Mannheim/Rhein-Neckar, 21. Oktober 2014. (red/ms) Das ehemalige Wohngebiet der US-Army „Benjamin Franklin Village“ soll im Zuge der Konversion zu „einem neuen Stadtteil“ werden. Ziel der Stadtplanung ist es, auf dem 140 Hektar großen Areal mit etwa 5.000 Bewohnern „die Vielfalt Mannheims zu repräsentieren“. Das ambitionierte Projekt ist momentan Zukunftsmusik – denn die Vorstellungen der Stadt und die von möglichen Investoren liegen noch weit auseinander.
Von Minh Schredle
Die verlassenen Militärkasernen sind eine einmalige Chance für die Stadtentwicklung – und ein beinahe ebenso einmaliges Risiko: Mit einer Gesamtfläche von etwa 500 Hektar machen sie mehr als drei Prozent des Stadtgebiets aus.
Der Konversionsprozess wird Jahre dauern. Vielleicht sogar Jahrzehnte. Gelingt er, locken weitläufige Grünflächen, attraktive Freizeitanlagen und hochmoderne Wohngebiete zu vergleichsweise geringen Kosten. Bei einem Scheitern droht ein Milliardengrab. Zuständig für die Planung ist die MWS Projektentwicklungsgesellschaft (MWSP), die damit eine enorme Verantwortung trägt.
Mannheims neuer Stadtteil
Ein Teil des Riesenprojekts, das für sich selbst schon ein Großvorhaben ist, stellt die Entwicklung des Benjamin Franklin Village dar: Auf etwa 1,4 Millionen Quadratmeter soll ein neues Wohngebiet um die 5.000 Menschen entstehen – „das wird ein neuer Stadtteil und man kann ihn von Anfang an bis ins Detail planen. So eine Gelegenheit ist einmalig“, sagt der Architekt und MWSP-Prokurist Achim Judt bei einem Pressegespräch zur weiteren Entwicklung des Gebiets am Freitag.
Während die Bevölkerung darauf drängt, zu erfahren, wie viel die Konversion kosten wird, wann die ersten Fortschritte zu sehen sein werden und ab wann die neuen Wohnräume bewohnt werden können, sagt der Geschäftsführer der MWSP, Dr. Konrad Hummel: „Wir stehen noch ganz am Anfang.“
Momentan ist die Stadt Mannheim nämlich noch nicht einmal im Besitz des Benjamin Franklin Village: Die Fläche wird von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verwaltet, über einen Verkaufspreis verhandelt man noch.
„Unter 200 Millionen geht nichts“
„Die Preisvorstellungen sind sehr unterschiedlich“, sagt Dr. Hummel. Es stehe allerdings fest, dass man „keine Einigung unter 200 Millionen Euro“ finden werde. Ein gemeinsamer Gutachter solle Klarheit schaffen, damit man „hoffentlich noch 2014 einen Kaufpreis bestimmen kann“.
Gleichzeitig laufen schon die Investorenverfahren – es ist also deutlich, dass die Stadt fest eingeplant hat, das Gebiet zu erwerben. Würde sie das nicht tun, könnte die BImA die Fläche an einen privaten Investor veräußern. Dann hätte die Stadt kaum noch Möglichkeiten zur Gestaltung – und würde damit laut Herrn Judt eine „einmalige Gelegenheit versäumen“.
Das Benjamin Franklin Village soll nach den Vorstellungen der Stadtentwicklung „die Vielfalt Mannheims repräsentieren“: Menschen „ohne Berührungsängste“ sollen „in Freiheit leben und Freiheit lassen“, eine „bunte Mischung verschiedener Bevölkerungsstrukuren“ wird angestrebt.
5.000 Räume für Vielfalt
Das heißt konkret: Multikultureller Wohnraum für „Wohlhabende und Einkommensschwache“, für „Kreative und junge Familien“, für „Performer und Pragmatiker“. Doch bis diese Wünsche realisiert werden können, würde es laut Herrn Dr. Hummel „sicher noch zehn Jahre oder mehr dauern“.
Etwa 5.000 Wohneinheiten sollen geschaffen werden. Wie viel das die Stadt kosten wird, ist unklar. Sicher ist dagegen, dass sie keinen Gewinn machen wird: Jeglicher Überschuss, der mit den Verkäufen erwirtschaftet wird, muss in die Entwicklung des Areals fließen. Doch Herr Dr. Hummel sagt dazu:
Ich bin sehr froh, wenn wir kein Minus machen. Das ist schwierig genug.
Von den 140 Hektar der Fläche sind nur etwa 38 Prozent verkaufbarer Wohngrund. Es sei „eine große Herausforderung, mit so einem geringen Verkaufspotenzial das gesamte Areal qualitativ auszubauen und zu finanzieren“. Etwa zwei Drittel der Gesamtkosten werde der Ausbau der Infrastruktur kosten – und die kann man, zumindest nicht unmittelbar, weiterverkaufen.
Luxusviertel für den Mittelstand
Ein wichtiger Teil des Benjamin Franklin Village ist die sogenannte Offizierssiedlung: Hier gibt es 46 Doppelhäuser, die knapp 100 Wohneinheiten bieten. Daraus soll „eine Art Luxusviertel“ werden mit Villen für Spitzenverdiener und Wohnungen hohen Standards für den gehobenen Mittelstand.
Acht Investoren reichten bei der Stadt ihre Entwicklungskonzepte und Kostenschätzungen ein. Herr Judt beurteilt die Leistungen allesamt als unzureichend: Es handele sich um ein Gebiet mit einem besonderen Charakter. Man wolle ein außergewöhnliches Gebiet schaffen, aber:
Die vorgelegten Konzepte sind außergewöhnlich: Außergewöhnlich langweilig bis außergewöhnlich schlecht.
Vom „kompletten Abriss mit anschließendem Neubau“ bis hin zur „maximal möglichen Verdichtung“ sei „alles dabei“ gewesen. Dies entspräche aber „überhaupt nicht“ dem, was sich die Stadtplanung wünscht: Den originalen Charakter beizubehalten und stilvoll zu modernisieren. Dabei soll es ein paar Villen geben und vor allem hochwertige Häuser im Kostenrahmen von 350.000 Euro bis 450.000 Euro.
Es gibt einen dritten Platz und zwei zweite Plätze – einen ersten habe man laut Herrn Judt nicht vergeben wollen, da „keines der Konzepte ganz den Vorstellungen entspricht“. In die engere Auswahl kommen die „NCC Deutschland GmbH“, die „Convaler Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH“ und die „Ihr Haus Sahle Massivhaus GmbH“.
Die Konzepte sehen allesamt eine hohe Verdichtung vor, die den Bestand mit zahlreichen Neubauten ergänzt: Aus den 100 bestehenden Wohnungen sollen je nach Konzept 200 bis 300 werden. Den Bestand wollen alle Unternehmen weitgehend erhalten.
Allerdings gibt es hierbei Absichten, die der Stadtplanung missfallen: Die „Convaler Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH“ plant etwa eine komplette Neubedachung. Dies käme laut Herrn Judt nicht in Frage: „Das würde den Charakter grundlegend verändern. Außerdem sind die vorhandenen Dachgärten wunderschön.“ Auch die Preisvorstellungen entsprächen bei allen drei Konzepten nicht denen der Stadt.
Man werde mit den Investoren Gespräche führen und versuchen einen gemeinsamen Nenner zu finden, sagte Herr Judt. Falls dies nicht gelingt, wird die Entwicklung der Benjamin-Franklin-Village schwierig für die Stadt: Dann kann sie eines der Konzepte kaufen, modifizieren und versuchen, einen anderen Investor zu finden. Oder die Entwicklung im Alleingang angehen – in diesem Fall wäre das Investitionsvolumen enorm, sagt er.