Mannheim-Feudenheim/Rhein-Neckar, 15. September 2012. (red/la) Am Mittwoch erhielt die Neckarschleuse Feudenheim neue Tore. Fünf Stunden dauerte es, die beiden 60 Tonnen schweren „Türen“ zum Neckar einzusetzen. Bis Ende Oktober steht nun die Feinarbeit an. Dann wird die 190 Meter lange Schleuse wieder offen sein.
Von Reinhard Lask
Ein 650-Tonnen-Kran ragt um acht Uhr morgens in den wolkenverhangenen Morgenhimmel an der Schleuse im Mannheimer Stadtteil Feudenheim. Neben ihm liegen zwei weitere Ungetüme aus Stahl – die beiden neuen Torhälften für die sanierte und erweiterte Neckarschleuse. Jede ist rund 60 Tonnen schwer, 15 Meter hoch und 6,50 Meter breit. Es sind gewaltige Tore. Sie müssen aber auch gewaltigem Wasserdruck standhalten.
Seit Juni laufen hier die Vorbereitungen zum Austausch. Mit 190 Metern ist es die längste der drei Schleusenkammern.
Ein mächtiges Bauwerk wird fit gemacht
Heute werden die beiden unteren Tore eingesetzt. Die beiden flussaufwärts sind bereits „fit“. Ende Oktober sollen Justierungsarbeiten und Testläufe beendet sein. Dann sollen die Schiffe die Schleuse wieder befahren können.
Im Schnitt sind es 27 Frachtschiffe pro Tag, die die Schleuse passieren. Passagierschiffe und andere Boote sind dabei nicht mitgerechnet. „Bei den Frachtschiffen wird es oft ziemlich eng“, sagt Norbert Wiest, der beim Amt für den Neckarausbau für Schleusenausbau und -wartung zuständig ist:
Manche Schiffe sind 11,45 Meter breit, die Schleuse ist 12 Meter breit.
Die knapp bemessene Breite fordert höchste Konzentration bei den Schiffskapitänen, um die Schiffe sicher in die Schleuse zu navigieren. Um den Kontakt zwischen Schiff und Schleusentor zu verhindern, gibt es zwar eine Art Auffangleine. Doch je nach Gewicht und Geschwindigkeit reicht das nicht immer, sagt Wiest:
Kollisionen mit den Toren sind allerdings sehr selten.
Die alten Schleusentore haben fast 40 Jahre auf dem Buckel. Seit 1974 die lange Feudenheimer Schleuse eingeweiht wurden, sind sie nicht ausgewechselt worden. Die beiden anderen Schleusentore sind noch älter. Sie sind seit 1927 in Betrieb. „Natürlich wurden alle drei immer wieder repariert“, sagt Wiest. Die Stemmtore waren allerdings schwer beschädigt:
Eine Wirtschaftsprüfung ergab, dass es teurer gewesen wäre die Schleusentore zu sanieren, als neue herstellen zu lassen.
Drei Millionen Euro kostet der Austausch.
Noch ist die Schleuse leer. Wenn man von der Straßenbrücke die 18 Meter auf den Betonboden hinunter schaut, wirkt das Bauwerk nicht besonders groß. Wenn man dann einen der Bauarbeiter die Schleuse entlang laufen sieht, erkennt man die wahren Dimensionen. Es ist ein riesiges Bauwerk.
Präzise Handarbeit
Um halb zehn Uhr stehen drei Arbeiter in der leeren Schleusenkammer und warten darauf, dass der Kran die Tore herunterhebt. Über ihnen bohren und hämmern mehrere Kollegen und bereiten die Halterungen vor. Es wird noch bis ein Uhr, also gut fünf Stunden dauern bis beide Tore eingehängt sein werden. Es ist erstaunlich, dass nur wenige Menschen nötig sind, um diese gewaltige Aufgabe zu stemmen. Mehr als 15 Arbeiter sind nicht im Einsatz. Noch erstaunlicher ist, wieviel „Handarbeit“ dazu gehört. Großen technischen Schnick-Schnack sucht man vergebens.
So arbeitet der Kranführer per Zuruf. Von seiner Kanzel aus, kann er den Boden der Schleuse nicht sehen. Er sieht nur jene Kollegen, die ihm vom Steg über dem Schleusengraben aus Anweisungen geben. Unten werfen sich die Arbeiter mit ihrem Körpergewicht gegen den 60-Tonnen-Torflügel, um ihn zentimeterweise in die richtige Richtung zu bugsieren. „Feinarbeit“ mit Muskelkraft.
Gegen ein Uhr sitzen die beiden Stemmtore dann endlich in ihren Halterungen.
Von Bahnhöfen und Schleusentürmen
Die beiden Hubschleusen haben einen bekannten Architekten: Paul Bonatz. Der baute in den 1920er-Jahren auch das Bahnhofsgebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofs. In Feudenheim werden die Türme weiter unter Denkmalschutz stehen und erhalten bleiben. Die mittlere Schleuse wird jedoch geschlossen werden.
Die äußere Schleuse wird verlängert – die Hubtore 2014 oder 2015 durch Stemmtore ersetzt. Während Hubtore hydraulisch angehoben werden, öffnen sich die Stemmtore wie zwei Torhälften gegen die Strömungsrichtung eines Flusses.
Fit für die 135-Meter-Schiffe
Nach und nach sollen alle Schleusen des Neckars saniert und bis Heilbronn „ertüchtigt“ oder besser gesagt „fit“ gemacht werden. „Fit“ ist hier ganz im Sinne von „anpassen“ gemeint: Der Neckar soll in den kommenden Jahren als Wasserstraße ausgebaut werden, damit große Containerschiffe mit einer Länge von 135 Metern von Mannheim nach Heilbronn fahren können – später sogar bis Stuttgart.
Die Großfrachter sollen bei großen Unternehmen eine „Transportwende“ einleiten. So sollen die 135-Meter-Schiffe zum Beispiel Autos aus Stuttgart über Neckar und Rhein direkt nach Rotterdam transportieren. Damit würden tausende Lkw-Fahrten überflüssig werden. Der steigende Benzinpreis macht die Binnenschifffahrt für Unternehmen immer attraktiver.
Bis die ersten Schiffskolosse nach Heilbronn fahren wird es jedoch noch eine Weile dauern. „So etwa 2027 plus x“, schätzt Wiest.
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