und der entscheidenste Schlüssel zur Bürgerbeteiligung. Leider haben das viele „klassische“ Medien aus welchen Gründen auch immer bislang nicht verstanden oder verstehen wollen.
Diese grün-rote Landesregierung ist mit einem Versprechen gestartet, das sie nicht einhalten wird.
Hans-Ulrich Sckerl hat dafür immer die SPD verantwortlich gemacht. Das ist mir egal. Ich mache ihn dafür verantwortlich, dass er nicht verantwortlich öffentlich dafür gekämpft hat, dass wir in Baden-Württemberg mindestens so gut gestellt sind wie die in Hamburg, die das vermutlich beste Gesetz in der Sache haben.
Tatsächlich wird Baden-Württemberg nicht nur Mittelmaß sein, sondern ein Kellerkind, was Informationsfreiheit und Transparenz angeht. Und wenn ein Hans-Ulrich Sckerl versucht, diesen Mist von Gesetz als Erfolg zu definieren, muss man sich fragen: „Mappus das sein?“
Kritik perlt ab – Mappus oder Sckerl? Egal
Nicht nur mir – auch dem Netzwerk Recherche stößt diese selbstherrliche Ignoranz auf. Der Journalisten-Verein hat viele der besten Journalisten Deutschlands als Mitglieder und warnt seit langem vor diesem Gesetzesentwurf. Hans-Ulrich Sckerl lässt das an sich abperlen – was stört es die grüne Eiche der Ignoranz, wenn sich aufgeklärte Experten daran wetzen?
Er feiert sich selbst und merkt überhaupt nicht, dass er, sofern er noch in einen Spiegel schaut, genau das Gesicht sieht, das er in seiner Zeit als Opposition bekämpft hat. Das eines Politikers, der die Öffentlichkeit zum Narren hält, um sich und seinen Machtanspruch nicht zu gefährden.
Vor seinem Griff in den Nacken hat er mir gerne auf die Schulter gehauen – auch das war übergriffig.
Ich weiß, dass er meine Arbeit schätzt und dass seine Körperlichkeit Ausdruck seines „Sportsgeistes“ als früherer Handballer ist. Deswegen nehme ich ihm das auch nur bedingt übel. Aber ich mache auch das öffentlich, damit unsere Leser/innen wissen, wie es zugeht, wenn Politiker auf Journalisten treffen und was Politiker denken, sich herausnehmen zu können.
Uli und ich duzen uns und ich schätze ihn, weil er wirklich hart arbeitet. Dafür lobe ich ihn sehr.
Aber unabhängig davon beurteile ich ihn als Journalist politisch an den Ergebnissen. Der vorgelegte Gesetzesentwurf zum Informationsfreiheitsgesetz Baden-Württemberg wird in die Geschichte eingehen. Als persönliches Versagen des Landtagsabgeordneten Hans-Ulrich Sckerl, der es zu seiner Chefsache erklärt und Bolognese draus gemacht hat.
Schäm Dich, Uli. Du hast jeden Grund dazu. Du hast nicht nur 12 Millionen Menschen etwas versprochen und sie enttäuscht – Du hast den vermeintlich eigenen Anspruch sehr hoch gehängt und bis in die tiefste Tiefgarage unterboten.
Du hast in Sachen Informationsfreiheit versagt.
Punkt.