07. Januar 2015. (red/pm) Etwa 10.000 Besucher sind zum Neujahrsempfang der Stadt Mannheim im Rosengarten erschienen. Gut 3.000 von ihnen fanden sich im Mozartsaal ein, um die Neujahrsansprache von Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz zu hören – damit waren die Kapazitätsgrenzen des Raumes voll ausgelastet. In seiner Rede sprach der Oberbürgermeister einerseits positive Apsekte an, wie die Entwicklung der Wirtschaft, Abbau von Schulden, eine gesunkene Arbeitslosigkeit und ein deutliches Bekenntnis zu Offenheit und Toleranz. Er nahm sich aber auch die Zeit, auf die „großen Aufreger“, wie den Skandal um das Uniklinikum oder den Wirbel um die Bundesgartenschau, einzugehen. Wir haben seine Rede für Sie dokumentiert.
Wir dokumentieren die Neujahrssansprache von Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD). Es galt das gesprochene Wort:
„Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Damen und Herren Abgeordnete des Europäischen Parlaments, des Bundestags, und des Landtags, lieber Udo van Kampen, liebe Bürgerinnen, liebe Bürger Mannheims und der Metropolregion, liebe Gäste, ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu unserem Neujahrsempfang.

Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz bei seiner Ansprache. Foto: Stadt Mannheim/Andreas Henn.
Ich heiße Sie alle willkommen auch im Namen des Gemeinderats, der hier anwesenden Fraktionsvorsitzenden Eisenhauer, Südmersen, Grunert, Weizel und Will sowie im Namen der Kolleginnen und Kollegen Bürgermeister Specht, Dr.Freundlieb, Grötsch, Kubala und Quast.
Wir alle freuen uns über Ihre Anwesenheit, denn Sie drücken damit Ihre Verbundenheit mit unserer Stadt aus. Unsere zahlreichen Ehrengäste bitte ich um Verständnis, wenn ich sie hier nicht einzeln nenne. Sie finden die Namen mit zwei Ausnahmen auf der ausgelegten Liste. Die Regierungsvizepräsidentin Gabriela Mühlstädt-Grimm und den neuen Präsidenten der evangelischen Landessynode, Herrn Axel Wermke darf ich zusätzlich herzlich begrüßen.
„Die Internationale Stadt“
Für alle Mannheimer Bürgerinnen und Bürger begrüße ich unsere Ehrenbürger Manfred Fuchs und Gerhard Widder sehr herzlich, ebenso – stellvertretend für die Gäste aus unseren Partnerstädten – den stellvertretenden Bezirksbürgermeister aus Charlottenburg Carsten Engelmann sowie Robert Karpel aus Haifa. Mit Haifa werden wir 2015 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel feiern.
Sehr herzlich begrüße ich unseren Gastredner beim heutigen Neujahrsempfang: den bekannten Fernsehjournalisten und langjährigen Leiter der ZDF-Studios in New York und Brüssel Udo van Kampen. Wir freuen uns sehr, dass er wenige Tage, nachdem er sich als Korrespondent aus Brüssel verabschiedet hat, hier bei uns die Festrede hält. Er kennt die internationale Politik und vor allem die der supranationalen Institutionen. Und er kennt die beiden Städte, die Europa und die Welt symbolisieren.
Wie sehr wir alle in einer Welt leben, hat er in besonderer Weise erfahren und erleben können. Er ist damit ein idealer Redner für unser diesjähriges Thema „der internationalen Stadt“. Er ist unserer Stadt verbunden über seine Freundschaft mit Horst Hamann, der New York als Fotograf eingefangen hat wie kein Zweiter und ebenso für die „Internationale Stadt“ steht. Ich freue mich sehr auf seinen Vortrag.
„Eindrucksvolle Vielfalt“
Meine Damen und Herren,
Ich wünsche Ihnen allen – auch im Namen meiner Frau – ein gutes, ein glückliches 2015, Gesundheit, Erfolg und persönliches Glück und uns allen ein Mehr an Stabilität, Frieden und gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt.
Der Neujahrsempfang zeigt für mich immer besonders eindrucksvoll, welche Vielfalt, welche Kraft und welches Engagement unsere Stadt ausmacht und prägt. Heute präsentieren sich Hunderte von Aktiven, aber auch viele Institutionen. Der Neujahrsempfang ist ein Tag der Begegnung, ein Tag für Bürgerinnen und Bürger, aber auch ein Tag von Bürgerinnen und Bürgern. Allen, die diesen Tag vorbereitet haben und die hieran mitwirken, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken.
Es ist auch ein Tag, an dem für Sie die Möglichkeit besteht, faszinierende Facetten der Stadt, interessante Menschen und auch neue Projekte kennenzulernen. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf dem Thema der internationalen Beziehungen. Es geht um Unternehmen, die immer globaler agieren und das gilt nicht nur für die großen. Es geht um die Hochschulen: so ist unsere Universität heute von mehr ausländischen Studierenden besucht als jemals zuvor und hat ihr internationaler Ruf zugenommen wie auch die internationalen Verbindungen aller Hochschulen.
Internationale Einflüsse wahrnehmen
Bei unserer Musikhochschule für die 2014 ein so wichtiges und mit der großen Unterstützung der gesamten Region ein erfolgreiches Jahr war, gilt das traditionell. Und aus den Kompetenzen von Popakademie, Orientalischer Musikakademie und Musikhochschule wird ein Studiengang Weltmusik entstehen, der unsere Stadt weiter international verbinden und profilieren wird.
Die Reputation unserer Museen und des Nationaltheaters zeigt sich auch in den internationalen Kooperationen. Sie werden aber auch überrascht sein über die Zahl der internationalen Kontakte aus Vereinen und Bürgerschaft wie aus der Verwaltung. Und Sie können auch erleben, dass unsere Konversion in besonderer Weise internationale Bezüge hat.
An den verschiedenen Wettbewerben haben sich internationale Planer beteiligt und durchgesetzt. Sie können heute mit Ihnen ins Gespräch kommen oder Ihre Konzepte kennenlernen, ob es die bekannten Architekten Winy Maas mit seinen Ideen für Franklin oder Francis Kere mit seiner Planung für ein grünes Taylor sind. Oder Tom Bock, der mit italienischer Lebensart auf Turley investiert. Die Chance der Konversion liegt auch in der Öffnung Mannheims und in der Nutzung der besten Ideen. So hat sich das dänische Büro Vandkunsten für den Rahmenplan Franklin durchgesetzt und das italienische Büro Delli Ponti für das Columbusquartier an der B 38.

Peter Kurz zusammen mit dem Gastredner des diesjährigen Neujahrsempfangs, dem Journalisten Udo van Kampen. Foto: Stadt Mannheim/Andreas Henn.
Offenheit für Ideen und eine Orientierung an der Zukunft ist das, was unsere Stadt immer ausgezeichnet hat. Sie ist gegründet als barocke Idealstadt, nicht natürlich gewachsen. Mannheim war immer Vision. Von Bartel Janson, der die Stadt 1607 entwarf, über Galli da Bibiena und Pigage bis Perrey, offen für die Ideen der Welt von Clignet über Collini bis Otto Beck. Und über Innovationen braucht man in Mannheim ja wirklich nicht zu reden. Mannheims Vergangenheit kann uns lehren: der Blick in die Welt und der Blick nach vorn ist fest in der Genetik dieser Stadt verankert.
Zur Bestimmung der eigenen Identität, zum Gewinnen von Kraft und Orientierung ist der Blick in die eigene Vergangenheit wichtig. Gestaltet muss aber in die Zukunft werden. Um es mit dem so zu gut zu Mannheim passenden Satz Albert Einsteins zu sagen: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“
Positive Entwicklung
Dennoch: blicken wir noch einmal auf die letzten Monate zurück, natürlich unter dem Aspekt, was sie uns als Ausgangslage für das nächste Jahr verraten. Dazu hat die Stadt Mannheim 2014 erstmals eine Bilanz und 2 Jahresabschlüsse nach kaufmännischer Rechnungslegung vorgelegt.
Diese Darstellung verdeutlicht, ob eine Stadt Werte aufbaut oder verzehrt. Wir können für die Jahre 2012 und 2013 feststellen, dass wir Werte aufgebaut und nicht verzehrt haben. Das Eigenkapital der Stadt hat sich um 115 Millionen deutlich erhöht. Die Verschuldung hat sich weiter abgebaut.
Zugleich zeigt die Bilanz, dass der Verschuldung der Stadt ein erhebliches Vermögen gegenübersteht. Die über 2 Mrd. Euro Vermögen, die in der Bilanz ausgewiesen sind, sind dabei noch um erhebliche stille Reserven zu erhöhen. Das gilt insbesondere für unsere Unternehmen. So sind die Anteile an der MVV Energie wie auch der Wert der GBG weit höher als in der Bilanz erfasst.
Die Bilanz bestätigt das Bild, das sich auch aus sogenannten Rankings ergibt; Mannheim gehört zu den eher leistungsstarken Städten. Apropos Rankings: 2014 machte Mannheim den größten Sprung im traditionellen Ranking der Wirtschaftswoche. Auf Platz 16 unter 69 bewerteten deutschen Städten.
Anzahl der Unternehmen steigt
Für unsere dauerhafte Leistungsfähigkeit sind zwei Dinge entscheidend: die Verbreiterung unserer wirtschaftlichen Basis und die soziale Integrationsleistung. Ob wir hier auf dem richtigen Weg sind, messen wir. Nicht „gut gemeint“, nicht einmal „gut gemacht“ ist entscheidend, sondern: wirkt das, was wir tun? Für dieses Vorgehen haben wir national und international viel Anerkennung erhalten.
Die Zahl der Arbeitsplätze ist noch einmal gestiegen um fast 4000 auf 177.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Letztes Jahr sprach ich von 8.400 Unternehmen. Dieses Jahr kann von über 8600 gesprochen werden. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 5,9%, seit Jahren damit nicht mehr – wie lange Zeit – über, sondern unter dem Bundesdurchschnitt.
Auch unsere Integrationsleistungen steigen. Über die extrem niedrige Jugendarbeitslosigkeit habe ich hier schon häufiger berichtet, nun haben wir auch beachtete Erfolge bei der Integration älterer Arbeitsloser erzielt. Die Stadt Mannheim hat den größten Sprung bei der Beschäftigung Älterer unter allen deutschen Großstädten gemacht. Einen deutlichen Sprung gab es auch bei der Anzahl der Hochqualifizierten an den Arbeitnehmern insgesamt. Das ist für die Zukunftssicherung ein zentrales Ergebnis.
Auch die Stadtverwaltung selbst ist wichtiger Akteur: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat uns im April 2014 als Unternehmen mit Weitblick ausgezeichnet. Das gilt nicht nur für die Beschäftigung Älterer. Unsere Ausbildungsoffensive, die den Arbeitgeberpreis „Vielfalt gelingt“ erhalten hat, erreichte 2014 einen neuen Höhepunkt. Ich konnte am 1.September 201 neue Auszubildende begrüßen. Mit 3200 Bewerbungen für eine Ausbildung bei der Stadt haben wir ebenso einen neuen Rekordwert erzielt. Dies zeigt, dass wir qualifiziertes Personal auch für die Zukunft gewinnen.
Zahl der Schulabbrecher rückläufig
Zur sozialen Integration gehört, dass die Zahl der Schulabbrecher mittlerweile von über 10% auf unter 3% gesunken ist. Der Ausbau der Eltern-Kind-Zentren wie die Frühförderung in den Kindertagesstätten hat den Förderbedarf bei der Einschulung auf die Hälfte reduziert. Eine Messzahl für soziale Integration ist für uns auch die Kriminalitätsentwicklung. Entgegen des langfristig sinkenden Trends ist sie in den letzten beiden Jahren angestiegen.
Darauf reagieren wir. 2015 startet beispielsweise das Haus des Jugendrechts, um schneller und besser auf Straffälligkeit bei Jugendlichen zu reagieren. Denn: Für einen Jugendlichen ist eine Reaktion nach einem Jahr so gut wie keine Reaktion.
Enorm gestiegen sind unsere Betreuungsangebote für Kinder, die Quote der Betreuungsangebote an Schulen ist die zweithöchste in Baden-Württemberg. Gewachsen sind aber auch die ambulanten Hilfen für alte und behinderte Menschen. Zum Zusammenhalt gehört auch, dass 122.000 mal die Angebote unseres Seniorenbüros wahrgenommen wurden. Auch die Zufriedenheit mit der Qualität der Angebote, zB bei der Kinderbetreuung, ist 2014 deutlich gestiegen.
Insgesamt ist die Zufriedenheit, in Mannheim zu leben, von 91% im Jahr 2009, was ein guter, aber im Vergleich kein überragender Wert ist, auf 94% in den Jahren 2012 und 2014 gestiegen.
„Wir können uns nicht ausruhen“
Auf alldem können wir uns nicht ausruhen. Die langfristigen Herausforderungen sind uns sehr bewusst. Auch was die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts angeht. Mit der hohen Wertschöpfung in der Produktion und der internationalen Verflechtung verbinden sich auch Risiken. Alstom ist hier ein prominentes Beispiel.
In den nächsten Monaten werden wir deshalb 3 Wirtschaftszentren einweihen, die konsequent unsere wirtschaftspolitische Strategie unterstützen. Es ist die große Erweiterung unseres Technologie-Zentrums Mafinex. Innovative, technologiegetriebene junge Unternehmen finden hier eine Heimat. Gründer aus den Hochschulen finden hier Partner.
Im Mai wird ein neues Kreativwirtschaftszentrum am Verbindungskanal eröffnen, das den Jungbusch weiter stabilisiert, das aber auch ein regional ausstrahlender Anziehungspunkt für junge Unternehmen sein wird. Dieses Projekt symbolisiert zugleich, welch langen Atem es braucht und welche Konsequenz, Veränderungen wirksam werden zu lassen. 2002 haben wir begonnen, aus dem Jungbusch ein wiederbelebtes pulsierendes Herz Mannheims zu machen. 2015 setzen wir einen vorläufigen großen Schlussstein.
Die Erfahrungen nutzen wir im Übrigen: so ist das neue Stadtarchiv im Ochsenpferchbunker nicht nur funktional, historisch und – durch die Vision des Architekturbüros Schmucker – architektonisch eine überzeugende Idee, sondern auch ein wichtiger sozialer Impuls für die Neckarstadt.
Investitionen stehen an
Und wir eröffnen in den nächsten Wochen ein außergewöhnliches Zentrum für die Medizintechnologie. Dies ist ein Auftakt. Denn: Auch hier sind die nächsten Schritte schon eingeleitet. Ein industrieller Forschungscampus wird in unmittelbarer Nähe entstehen.
Wir wollen alles tun, um existierende und neue Unternehmen und auch die Hochschulen miteinander und damit mit dem Standort Mannheim stärker zu verbinden. Vor wenigen Wochen haben wir mit dem Projekt „Square“ den Zuschlag des Landes für ein Programm bekommen, beispielhafte Projekte für die Energie-Zukunft im neuen Stadtquartier Franklin zu realisieren.
Wir wollen dies kombinieren mit einem Wirtschaftszentrum für Fragen der Energiewirtschaft und damit ein weiteres Cluster entwickeln. Das Konzept der „Ingenieursmeile“ aus der Konversion wird so zum realen Beitrag zur Sicherung der industriellen Zukunft.
Unternehmen mit unterschiedlicher Bilanz
Meine Damen und Herren,
die wirtschaftliche und soziale Zukunft wie unser eigenes Vermögen werden auch durch die eigenen großen Unternehmen der Stadt Mannheim bestimmt. Sie hatten ein sehr unterschiedliches Jahr 2014.
Die MVV Energie hat sich zu dem größeren Energieversorger in Deutschland entwickelt, der die Energiewende wirklich annimmt und gestaltet. Wussten Sie beispielsweise, dass bereits heute die MVV mehr regenerativen Strom aus Windkraft, Biomasse und biogenem Abfall erzeugt als alle Mannheimer Haushalte verbrauchen?
Die MVV Energie hat 2014 zusätzlich zwei Wind- und Solarkraftentwickler übernommen sowie mit Partnern ein innovatives Unternehmen für neue Energiedienstleistungen in Mannheim gegründet und setzt damit Akzente für die neue Energiewelt.
Unsere Wohnungsbaugesellschaft GBG hat 2014 – im letzten Jahr von Wolfgang Bielmeier als Geschäftsführer – soviel in den eigenen Bestand investiert wie noch nie. Allein in den letzten 4 Jahren waren dies deutlich über 200 Mio.€. Pro qm Wohnfläche ist dies ein Mehrfaches von dem, was große private Anbieter tun. Die GBG ist trotz dieser eindrucksvollen Aufwertung des Bestands weiter ein Garant für eine Dämpfung der Mietpreise und für preisgünstiges Wohnen.
Sie ist für 13,5% der Mannheimerinnen und Mannheimer ein verlässlicher und sozialer Vermieter. Und ein wichtiger Gestalter von Stadtentwicklung. Wenn Sie die Veränderungen durch die GBG einmal im wahrsten Sinne des Wortes erfahren wollen, dann empfehle ich eine kleine Fahrradtour entlang der neuen Stadtbahnlinie vom Karlstern zum Herzogenriedpark, übrigens der größten Investition der rnv seit Jahren.
Angefangen von den Sanierungen in der Hessischen Straße über das neue Quartier Centro verde an den eindrucksvoll sanierten Gebieten um den Ulmenweg vorbei bis zum sich rasant wandelnden Turley-Areal.
„Dramatische Tage für das Klinikum“
Dramatische Tage und Wochen erlebte ein anderes städtisches Unternehmen: unser Klinikum. Erst durch eine harte Auseinandersetzung um Geld und Führungsstrukturen und dann vor allem durch Mängel in der Sterilgutversorgung, die zu einer Krisenlage im Haus führten. Gerade dass dies für Verantwortliche im Haus, und in der Folge auch für den Aufsichtsrat, völlig unerwartet war, ist Gegenstand kritischer Überprüfung der Strukturen.
Es ist schon in den ersten Wochen mit sehr entschiedenen und einschneidenden Maßnahmen deshalb um mehr gegangen als einen konkreten Mangel abzustellen. Aus heutiger Sicht kann aus der Krise sogar eine Chance erwachsen, insbesondere was das Miteinander von Fakultät und GmbH und der verschiedenen Berufsgruppen und Verantwortungsträger im Haus angeht.
Für eine weitere Gesellschaft und uns als Stadt war 2014 ein besonderes Datum. Unsere BBS, die Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Schulen, hat zum 1.August alle städtischen Schulen und damit die Hälfte des städtischen Immobilienvermögens übernommen. Sie erhält allein 32 Mio. Euro in diesem Jahr für Gebäudeunterhalt und Instandhaltung. Ein neuer Instandhaltungsstau wird so nicht entstehen.
Investitionen in die Infrastuktur
Schon jetzt bestehen Millionenrücklagen für notwendige Investitionen in der Zukunft. Ein ähnliches Konzept der Vermeidung neuen grundlegenden Sanierungsbedarfs und einen geregelten Abbau der Sanierungsbedarfe der Vergangenheit verfolgen wir auch bei Straßen und Brücken wie den übrigen Gebäuden. Bei den Straßen ist dies vor Ort übrigens durchaus nicht einfach zu verstehen, wenn eine Straße mit der Schulnote 3 instandgesetzt wird und eine mit Schulnote 5 noch warten muss.
Die Erklärung ist aber ganz einfach: Nichts ist so teuer, als wenn bei einer Straße der Unterbau angegriffen wird, eine Straße also von Schulnote 3 nach 4 rutscht. Es ist also wirtschaftlich, auch an „besseren Straßen“ etwas zu tun und nach und nach die deutlich geschädigten Straßen zu sanieren.
Bei Investitionen in die Infrastruktur stehen zwei bedeutende Spatenstiche an. Für die Feuerwache Mitte mit an die 50 Mio.€ Gesamtkosten und für die Kunsthalle mit über 60 Mio.€- Ersteres finanzieren wir zu 95% selbst, letzteres wird uns weitgehend durch großherzige Stiftungen, vor allem des Ehepaars Hector, geschenkt.
Feuerwehrleitstelle: „Kein Imagethema“
Der Bau eines neuen technischen Rathauses neben der neuen Feuerwache soll in den nächsten Wochen entschieden werden. Und wenn wir beim Thema Feuerwache sind: Eine Leitstelle ist kein Imagethema. Es gibt allein ein entscheidendes Kriterium für eine Leitstelle, nämlich dass sie funktioniert – im Interesse der Sicherheit der Mannheimer Bevölkerung. Allein danach werden wir entscheiden.
Eine unserer städtischen Gesellschaften steht in besonderer Weise für eine erfolgreiche Gestaltung des Wandels und Bewältigung von Herausforderungen. Es ist die MWSP, die die Umwandlung der Militärflächen unternehmerisch gestaltet. Geschwindigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Konversion werden bundesweit beachtet.
Im Oktober 2013 haben wir das 44 ha große Taylor-Areal auf der Vogelstang erworben. Nur ein Jahr später wurde für die ersten neuen, großen Investitionen Richtfest gefeiert, wesentliche Teile des Areals sind verkauft. 22% beträgt der Grünanteil des Geländes in Form eines Grünzugs in Richtung Käfertaler Wald. Die Entwicklung des Geländes selbst erfolgt ohne Belastung des städtischen Haushalts.
„Konversion auf einem guten Weg“
Dasselbe ist bereits mit dem Turley-Gelände in der Neckarstadt gelungen. Auch hier erfolgt die innere Erschließung und Entwicklung des ehemaligen Kasernen Areals ohne Belastung des städtischen Haushalts.
Hier ist mit VR magic das erste große innovative Unternehmen aus der Medizintechnologiebranche bereits eingezogen – ebenso wie erste Bewohner. Alle Grundstücke sind verkauft an Wohnungsbauunternehmen, Wohngruppen, soziale Träger. Hier ist ein buntes, urbanes Quartier nach den Leitideen von Bürgerinnen und Bürgern im Bau, das Mannheim bereichern wird. Auch für Benjamin-Franklin zwischen Käfertal und Vogelstang sind die Weichen in ähnlicher Richtung gestellt.
Schon vor einem Kauf sind die Vorbereitungen mit vielen interessierten Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern außergewöhnlich weit fortgeschritten, um ein ähnlich hohes Tempo wie bei Turley und Taylor realisieren zu können. Die größte – und das will ich unterstreichen, weil jedes Gelingen so selbstverständlich wirkt, es aber nicht ist – die größte Herausforderung für die Stadt Mannheim scheint damit nicht nur bewältigbar, sondern ist zum Treiber für Stadtentwicklung und soziale wie wirtschaftliche Entwicklung geworden.

Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz und seine Frau Daniela Franz beim Defilee. Foto: Stadt Mannheim/Andreas Henn.
Der Grünanteil wird auch hier mit 38% außergewöhnlich sein: Dies ist überhaupt ein bestimmender Faktor der Konversion. Sie ist ein Beitrag zu Lebens- und Umweltqualität. Die Mannheimer Konversion ist grün. Dass dabei in ungeahntem Umfang Naturqualitäten zu Tage treten, bestärkt auch die Erkenntnis, dass sich die Umweltbedingungen erheblich verbessert haben. Wenn hunderte geschützter und bedrohter Arten hier einen Lebensraum finden, ist das ein gutes Zeichen.
Wirtschaftlich ist eine Refinanzierung über den Weiterverkauf an Investoren an einer Stelle nicht möglich: Beim Spinelli-Areal zwischen Käfertal und Feudenheim. Denn ein reiner Grünzug kann nur mit öffentlichem Geld entwickelt werden.
Aus diesen erheblichen Investitionsanforderungen in die Entwicklung eines klima-ökologisch notwendigen Grünzugs ist der Gedanke der BUGA entstanden: Nämlich mit dieser sowieso notwendigen Investition ein Mehr zu erreichen. Nach wie vor ist dieser Gedanke nicht allgemein akzeptiert. Das zeigen auch Vorschläge, an anderer Stelle eine BUGA zu realisieren. Eine BUGA als solche war und ist aber nie das Ziel gewesen, sondern ein Werkzeug zu haben für eine konkrete Stadtentwicklungsaufgabe.
Buga: Umgang mit Entscheidungen „zunehmend befremdlich“
Jenseits des Streits in der Sache, den ich hier nicht noch einmal darlegen möchte, ist der Umgang mit Entscheidungen, erst des Gemeinderats, dann der Bürgerschaft, für mich zunehmend befremdlich. Wir können uns selbst innerhalb des Gemeinderats offensichtlich nicht mehr darauf verständigen, dass Regeln der gesetzlich beschriebenen Entscheidungsfindung zu gelten haben.
Umso weniger kann ich von der Bürgerschaft erwarten, dass eine Entscheidung akzeptiert wird. Ein Zitat von vielen aktuellen aus Kommentaren und sozialen Netzwerken: „Hätten die Befürworter die Argumente der Gegner ernst genommen und die allein richtige Konsequenz der Nichtdurchführung gezogen, könnte dieses Thema vom Tisch sein.“
Es wird so getan, als sei die Umsetzung und das Sich-Halten an Beschlüsse in das Belieben des Oberbürgermeisters gestellt. Im wahrsten Sinne des Wortes: Mit welchem Recht und auf Basis welchen Rechts soll ich das „vom Tisch nehmen“? Was ist mit über 68.000 Mannheimern, die nicht an einer Befragung teilgenommen, sondern in einem Entscheid für die vorgeschlagene BUGA gestimmt haben? Was ist das Signal an sie? Bürgerentscheide, die mit JA ausgehen, zählen nicht? Führt nur ein Nein zu Befriedung? Wer soll an einem nächsten Bürgerentscheid noch teilnehmen?
„Stadt muss verlässlich bleiben“
Zudem geht es um Verlässlichkeit einer Stadt gegenüber Dritten – seien es wie bei der BUGA Vertragspartner, Mäzene wie bei der Kunsthalle oder Investoren. Begründet wird das Recht auf Verweigerung gegenüber Mehrheitsentscheidungen am Ende mit einem allgemeinen Vertrauensentzug gegenüber Politik und Verwaltung.
Nun ist ein gesundes Misstrauen nötig. Denn ohne den misstrauischen Blick keine Kontrolle der Macht. Aber unbelegtes, pauschales Misstrauen gegen jede Aussage, jeden Gutachter, jede Tatsache macht einen Dialog unmöglich. Es erodiert soziales Kapital, ohne das unsere Gesellschaft nicht existieren kann. Neben einer kritischen Distanz braucht eine moderne Demokratie auch Vertrauen. Sonst ist repräsentative Demokratie nicht möglich.
Und wie wir sehen, stößt sonst selbst direkte Demokratie an ihre Grenzen. Es ist 2014 nicht gelungen, dass wir hier einen positiven Klärungsprozess über unsere Verfahren herbeiführen. Es bleibt eine Aufgabe. Und es geht um Wertschätzung. Um Wertschätzung unserer demokratischen Grundlagen, unserer Regeln und unserer Verfassung. Um das Bewusstsein, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist.
Vielleicht haben wir es versäumt – im Sinne des Goethe‘schen Mottos zu handeln “was du ererbt von Deinen Vätern erwirb es, um es zu besitzen“. Vielleicht müssen wir uns das großartige Geschenk der Demokratie, unseres Grundgesetzes, um das uns die Welt beneidet, neu aneignen.
„Die Krisengebiete dieser Welt gehen uns alle etwas an“
Meine Damen und Herren,
das Thema – die „internationale Stadt“ – hat viel mit dem vergangenen Jahr und viel mit der Zukunft der Stadt zu tun. Das Jahr 2014 war in besonderer Weise ein internationales Jahr für unsere Stadt und zugleich verdeutlicht 2014, dass wir nicht auf einer Insel leben: ob Ukraine, Gaza-Krieg, IS und Syrien, Krise in Europa oder Auseinandersetzungen im Gezi-Park. Es geht uns alles an.
In diesem Jahr hatten wir uns auseinanderzusetzen mit dem inneren Frieden wegen globaler Konflikte. Und in diesem Jahr wurde besonders deutlich, wie sinnvoll es war; die Bereiche Internationales und Integration zusammenzuführen. Unser Engagement in Israel und Palästina in diesem Jahr stärkt beispielsweise auch unsere Glaubwürdigkeit im Dialog in der eigenen Stadt und ist nicht allein ein Beitrag aus historischer und globaler Verantwortung.
2014 haben wir einen Verband gegründet, der die Zusammenarbeit der Städte und Regionen zwischen Rotterdam und Genua verstärken will. Mannheim war initiativ und wir haben ihn hier in Mannheim gegründet. Die theatralische Welt war zu Gast beim Theater der Welt.
Von Klaipeda bis Chisinau, von Swansea bis zur Gartenbauausstellung in Quingdao fanden Partnerschaftsbegegnungen statt. Das neue Goethe-Institut konnten wir einweihen, an dem 2000 Menschen aus aller Welt jedes Jahr Deutsch lernen, um sich auf Studium oder Beruf vorzubereiten.
Wirtschafts- und Hochschulkooperationen mit unseren chinesischen Partnerstädten und am Ende eine Klimapartnerschaft konnten wir 2014 begründen. Und: Europäische Politik war sehr präsent einerseits mit wichtigen Förderprojekten für die Wirtschaft, mit der Frage des Freihandelsabkommens mit den USA, das auch uns Kommunen betrifft. Und andererseits mit der Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien, deren soziale Umstände uns mit dem wohl schrecklichsten Ereignis, dem Tod dreier Kinder, konfrontierte.
„Mannheim wird zunehmend international wahrgenommen“
Meine Damen und Herren,
am Anfang des Jahres stand eine Auszeichnung durch die renommierte britische Zeitschrift „The new economy“. Mannheim erhielt als eine von 20 Städten weltweit den ausgelobten Smart-City Award. Die Zeitschrift wollte die Städte auszeichnen, die sich am wahrscheinlichsten als Treiber von Veränderungen in der Zukunft erweisen werden. Neben Städten wie Toronto und Rotterdam war Mannheim dabei.
Am Ende des Jahres wurden wir aufgenommen in das Creative City-Netzwerk der UNESCO. Ein Netzwerk von 70 Städten, bei denen aus Sicht der UNESCO besonders erfolgreich Kreativwirtschaft Teil der Stadtstrategie und der städtischen Veränderung ist. Mannheim erhielt den Titel einer UNESCO City of Music, von dem nicht nur die Kultur profitieren kann und wird.
Ich erwähne das auch, um zu verdeutlichen, dass wir nicht nur auf die Welt schauen, sondern andere auch auf uns. Und es kann uns auch helfen, eine selbstbewusste Einordnung der Stadt vorzunehmen. Als einer Stadt mit viel Potential, die sich in besonderer Weise den Herausforderungen stellt, die alle Städte haben und die gerade deshalb auch Interesse weckt.
Wir Mannheimer beschweren uns ja durchaus über mangelnde Wahrnehmung und Wertschätzung von außen. Letzteres beginnt sich merklich zu ändern. Ein wichtiger Schritt ist es aber auch, selbst die eigene Stadt wertzuschätzen. Und da schwanken wir ja manchmal zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.
„Mannheim ist der falsche Ort für Überheblichkeit“
Für Überheblichkeit ist Mannheim sicher der falsche Ort. Wie es in einem regionalen Krimi heißt: „In Mannheim können arrogante Menschen nicht alt werden“. Aber: sich selbst unterschätzen sollte man auch nicht. Dann darf man sich nämlich nicht beschweren, wenn es andere auch tun.
Ich verstehe meinen Auftrag so, daran etwas zu ändern. Wir leben in einer Zeit großen materiellen Reichtums, andererseits großer Verunsicherung.
Diese Unsicherheit hat viele, vor allem auch globale Ursachen. Wir suchen Sicherheit in einer irritierenden Welt. Das hat Rückwirkungen bis in das Empfinden von Veränderung vor Ort. Jede Veränderung erscheint als Wagnis.
Was liegt da näher, als sich auf das sogenannte Kerngeschäft zu konzentrieren. „Ich verlange von einer Stadt, in der ich leben soll: Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst.“ hat Karl Kraus 1909 sarkastisch formuliert als Wien mit seiner Gemütlichkeit warb.
Gemeinschaft muss im Vordergrung stehen
Aber natürlich wissen wir, dass das nicht Stadt ausmacht. Sie alle sind nicht hier, um sich zu vergewissern, dass die Straßenspülung funktioniert. Sie alle sind hier, weil die Stadt Sie etwas angeht, Sie interessiert und die Stadt für Sie mehr ist als die Ansammlung von Infrastruktur, sondern Gemeinschaft.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. „Ab und zu braucht er auch einen Drink“ hat Woody Allen ergänzt. Aber vermutlich reicht auch das nicht. Ob dieses Mehr, das wir brauchen, die Gemeinschaft selbst ist, will ich nicht beantworten. (In dem Bibelzitat geht es ja um Gottes Wort).
Aber in einem bin ich mir sicher: Dieses Mehr, das wir brauchen, ist ohne Gemeinschaft nicht zu erreichen. Viele Denker haben darauf über die Jahrhunderte und gerade in jüngster Zeit – in der Auseinandersetzung mit der Realität in den Städten – hingewiesen.
„Ein Mehr an Freiheit – ein weniger an Gemeinschaft“
Und klar ist auch, dass Gemeinschaft unter Ungleichen schwerer herzustellen ist als unter Seinesgleichen. Wir haben heute ein Mehr an Verschiedenheit und ein Mehr an individueller Freiheit. Und ein Weniger an Gemeinschaft, wenn wir uns nicht anstrengen, Gemeinschaft zu bilden.
Ich sehe dies als zentralen Auftrag an einen Oberbürgermeister und an Rat und Verwaltung daran mitzuwirken und dafür Bedingungen zu schaffen, dass Gemeinschaft immer wieder neu entsteht.
Die Forderung von manchen, von Fremdheit und Verschiedenheit bitte nicht behelligt zu werden, ist keine tragfähige Alternative in der modernen Welt: Die Voraussetzung für Gemeinschaft ist, sich überhaupt zu begegnen und wahrzunehmen. Alles, was Begegnungen ermöglicht, ist ein wichtiger Beitrag zur Gestaltung von Stadtgesellschaft.
Der deutsche Ökonom und Philosoph Birger Priddat beschreibt unsere gesellschaftliche Entwicklung als Gleichzeitigkeit von Individualisierung und Betonung der Solidargemeinschaft. Und er beschreibt die Voraussetzung einer solchen Solidarität. Er sagt, Solidargemeinschaft könne nur dort realisiert werden, „wo Bürger wirklich voneinander wissen“.
„Danke für ihr Engagement“
Alle, die dafür sorgen, „dass Bürger wirklich voneinander wissen“ leisten einen erheblichen Beitrag für unsere Stadt und wir sind ihnen zu großem Dank verpflichtet. Ich denke beispielsweise an die, die sich ab heute wieder in der Vesperkirche engagieren, oder an den Mannheimer Seniorenrat, der 25 Jahre alt wird, die Engagierten im Migrationsbeirat oder die, die durch direkte Begegnung die Situation im Zusammenhang mit der Zuwanderung aus Südosteuropa tatkräftig mitgeholfen haben zu entspannen.
Das Fehlen des Miteinanders wäre nicht nur ein Verzicht auf positive Entwicklung, es wäre eine Bedrohung. Der polnisch-britische Philosoph und Soziologe Zygmunt Baumann, hat es so formuliert: „Wir haben die Wahl, ob sich unsere Städte in Orte des Schreckens verwandeln, an denen man jeden Fremden fürchten und argwöhnisch beobachten muss, oder ob in ihnen die Tradition der bürgerlichen Höflichkeit und der Solidarität mit Fremden – fortgeführt wird, die mit jeder bestandenen Prüfung stärker wird – jetzt und in der Zukunft.“
Ich halte das für einen ungemein wichtigen Satz. Er verweist darauf, dass wir die Wahl haben und nicht den Entwicklungen ausgeliefert sind. Und er verweist auf etwas Einfaches. Er spricht von der bürgerlichen Höflichkeit und der Solidarität mit Fremden. Wenn wir sie verlieren, dann müssen wir Fremde fürchten.
„Wir müssen zu unseren Werten stehen“
Wir müssen also zu unseren Werten stehen, gerade wenn sie herausgefordert werden. Wir erleben weltweit eine Verrohung, die uns nicht unberührt lässt. Eine Reaktion darauf ist die Preisgabe eigener Grundsätze. Rechtsstaat, Freiheit und Toleranz und zuallererst die bürgerliche Höflichkeit scheinen Grundlagen, die schnell zurückzustehen haben unter der Bedrohung. Das Gegenteil ist aber nötig.
Wir müssen die Werte der offenen Gesellschaft leben und betonen, nicht preisgeben. Wir haben hier in Mannheim einen großen Reichtum, aus dem wir schöpfen können. Eine Tradition, die beginnt mit der Stadtgründung und der Einladung an alle ehrlichen Menschen aller Nationen und die sich fortsetzt in Hunderten von Beispielen eines gelingenden Miteinanders. Eine Atmosphäre, die Menschen schnell aufnimmt.
Unsere letzte Preisträgerin für den internationalen Journalistenpreis, Teresa Romero Cruz aus Bolivien erzählte, dass sie durch die Offenheit der Stadt schon nach wenigen Wochen Heimatgefühle entwickelt habe und dafür keinen Vergleich kenne. Vielleicht auch deswegen ist- im Gegensatz zum Landesschnitt – die Zahl der Einbürgerungen in Mannheim 2014 nicht zurückgegangen, sondern hat den Höchststand des letzten Jahres von fast 1000 Einbürgerungen wieder erreicht.
„Zusammenleben in wechselseitiger Achtung auf Basis geteilter Werte“
Und diese Einbürgerungsveranstaltungen sind jeweils ein eindrucksvolles Bekenntnis zu unserer Stadt, unserem Land und seinen Werten. Diese Veranstaltungen verdeutlichen besonders, dass das Leitbild Mannheims nicht das unverbundene Nebeneinander von Multi-Kulti ist. Mannheims Leitbild ist Zusammenleben in wechselseitiger Achtung auf Basis geteilter Werte.
Das heißt auch: Wer den zentralen Wert unserer Gesellschaft ablehnt, dass niemand die Lebensführung anderer zu bestimmen hat und jeder und jede nach seiner und ihrer Facon glücklich werden kann, kann selbst nicht mit Akzeptanz rechnen.
Dieses Verständnis liegt auch unserem Versuch zu Grunde, die Mannheimer Erklärung zu erweitern: Wir wollen ein gemeinsames Bekenntnis erreichen, dass niemand wegen Religion oder Herkunft, aber auch nicht wegen Geschlecht, Alter oder Behinderung oder sexueller Orientierung herabgewürdigt wird. Das ist etwas anderes als ein unreflektiertes Feiern von Vielfalt. Es ist Arbeit, Anstrengung, Auseinandersetzung. Und kaum eine Stadt stellt sich so intensiv diesem Anspruch.
„Respekt ist ein Schlüsselwort“
Meine Damen und Herren,
Im Laufe des Jahres 2014 ist für mich „Respekt“ zu einem Schlüsselwort geworden- und es liegt nahe bei dem, was Zygmunt Baumann die „bürgerliche Höflichkeit“ nennt. Wir alle wollen respektiert werden. Das ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis. Zugleich ist es selbstverständlich, dass Respekt auf Wechselseitigkeit beruht.
Ich kann nicht Respekt erwarten, wenn ich nicht bereit bin, Respekt zu zeigen. Der Einsatz für Respekt, das Zurückdrängen von Respektlosigkeit ist eines der zentralen Themen der nächsten Jahre. Und kaum etwas prägt unseren Alltag so. Wie zufrieden wir sind, ist von dieser Erfahrung geprägt: in der Schule, der Straßenbahn, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen, aber auch in der öffentlichen Diskussion.
Respekt vor dem Alter, Respekt gegenüber Kindern, gegenüber Uniformierten einerseits, gegenüber Bürgerinnen und Bürgern andererseits, vor der jeweils anderen Kultur oder Religion, vor dem anderen Geschlecht, vor der anderen Lebensweise und Auffassung.
Respekt gegenüber allen, aber nicht gegenüber der Respektlosigkeit und der Menschenfeindlichkeit. Wir wollen dies zum Thema machen in diesem Jahr 2015. Gemeinsam mit vielen Institutionen und Akteuren in unserer Stadt. Und wir alle können dafür etwas tun.
„Gemeinsam besser leben“
Für mich ist es ein sehr positives Zeichen, dass bereits Tausende Menschen sich angekündigt haben für eine Demonstration unter dem Titel „Mannheim sagt Ja zu Flüchtlingen“. Hier versammeln sich viele Menschen durchaus unterschiedlicher Auffassungen. Sie setzen aber ein klares Zeichen: Bei allen Diskussionen werden wir nie vergessen, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die Respekt verdienen.
Der italienische Renaissance-Stadtplaner Botero schrieb Ende des sechzehnten Jahrhunderts, Städte seien „eine Ansammlung von Menschen, die hofften, besser und glücklicher leben zu können“. Dieser Wunsch nach positiver Veränderung, nach dem besseren Leben ist nach wie vor Triebfeder für alle, die sich für die Stadt engagieren und für die, die in die Stadt kommen.
Und dieses bessere Leben ist wie der schon erwähnte Zygmunt Baumann sagt – immer nur „als Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung“ zu haben. Wobei diese gemeinsame Anstrengung eine bereichernde Erfahrung sein kann. Das bessere Leben ist heute sicher anders zu beschreiben als vor einigen Jahren. Auch hier haben wir eine große gemeinschaftliche Aufgabe.
„Wünsche in konkretes Handel und in Realität übersetzen“
Einiges des besseren Lebens ist durchaus zu erkennen: Mehr Naturerlebnis in der Stadt, ein besserer Umgang mit dem öffentlichen Raum, mehr Qualität und Nähe bei Produkten und Dienstleistungen, statt ein quantitatives Mehr, mehr Raum und Aufenthaltsqualität für alle Generationen, mehr Begegnung, mehr Inklusion, die Einladung an alle Teil zu sein, mehr Gemeinsinn, mehr Hilfebereitschaft, Miteinander und Respekt.
Diese Wünsche in konkretes Handeln und in Realität zu übersetzen, das ist die gemeinsame Anstrengung, von der gerade die Rede war und der wir uns widmen wollen.
Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns weiter um, vor allem aber für die Zukunft unserer Stadt streiten mit Respekt, mit noch besseren Ideen, mehr Engagement, Leidenschaft und dem berechtigten Stolz auf unsere Stadt.
Ich danke Ihnen.“