Schönau, 28. September 2015. (red/pm) Am vergangenen Freitag beschlossen die Delegierten der Mannheimer SPD auf einem Kreisparteitag einstimmig eine Resolution zur Flüchtlingspolitik. Darin wird enges Zusammenarbeiten von Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft gefordert, aber auch zwischen den europäischen Staaten. Zuvor hatten sich Mitglieder des Kreisvorstandes bei einem Besuch im Benjamin-Franklin-Village ein eigenes Bild von der Situation in Mannheim gemacht. Wir dokumentieren die beschlossene Resolution im Wortlaut.
Dokumentation der Resolution:
„Weltweit steigt die Zahl der Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung aus ihren Heimatländern flüchten an. Viele von ihnen suchen in Europa und ganz besonders in Deutschland Schutz. Im Grundgesetz ist das Grundrecht auf Asyl garantiert. Wir lehnen jegliche Eingriffe in dieses Recht ab. Es ist unsere Pflicht, die Schutzsuchenden aufzunehmen, sie menschenwürdig unterzubringen und zu versorgen. Dies bedarf einer engen Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft. Insbesondere letztere zeichnet aktuell ein Bild der deutschen Bevölkerung, die Wärme und Menschlichkeit vermittelt statt Hass und Angst zu schüren.
Wir sind stolz auf die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und hauptamtlichen Akteurinnen und Akteure in Deutschland, auch hier bei uns in Mannheim, und danken Ihnen für Ihr Engagement. Wir wollen, dass die Unterstützung und Offenheit für Menschen, die bei uns Schutz suchen, ein Leben ohne Angst und mit Perspektiven anstreben, von Dauer ist. Deshalb möchten wir die Akzeptanz in der Bevölkerung weiter fördern. Deutschland muss ein Land bleiben, das offen ist für Menschen, die Schutz bei uns suchen.
Dabei dürfen Ängste und Sorgen von bereits in Deutschland lebenden Menschen nicht abgetan werden. Wir wollen einen aufklärerischen Dialog zwischen allen Menschen, um Ängste abzubauen und Vertrauen herzustellen. Das gute Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kulturen wird uns auf lange Zeit beschäftigen und nicht immer ohne Probleme ablaufen. Deswegen ist es wichtig, dass wir in einem stetigen Dialog bleiben und den Austausch mit und unter den verschiedenen Kulturen anstoßen, begleiten und moderieren. Nur wenn wir miteinander reden, können wir die Verständigung fördern und Lösungen finden.
Europas Verantwortung in der Welt
Die Aufnahme und Integration der Menschen, die aufgrund von Krieg und Gewalt verlassen, werden zu einer Bewährungsprobe für uns und für Europa. Zur Bewältigung dieser Herausforderung müssen auch unsere europäischen Nachbarn beitragen. Dies kann gelingen, wenn Europa in der Flüchtlingspolitik endlich zusammensteht und die Herausforderungen gemeinsam angeht.
Neben einer Bekämpfung der Fluchtursachen und einer Politik der Eindämmung von Bürgerkriegen ist es zwingend erforderlich, dass Europa die Initiative ergreift, damit die Herkunftsländer der Flüchtlinge und die Staaten des Nahen Ostens, die selbst Millionen von Flüchtlingen beherbergen, weit entschiedenere Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erhalten. Auch die USA und die arabischen Golf-Staaten müssen in die Finanzierung einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik in den Hauptaufnahmeländern von Geflüchteten einsteigen. Ziel muss es sein, die Lage in den kommenden Wochen und Monaten dort zu stabilisieren, damit nicht noch mehr Menschen die lebensgefährliche Route über das Mittelmeer einschlagen.
Niemand riskiert freiwillig sein Leben. Deshalb gilt es daneben auch Wege zu schaffen, über die Geflüchtete sicher und rechtmäßig zu uns kommen können, wie beispielsweise humanitäre Visa, Botschaftsverfahren und gemeinsame Asylbearbeitungszentren neben einem starken europäischen Rechtsrahmen für Wiederansiedlungsmaßnahmen.
Ausbau der Erstaufnahmeplätze und Unterstützung für die kommunale Anschlussunterbringung
Die Unterbringung der Geflüchteten ist derzeit eine der größten Aufgaben, welche die Kommunen, und damit auch Mannheim, bewältigen müssen. Um den sozialen Zusammenhalt in den Erstaufnahmestellen, aber auch in den Städten und Gemeinden, zu erhalten, müssen diese im Land weiter ausgebaut werden.
Damit es möglich ist, Unterkünfte auch kurzfristig zur Verfügung zu stellen, sind temporäre Erleichterungen, unter anderem bei Bau- und vergaberechtlichen Vorschriften, erforderlich. Neben diesen Erleichterungen fordern wir eine Wiederbelebung des kommunalen sozialen Wohnungsbaus, mit deutlicher Mittelerhöhung durch Bund und Länder. Davon sollen alle in Deutschland lebenden Menschen profitieren.
Wir sind uns bewusst, dass alleinstehende Frauen und ihre Kinder sowie Homo- und Transsexuelle Menschen (LSBTTIQ*) gesonderten Schutz bedürfen. Es ist zu prüfen, ob die Unterkünfte ihrem besonderen Schutzbedürfnis gerecht werden. Gemischtgeschlechtlichen Gemeinschaftsunterkünfte sind für diese Menschen nicht geeignet und es sollte das Ziel sein, sie zuvorderst in Einzelunterkünften oder sicheren dezentralen Unterkünften unterzubringen. In der weiteren Prüfung sind geschlechtsspezifische Asylgründe zu berücksichtigen, eine Abschiebung schwangerer Frauen muss ausgeschlossen sein.
Fragen der Bildung, Ausbildung und Arbeit umgehend angehen
Ebenso wichtig wie die Fragen der Unterbringung ist die schulische und soziale Betreuung der Geflüchteten. Um unter anderem eine ausreichende und unbürokratische gesundheitliche Versorgung gewährleisten zu können, fordern wir die Einführung einer Gesundheitskarte.
Die Schaffung von Möglichkeiten zum Lernen der deutschen Sprache darf nicht aufgrund der Herausforderungen bei der Unterbringung vernachlässigt werden. Unabhängig vom Ausgang der Prüfung des Aufenthaltsverfahrens muss möglichst schnell nach Ankunft mit Sprach- und Ausbildungsmaßnahmen begonnen werden, auch um einen strukturierten Tagesablauf anzubieten und keine Zeit beim Spracherwerb zu verlieren.
Die Qualifikationen der Geflüchteten müssen so schnell wie möglich festgestellt werden, um eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Dazu sind eine Beratung hinsichtlich erforderlicher Weiterbildungen und die Vermittlung in Arbeit oder in eine Ausbildung unerlässlich. Hierzu gehört auch eine berufsbezogene Sprachförderung. Um dies bewältigen zu können, bedarf es der notwendigen Ausstattung der Jobcenter mit mehr qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als bislang.
Schutz, Sicherheit und Ordnung in der offenen Gesellschaft
Deutschland bietet Frieden, Stabilität und den Schutz des Individuums. Viele der Geflüchteten kommen gerade zu uns, weil sie sich vom Staat Schutz erhoffen. Hierfür sorgt auch unsere Polizei, die in diesen Wochen – neben ihren eigentlichen Aufgaben – riesige Kraftanstrengungen an Bahnhöfen, in Landeserstaufnahmestellen, beim Schutz von Unterkünften und im Kampf gegen Brandstiftungen leistet.
Dafür sagen wir danke. Wir werden aber für die Bewältigung dieser und vermutlich noch anstehenden Aufgaben, etwa bei möglichen weiteren Anschlägen, Ausschreitungen und Streitereien zwischen verschiedenen Ethnien und Religionen, mehr Polizeikräfte brauchen. Wir fordern das Land auf, die Ausbildungsplätze in der Polizei weiter zu erhöhen, um zukünftig mehr Polizistinnen und Polizisten einstellen zu können. Die Integration einer so großen Anzahl von Neubürgerinnen und -bürgern wird nicht ohne Schwierigkeiten und Konflikte verlaufen. Deshalb brauchen wir neben einer starken und offenen Gesellschaft auch starke staatliche Institutionen.
Andererseits werden wir denjenigen, die diese Gastfreundschaft missbrauchen und damit auch unser Grundmodell einer freien und schützenswerten Gesellschaft, entschieden entgegentreten. Für uns, aber auch für diejenigen, die zu uns kommen und Schutz suchen.
Situation in Mannheim
In Mannheim hat sich ein starkes Netzwerk von verschiedenen Vereinen und Akteurinnen und Akteuren gebildet, die das Ankommender Geflüchteten erleichtert. Bei ihnen Allen können wir uns nur bedanken und die Stadt auffordern, deren Arbeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten so gut wie möglich finanziell und strukturell zu unterstützen. Zum Beispiel durch unbürokratische und schnelle Unterstützung bei der Zurverfügungstellung von Lagerraum für Spenden oder Räume für Bildungsmaßnahmen.
Wir begrüßen es, dass, auf Initiative der SPD-Fraktion, die Behandlung des Themas „Flüchtlinge“ als eigenständiger Tagesordnungspunkt auf der nächsten Sitzung des Hauptausschusses aufgenommen wurde und dass bereits kurzfristig eine Stelle für die Flüchtlingskoordination durch die Stadt geschaffen wurde. Die Verwaltung soll dem Gemeinderat die aktuelle Situation erläutern und mit ihm die Rahmenbedingungen für den weiteren Umgang in den kommenden Monaten abstecken.
Auf Grundlage dieses Positionspapiers unterstützt die Mannheimer SPD alle Maßnahmen der Stadtverwaltung und Bemühungen der Bürgerschaft, die geeignet sind um die beschriebenen Herausforderungen konkret hier in Mannheim zu bewältigen. Hierzu gehört auch, dass die freien Träger bei der Unterbringung von Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen von allen Ebenen der Verwaltung unbürokratisch unterstützt werden.
Auf Grund der aktuellen Entwicklung müssen wir, über die bisherige Unterbringung im sogenannten Columbus-Quartier (Benjamin-Franklin-Village Süd) hinaus, in Mannheim weitere Standorte als Aufnahmestellen für Geflüchtete errichten. Bei einer Unterbringung von mehreren Tausend Menschen verschiedenster Herkunft und Kultur an einem Standort können sich soziale Spannungen und Konflikte häufen. Auch die Betreuung und Versorgung wird erschwert.
Die vom Gemeinderat als Rahmenplan bereits genehmigte und mit kaufbereiten Investoren abgestimmte Entwicklung von FRANKLIN wird bei einer Ausweitung der bisherigen Unterbringung über den Teilbereich Benjamin-Franklin-Village Süd hinaus nicht mehr möglich sein. Öffentliche und insbesondere private Investitionen von über einer Milliarde Euro in die Entwicklung unserer Stadt werden dadurch verhindert, der entstehende ökonomische und strukturelle Schaden für unsere Stadt ist nicht akzeptabel, da vermeidbar. Deshalb fordern wir gegenüber Bund und Land, dass als zusätzliche Standorte, die ehemaligen US-Liegenschaften Spinelli und Hammonds geöffnet werden.
Weiterhin brauchen wir nun umgehend die endgültige Entscheidung des Landes für die geplante und vom Gemeinderat unterstützte Einrichtung einer Landeserstaufnahme in Mannheim.“