Mannheim, 09. November 2015. (red/hmb) Nach vierzehn Jahren verlässt Kevin O’Day, Choreograph und Intendant der Sparte Ballett, das Nationaltheater. Seine letze Uraufführung „Alpha – Omega“ fand am 06. November statt. Ein großartiges Tanzstück, in dem sich O’Day noch einmal mit seinen Lieblingsthemen – Raum und Zeit beschäftigt.
Von Hannah-Marie Beck
Von allen Seiten klingen die Stimmen der Sängerinnen und Sänger des Nationaltheater-Kinderchors.
Zwei Tänzerinnen bewegen sich durch die Menge im unteren Foyer: Elegant, frei, mühelos – in den Tanz vertieft, scheinen sie das umstehende Publikum kaum zu bemerken. Choreograph Kevin O’Day läuft mitten durch das Spektakel hindurch, als sei er ein ganz gewöhnlicher Besucher.
Bereits das Happening im Foyer, vor der eigentlichen Aufführung, verspricht Großes. Kevin O’Days neues Stück wird den hohen Erwartungen an diesem Abend mehr als gerecht.
Letzte Uraufführung des Choreographen am Nationaltheater
Nach vierzehn Spielzeiten löst sich das jetzige Ballett-Ensemble des Nationaltheaters auf: Der Vertrag von Kevin O’Day, Intendant der Sparte, wurde nicht mehr verlängert.
„Alpha – Omega“ ist daher seine letzte Uraufführung am Nationaltheater. Inspiriert ist das Tanzstück von den „Vier Quartetten“ des Lyrikers T.S. Eliot – diese Stücke handeln von den Menschen in der Zeit und in der Welt.
Anfang, Ende, Raum und Zeit all das sind Themen, mit denen auch Kevin O’Day schon häufig gearbeitet hat – in seinem neuen Stück stehen sie im Vordergrund und verschmelzen miteinander.
Mit „Alpha – Omega“ gelingt es dem Choreographen auf der Bühne eine ganz eigene Welt zu schaffen: Sie liegt jenseits von Raum und Zeit – in einer anderen Dimension.
Großartige Zusammenarbeit
Das besondere an „Alpha – Omega“ ist, wie erfolgreich unterschiedliche Künstler an dem Gesamtwerk zusammengearbeitet haben.
Kevin O’Day beeindruckt durch sein Können als Choreograph – besonders gut wirken die Gruppenelemente, wenn alle Tänzer gemeinsam und doch immer eine Person für sich alleine tanzt.
Aber die Choreographie ist nur ein Teil dessen, was „Alpha – Omega“ ausmacht: Tänzer, Kinderchor, Bühnenbild, Streichquartett, Lichtdesign und vieles mehr bilden ein stimmiges Gesamtbild:
Das Bühnenbild von Thomas Mika hat eine großartige Wirkung. Lange Röhre ragen in die Bühne hinein, überall auf der Bühne liegen Sterne verteilt.
Im Vordergrund befindet sich ein großes Wasserbecken, in welchem sich das Ensemble spiegelt. Auf eine Leinwand im Hintergrund werden Bilder des Mannheimer Fotografen Peter Schlör projiziert.
Immer wieder beziehen die Tänzer diese Elemente mit ein: Sie greifen nach Sternen, welche in den Röhren liegen. Sie tanzen vor der Leinwand und verschmelzen so mit der auf den Fotos abgebildeten Landschaften. Sie führen die Kinder des Chors über die Bühne. Zuletzt tanzt das Ensemble sogar im Wasserbecken – ein fulminanter Abschluss.
Der Kreis schließt sich
Eine gute Stunde geht das Stück und die gesamte Zeit über ist es mucksmäuschenstill im Publikum. Jede noch so kleine Bewegung, jedes Wort könnte einen aus der anderen Dimension zurück in die Realität reißen – das will niemand.
Während der Vorführung verliert man jegliches Zeitgefühl, als sie zu Ende ist, scheint mir das viel zu früh zu sein – andererseits sieht man in der kurzen Zeit so vieles, dass es sich anfühlt, als ob man den Tanz schon eine Ewigkeit beobachtet.
Wie benommen gehe ich aus dem Stück heraus: Auf der Bühne geschieht so viel gleichzeitig, so viele Eindrücke strömen auf die Zuschauer ein, dass man all das Gesehene und Gehörte gar nicht verarbeiten kann. Immer und immer wieder könnte ich mir „Alpha – Omega“ wohl ansehen und würde stets etwas Neues entdecken.
„Toll“ – „Beeindruckend“ – „Großartig“. Von allen Seiten höre ich beim Verlassen des Theaters Lob der Besucher.
Im unteren Foyer ist wieder der Kinderchor zu hören. Erneut bewegen sich die Tänzerinnnen dort durch die Reihen der Besucher. Anfang und Ende: Der Kreis schließt sich.