Mannheim/Rhein-Neckar, 29. September 2014. (red/ms) Sie wurden verspottet und ausgelacht, niedergemacht und beispiellos herablassend kritisiert – doch sie hielten immer an ihren Idealen fest und gehören heute zu den populärsten Künstlern überhaupt: Die großen Impressionisten rund um ihren gedanklichen Vater Manet. Die Kunsthalle Mannheim widmet ihnen eine Ausstellung und der Andrang bei der Eröffnung war gewaltig: Knapp 400 Besucher reizten die Kapazität des Gebäudes bis an die Grenzen aus. Und genau diese Aufmerksamkeit hat die Ausstellung verdient – denn sie ist an sich schon ein Kunstwerk: Mit nur 31 Bildern und ohne jegliche Effekthascherei schafft es die Gastkuratorin Dr. Marie-Amélie zu Salm-Salm den Werdegang des Impressionismus als Wegbereiter der modernen Kunst im Wesen zu erfassen.
Von Minh Schredle
Die aufgestellten Stühle im Foyer sind bereits mehrere Minuten vor Beginn allesamt belegt. Sie reichen bei weitem nicht aus: Nur etwa 60 Menschen finden hier Platz – insgesamt sind aber knapp 400 Gäste anwesend. Viele schauen von der zweiten Etage aus zu und sogar auf den Treppenaufgängen stehen einige Besucher dicht gedrängt beisammen. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz freute sich in seiner eröffnenden Ansprache über „eine Resonanz, die an die Kapazitätsgrenzen des Hauses geht“.
![Kunsthalle Mannheim EÖ 25.09.2014 1](https://istlokal-medien.de/rheinneckarblog1/files/2013/09/Kunsthalle-Mannheim-EÖ-25.09.2014-1.jpg)
Frauen und Männer zeigen sich gleichermaßen fasziniert vom Impressionismus. Menschen verschiedenster Herkunften sind anwesend und jede Altersgruppe interessiert – einzig die Jugend ist etwas unterrepräsentiert. Foto: © Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
Der große Andrang zeigt deutlich, wie populär sie inzwischen geworden sind – die großen Impressionisten. Doch die Bilder sind mehr als einfach nur schön. Sie sind eine Revolution.
Keine 200 Jahre ist es her, da waren die Vorstellungen, wie Kunst zu sein hat, starr und beschränkt. Im Paris des 19. Jahrhunderts diktierten die Akademie und der Salon den Geschmack der Gesellschaft. Einzig angesehen war pathetische Historienmalerei, die vieles beschönigend zur gutbürgerlichen Selbstgefälligkeit beitrug. Die Schattenseiten von Paris – Überbevölkerung, Krankheiten, die Unzufriedenheit der Unterschicht – hatten in der Kunst nichts verloren. Jedenfalls nicht, bis Manet und seine Mitstreiter vermeintlich minderwertige Themen, wie die Schönheit der Natur oder das Leben des einfachen Mannes, in den Fokus ihrer Malerei rückten.
Sie provozierten und rieben sich und trotz vernichtender Urteile der angesehenen Kritiker hielten sie an ihren Überzeugungen fest. Heute gehören sie zu den ruhmreichsten und populärsten Malern aller Zeiten und dienen vermutlich auf Ewig anderen als Inspirationsquelle. Es gelang ihnen, die Kunst aus ihrem eng geschnürrten Korsett zu befreien, zu entfesseln, und so der modernen Malerei den Weg zu ebnen.
Der Werdegang der modernen Kunstgeschichte in nur 31 Bildern
Dieser Werdegang wird in der Ausstellung „Manet, Cézanne, Van Gogh – aus aller Welt zu Gast“ wiedergegeben. Sie ist vom 25. September bis zum 18. Januar 2015 zu betrachten und zeigt neben Manet, Cézanne und van Gogh auch Bilder von Goustave Courbet, Eugène Delacroix, Camille Corot, Alfred Sisley, Camille Pissarro, Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir – die Crème de la Crème der französischen Impressionisten und ihrer Vorreiter.
Ihre Werke werden zelebriert. Und das ohne irgendwelche Effekthascherei. Die Gastkuratorin Dr. Marie-Amélie zu Salm-Salm, die für die Idee und Umsetzung der Ausstellung zuständig war, hat hervorragende Arbeit geleistet: Die Präsentation ist genau so stilvoll, wie sie sein kann, ohne von den Werken abzulenken. Vor einem monochromen dunkelblauen Hintergrund hängen die Bilder mit kunstvoll gefertigten, meist goldenen Rahmen, die gekonnt in Szene setzen, ohne die Show zu stehlen.
Es werden nur 31 Bilder gezeigt, davon 17 Leihgaben aus aller Welt. Ist das genüg für eine solide Ausstellung? Es ist sogar mehr als genug für eine mehr als solide Ausstellung. Denn abgesehen davon, dass die 31 Bilder für sich schon allesamt Meisterwerke sind, ergeben sich durch die Beziehungen untereinander ganz neue Blickwinkel.
Die Werke werden zelebriert
Der Rundgang beginnt mit Monets „Die Rue de la Bavolle in Honfleur“. Dem Gemälde wurde ein eigener Raum gewidmet, sodass man sich ganz auf diese Perle konzentrieren kann. Die Positionierung am Anfang der Ausstellung ist eine Vorwegnahme: Es wird exemplarisch präsentiert, worin der Impressionismus mündete.
![Monet_Mannheim_2](https://istlokal-medien.de/rheinneckarblog1/files/2013/09/Monet_Mannheim_22.jpg)
Claude Monets „Die Rue de la Bavolle in Honfleur“: Alles, was den Impressionismus ausmacht, festgehalten in nur einem Bild. Foto: © Kunsthalle Mannheim/ Cem Yücetas
Der anschließende Raum gebührt den Wegbereitern des Impressionismus: Goustave Courbet, Eugène Delacroix und Camille Corot. Sie gehörten zu den ersten, die die Schönheit der Farbe an sich in ihrer Malerei in den Vordergrund rückten und lieber Landschaften darstellten als heroisierte historische Ereignisse.
Camille Corot gehörte zu den ersten Plenairmalern: Er war der Auffassung, dass man das Wesen der Natur am besten festhalten könne, wenn man direkt unter freiem Himmel arbeitet. Eines seiner Malkästchen befindet sich im Besitz der Kunsthalle und wurde ebenfalls ausgestellt.
Ein roter Faden zeigt die Vernetzungen
Der historische Fluss zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Ideen werden aufgegriffen und weitergeführt, Darstellungen abgeändert, Anblicke neu interpretiert. Von den Romantikern und Realisten wird über die Werke Manets die Brücke zu den Impressionisten geschlagen.
Eine Raumhälfte befasst sich damit, wie Manet in seinem Werk den Tod dargestellt hat. Eine ganze Wand huldigt dem Meisterwerk „Die Erschießung des Kaisers Maximilian“. Oberbürgermeister Kurz ging so weit, das Bild als „Teil der Stadtgeschichte“ zu bezeichnen. Es befindet sich schon seit 1910 im Besitz der Kunsthalle. Welchen Stellenwert dieses Gemälde im Schaffen Manets hat, ist allein daran ersichtlich, dass der Künstler vier Versionen schuf. Es ist seine letzte Darstellung eines historischen Ereignisses.
![Manet_Erschiessung_Mannheim](https://istlokal-medien.de/rheinneckarblog1/files/2013/09/Manet_Erschiessung_Mannheim.jpg)
Beide Gemälde Manets behandeln den Tod – jedoch völlig verschieden: „Der tote Torero“ (rechts) starb in der Arena – jedoch ohne Publikum. „Die Erschießung Kaiser Maximilians“ (links) wurde eigentlich von Mexikanern durchgeführt. Manet lässt die Soldaten allerdings französische Uniformen tragen und gibt damit ein eindeutiges politisches Statement ab. Fotos: Die Erschießung Kaiser Maximilians: © Kunsthalle Mannheim/ Cem Yücetas Der tote Torero: © National Gallery of Art, Washington
In den restlichen Räumen werden die Bilder der Impressionisten abstrakter Malerei aus dem 20. und 21. Jahrhundert gegenübergestellt. So fremdartig und deplaziert diese zeitgenössichen Werke auf den ersten Blick scheinen mögen, zeigen sich bei genauerer Betrachtung die Gemeinsamkeiten und ein weitergeführter Gedankenfluss – was im Impressionismus angefangen hat, wurde in der Abstraktion konsequent zu Ende geführt: Die Kunst ist nun völlig losgelöst von einem Gegenstand, es zählen nur noch Farbe und Form.
Seelenverwandte Werke
Alle Werke der Ausstellung sind perfekt aufeinander abgestimmt: Sie weben ineinander und leben ineinander. Ihre Ähnlichkeit ist unverkennbar, ihre Individualität dennoch nicht zu bestreiten. Dr. Marie-Amélie zu Salm-Salm spricht von einer „Seelenverwandschaft zwischen den Bildern, die auch die Leihgabeverhandlungen vereinfacht“ habe:
Bei vielen Anfragen hieß es: Die Verbindung zwischen den Werken ist so herausragend, dass wir die Leihgabe gar nicht verweigern können.
Natürlich ist es mit nur 31 Werken nicht möglich alle feinen Facetten verschiedenener Epochen der Kunstgeschichte vollständig einzufangen. Doch wie bei einem guten Gemälde ist der Ausschnitt, den man zu sehen bekommt, in sich stimmig und harmonisch. Dr. Marie-Amélie zu Salm-Salm ist das gelungen, was auch einen meisterlichen Maler ausmacht: Das Wesen dessen, was man wiedergeben will, einzufangen und anderen zugänglich zu machen.
Anmerkung: Das Copyright für das Vorschaubild liegt bei der Kunsthalle Mannheim/Cem Yücetas