Weinheim/Rhein-Neckar, 23. Juli 2018. (red/pro) Am 17. Juli wurde gegen 21 Uhr eine Frau am Waidsee in Weinheim überfallen. Am 19. Juli informierten Polizei und Staatsanwaltschaft Mannheim, dass der Tatverdächtige gefasst und in Untersuchungshaft sei. Der Tatvorwurf gegen den mutmaßlichen Täter lautet auf schwere Körperverletzung und Vergewaltigung. Das sind erhebliche Straftaten, über die wir typischerweise auch berichten. In diesem Fall können wir das nicht, weil im Zusammenhang ein Unternehmen involviert ist, das Hardy Prothmann als Berater engagiert hat, um bei der Kommunikation zu helfen. Wir informieren transparent die Hintergründe.
Von Hardy Prothmann
Das Rheinneckarblog steht herausragend für unabhängigen, kritischen, ehrlichen und transparenten Journalismus.
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Dieser Artikel informiert Sie transparent über die Hintergründe einer Beratungsleistung, die ich angenommen habe. Dieser Auftrag hat zur Folge, dass ich bis zur Erledigung in diesem Einzelfall nicht unabhängig berichten könnte und deswegen eben nicht berichte.
Nach einer erheblichen medialen Skandalisierung von Sexualdelikten seit Anfang 2017 im Badebetrieb Miramar, hat Geschäftsführer Marcus Steinhart mich gebeten, ihn kommunikativ zu beraten.
Wir haben die Bedingungen besprochen, unter denen das möglich ist. Eine meiner Bedingungen ist, dass ich persönlich während der Zeit der Beratung keine Berichterstattung zu diesem Themenkomplex leisten kann, da dies für mich einen erheblichen Interessenkonflikt darstellen würde, insbesondere, was die Unabhängigkeit einer Berichterstattung angeht. Dazu habe ich eine eindeutige Haltung, die in der Branche durchaus häufig nicht geteilt wird.
Seit der Übernahme des Auftrags vor einigen Wochen habe ich entsprechend journalistisch nicht mehr zum Miramar berichtet. Ausnahme: Am 20. Juli erschien auf dem RNB ein Text, der allerdings ohne eigene journalistische Bearbeitung ist. Wir haben die Pressemitteilung der Polizei und eine Information des Miramar unbearbeitet und als Mitteilungen gekennzeichnet, veröffentlicht.
Eine Ausnahme stellt auch dieser Text dar, der sich allerdings nicht einer aktuellen Berichterstattung widmet, sondern Ihnen bei der transparenten Einordnung hilft – ein Service, den Sie nicht bei vielen Medien finden, wo im Hintergrund durchaus “Geschäfte” laufen, die nie transparent werden.
Herr Steinhart (52) ist Diplom-Kaufmann und verantwortlich für sieben Badebetriebe des Familienunternehmens. 15 Betriebe gehören insgesamt zur Unternehmensgruppe. In Weinheim ist Herr Steinhart persönlich Geschäftsführer seit 1999.
Herr Steinhart ist Geschäftsführer von Badebetrieben und kein Kommunikationsprofi. Eine Pressestelle hat das Unternehmen nicht. In Weinheim sind rund 200 Personen beschäftigt, was das Miramar zu einem der größten Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler in Weinheim macht. Im vergangenen Jahr zählte man mit rund 710.000 Besuchern einen Rekord, seit Bestehen des Unternehmens hatte man gut 30 Millionen Gäste.
Im Februar 2018 veröffentlichte eine Lokalzeitung ein mutmaßliches Sexualdelikt. Ein Mann soll einem 10-jährigen Mädchen zwischen die Beine gefasst haben.
Weitere Recherchen ergaben, dass seit Anfang 2017 insgesamt 25 mutmaßliche Straftaten aus dem Feld “Sexualdelikte” im Betrieb begangenen worden sein sollen. Durch Gäste an anderen Gästen.
Meine interne Recherche ergab, dass der Übergriff im Februar auf das Mädchen 1-2 Sekunden gedauert hat.
Der Übergriff ist nicht zu akzeptieren. Dieser Meinung ist auch Herr Steinhart. In allen Fällen. Aber es ist auch nicht zu akzeptieren, dass daraus ein um die andere “Sex-Skandal”-Story gewoben wird.
Es gibt keinerlei Hinweise auf eine “systematische Verantwortung” wie bei den Sexualdeliktsskandalen von katholischer Kirche oder der Odenwald-Schule.
Trotzdem gibt es eine erhebliche Skandalisierung einzelner Übergriffe, die irgendwie “systematisch” und ein Skandal sein sollen. Ich habe dazu umfangreich vor dem Auftrag meiner Beratungsleistung recherchiert, was hier nachzulesen ist.
Die allermeisten Verfahren sind noch nicht abgeschlossen und müssen nach rechtsstaatlichen Prinzipien bis zu einem rechtskräftigen Urteil als “mutmaßlich” bezeichnet werden. Wichtig zu wissen ist: Das Unternehmen hat keinerlei Informationen zum Ermittlungsstand und auch nicht zum Ausgang der Verfahren.
In acht Fällen waren Kinder, also Personen unter 14 Jahren betroffen. Vier mal hatten Männer an sich manipuliert – ohne körperlichen Kontakt. Hier handelt es sich um mögliche Straftaten exhibitionistischer Art.
Ein Mal soll ein Junge am Penis angefasst worden sein, ein Mal soll ein Mann zwei Mädchen im Wasser geküsst und “in den Po gebissen” und später in der Sauna auf den Schoß genommen haben, ein Mal soll eine Gruppe Jugendlicher aus Darmstadt Mädchen begrapscht haben, ein Mal soll einem Mädchen in den Schritt gefasst worden sein. In allen Fällen könnte eine Sexualstraftat vorliegen, glücklicherweise keine erheblichen.
Herr Steinhart hat dazu klar geäußert, dass jeder Fall einer zu viel ist, aber auch, dass diese Angriffe kaum zu verhindern sind. Sie geschehen schnell und unvorhersehbar. Was machbar ist, ist die mutmaßlichen Täter sofort zur Verantwortung zu ziehen. 24 von 25 mutmaßlichen Tätern sind identifiziert, weil die Angestellten des Miramar aktiv mitgewirkt haben, diese zu stellen. Wichtig ist der Blick auf die Zahlen. Im Zeitraum Anfang 2017 bis März 2018 gab es rund eine Million Gäste im Miramar.
Die Übergriffe dauerten jeweils nur sehr kurz. Trotzdem ist natürlich jeder Übergriff einer zu viel. Die Bild machte daraus die Schlagzeile: “Kinderschänder-Angst im Spaßbad”. Das ist Lügenpresse. Das ist Fake-News. Das hat mit Journalismus nichts zu tun. Es gab weder massive noch systematische Übergriffe gegenüber Kindern im Miramar – aber es gab massive und systematisch negative Schlagzeilen.
Die Angestellten des Miramar hatten selbst die Polizei informiert. Das Unternehmen unterstützt die Behörden mit allen Auskünften, die ersucht werden oder der Herausgabe von Videomaterial (im Badebereich, im textilfreien Bereich sind Kameras gesetzlich verboten).
Am vergangenen Samstag, 21. Juli 2018, habe ich zusammen mit Herrn Steinhart Medienvertreter empfangen. Wir haben die anwesenden Personen darüber umfangreich aufgeklärt, wieso ich plötzlich als Berater am Tisch sitze und nicht als Journalist unter anderen.
Herr Steinhart hat sehr umfangreich über rund 40 Minuten Hintergrundinformationen an die Medienvertreter gegeben, die aus diversen Gründen nicht öffentlich sein dürfen – das war ein großer Vertrauensbeweis gegenüber den Medien, denn der kann auch missbraucht werden.
Danach fragten die anwesenden Journalisten rund 45 Minuten, was sie fragen wollten. Alle Fragen wurden beantwortet.
Im Anschluss gab es die Möglichkeit für Interviews, die RNF und Radio Regenbogen genutzt haben. Zudem das Angebot, sich ein persönliches Bild vor Ort zu machen, also die Stelle zu besichtigen, wo eine Frau mutmaßlich das Opfer eines Vergewaltigers geworden sein soll. Nur Herr Weber von der RNZ interessierte sich dafür, die anderen Journalisten nicht.
Für mich persönlich empfand ich insbesondere die Vertreter von Weinheimer Nachrichten und Weinheimer Woche als eindeutig negativ. Die Journalisten traten ohne Anlass aggressiv auf und würdigten die offene Gesprächsatmosphäre im Grundsatz und im Gegensatz zu den anderen Medienvertretern nicht.
Ich bin nun schon fast 30 Jahre im Geschäft und das war eine der ehrlichsten und offensten Pressekonferenzen, die ich je erlebt habe. Auch, weil ich erstmals selbst “auf der anderen Seite” daran beteiligt war, weil ich diese geleitet habe. Ich habe Herrn Steinhart zu nahezu bedingungsloser Transparenz beraten und Herr Steinhart hat geliefert, weil er mir vertraut. Hätte ich auf der anderen Seite gesessen, hätte ich keine Kritik gehabt – das war mein Anspruch an meine Leistung und die habe ich erfüllt.
Hintergrund: Vor einigen Jahren hatte ich exklusiv über einen tragischen Unfall in einer gerade eröffneten Superrutsche des Miramar berichtet. Eine vier Millionen Euro teure Investition. Das Thema schlug bundesweit Wellen, zwei Wochen lang gingen bei Herrn Steinhart Medien ein und aus. Seitdem vertraut Herr Steinhart mir, weil ich zwar hart, aber nicht skandalisiert berichtet hatte. Und er hat andere Medien erlebt.
Durch die Beratung wechsle ich in diesem Einzelfall klar und unmissverständlich die Seiten. Ist das so? Ja und Nein. Selbstverständlich berate ich Herrn Steinhart in Bezug auf seine Interessen und die seiner Unternehmung und stelle meine journalistische Aktivität zurück.
Aber ich habe auch die Interessen von Medien im Blick und ich will dafür sorgen, dass diese kompetent und zutreffend informiert werden. Diese Zielsetzung war Teil meiner Bedingungen und Herr Steinhart hat das nicht nur “hingenommen”, sondern klar begrüßt. Auch deshalb habe ich großen Respekt vor Herrn Steinhart – der will keine “Heile-Welt-PR”, der will kritischen Journalismus, solange der fair bleibt. Wenn Herr Steinhart von mir “Mauscheleien” verlangen würde, würde ich den Vertrag sofort kündigen.
Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe hier mehr freie Hand, als ich dass früher durch versuchte Anweisungen durch Redaktionen hatte.
Durch meine Beratung wurden kommunikative Probleme deutlich. Eins war, dass Herr Steinhart nicht umgehend und umfassend über Vergehen informiert worden ist, die möglicherweise Sexualstraftaten sein könnten. Das ist ab sofort Chefsache.
Weiter darf ich im Betrieb wie ein Ermittler recherchieren. Ich verlange Auskunft zu diesem und jenem und erhalte die auch. Das ist ein großartiges Vertrauen, das mir als externem Dienstleister entgegengebracht wird. Wie im “echten Leben” sind diese Auskünfte teils sehr gut, teils fragwürdig. Ich bin dafür da, diese Inhalte kritisch zu prüfen, die Fragen zu Antworten zu machen.
Und ja, es gibt sehr viel, was man verbessern kann. Und nein, ich habe nicht ansatzweise den Eindruck, dass irgendjemandem im Betrieb sexuelle Übergriffe egal seien. Ganz entschieden ist das Gegenteil der Fall.
Herr Steinhart wird auch auf mein Zuraten hin in Zukunft Eltern oder andere Betreuungspersonen verstärkt auf deren Aufsichtspflicht hinweisen. Weil eine persönliche Ansprache durch Herrn Steinhart natürlich nicht möglich ist, erhalten Gruppen mit Kindern einen Flyer mit Hinweisen, dass deren Aufsichtspflicht nicht an der Kasse endet.
Selbstverständlich höre ich mir an, was die Bediensteten zum Thema erzählen und das ist kein Spaß in Bezug auf das Vertrauen, das man Eltern eigentlich unterstellen können sollte. Und natürlich checke ich gegen, was mir die Bediensteten erzählen, ob das wahr sein kann oder nicht. Ich agiere da als misstrauischer Journalist.
(Nebenbei bemerkt: Dass es immer mehr Kinder geben soll, die mit 8 oder 9 Jahren noch mit Schwimmflügeln ins Wasser müssen, ist erschütternd. Offenbar steht es um die Schwimmfähigkeit von Kindern in Deutschland sehr dramatisch. Das ist auch nicht in der Verantwortung des Miramar, das aber Schwimmkurse anbietet. Nicht, um staatliches Versagen auszugleichen, sondern Kindern einfach nur das Schwimmen beizubringen.)
Dazu zwei Ergebnisse meiner Recherchen vor dem Beratungsauftrag:
Der Mann, der einem Jungen im Februar 2017 an den Penis gefasst haben soll, soll dies um 23:25 Uhr (!) im Whirlpool (Badebereich) getan haben. Wo waren die Eltern? Wieso ist ein 12-Jähriger um diese Zeit unbeaufsichtigt und nicht im Bett?
Wie kann es sein, dass ein Mann gegen 22:31 Uhr (!) im März 2017 zwei 9-jährige Mädchen im Pool herumwirft, sie küsst, in den Popo beißt und in der Sauna auf den Schoß setzt? (Saunabereich – herumwerfen im Pool und Sauna können nicht innerhalb von Sekunden passiert sein) Wo waren die Eltern?
Wie Herr Steinhart das in der Pressekonferenz deutlich gemach hat: Er will nicht indirekt beschuldigt werden und niemanden anderen beschuldigen, sondern ruft zur kritischen, aber fairen Berichterstattung auf. Viele regionale Medien hatten die Informationen zu den mutmaßlichen Taten, den Tatverdächtigen, Ort und Uhrzeit. Fragen, warum Kinder zu später Stunde unbetreut waren, haben viele Medien überhaupt nicht interessiert. Auch das ist verantwortungslos – mindestens wie das Verhalten von Eltern.
Mich interessiert diese Frage sehr und die stelle ich auch Herrn Steinhart, nämlich derart, ob Regeln nicht überarbeitet werden sollten. Familien können Kinder mit in den Sauna-Bereich nehmen. Das halte ich für unproblematisch. Aber vielleicht sollte die Zeit begrenzt sein, 22 Uhr oder so. Damit wären zwei Fälle allein zeitlich nicht möglich gewesen.
Andererseits. Der Übergriff gegenüber einem Mädchen im Februar 2018 geschah um 13 Uhr. Mitten im Becken im Badebereich, viele Leute außenherum. Wie soll man so etwas verhindern – selbst wenn Sicherheitspersonal am Beckenrand gestanden hätte, wäre es nicht möglich gewesen einzugreifen.
Das geht nur über Kommunikation. Sensibilisierung. Das macht Herr Steinhart. Dabei helfe ich ihm.
Mal gespannt, ob andere Medien mitziehen oder weiter die Skandalwelle reiten wollen, weil alles mit “Sex” vermeintlich “gut” für die Aufmerksamkeit ist.
Ich habe da leider große Zweifel, weil ich den Niedergang der Medienbranche schon lange kritisch begleite.
Trotzdem. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich glaube, dass ehrliche und korrekte Informationen gut für professionelle Medien sind. Damit kann man sich von Schrott abheben.
Aktuell haben das RNF und WNOZ überwiegend korrekt geleistet. Leider hat die WNOZ Herrn Steinhart an einer Stelle komplett falsch zitiert, wieder einen Teil unnötiger Skandalisierung im Text gehabt und einen Eindruck geschildert, der korrekt ist, aber nicht das komplette Bild liefert und damit unfair war.