Mannheim, 27. August 2013. (red/ld) Bereits um 14:00 Uhr versammelten sich die Gegendemonstranten auf dem Alten Messplatz. Um 15:00 Uhr war die Kundgebung der NPD angemeldet, um 15:30 Uhr begann sie und schon eine Stunde später um 16:30 Uhr wurde die Veranstaltung wegen fremdenfeindlicher Äußerungen aufgelöst. Rund 200-250 Gegendemonstranten übertönten die zehn Rechtsextremen mit lauten Rufen, Trillerpfeifen und Trommeln – weitgehend friedlich. Ein Demonstrant wurde noch während der Veranstaltung festgenommen, weil er mit Eiern geworfen hatte, zwei weitere wurden nach den Demos festgenommen.
Von Lydia Dartsch
NPD-Kundgebung und Gegendemo sind bereits vorbei. Der Lärm der Bürger/innen gegen die Parolen der NPD verstummt. Der Lkw der NPD („Flagschiff“) fährt unter Polizeischutz kurz nach 16:30 Uhr weg. Rund zehn Minuten später wird es aus Richtung Alter Feuerwache wieder laut: Polizisten in Kampfmontur rennen zur Feuerwache. Die Helme auf dem Kopf, Visiere nach unten geklappt. Ein Großteil der Gegendemonstranten rennt hinterher. Zum Parkhaus der Feuerwache.
Man hört undefinierbare Rufe von drinnen – antifaschistische Parolen werden draußen gerufen. Dann rennen die Polizisten aus der Garage wieder nach draußen, in Richtung Neckarpromenade, wo sich eine Gruppe Gegendemonstranten aufhält. Die Polizisten sichern die Treppe zur Promenade. Lassen niemanden durch.
Tumult nach NPD-Kundgebung und Gegendemo
Dann passiert eine Viertelstunde lang nichts. Die Stimmung ist angespannt. Polizisten und Demonstranten sprechen miteinander. Dann führen die Polizisten zwei Demonstranten ab, nehmen sie in Gewahrsam. Nach der Festnahme löst sich die Menge binnen Minuten auf.
Mit der Veranstaltung an sich waren die Organisationen zufrieden. Es sei insgesamt friedlich verlaufen. Die Kooperation mit der Polizei habe gut geklappt. Man habe sich vorher in einem Kooperationsgespräch miteinander abgesprochen, sagte der Verantwortliche vom Aktionsbündnis „Mannheim gegen Rechts“, dessen Name nicht genannt werden soll:
Der Einsatz nach der Auflösung der Demonstration war überflüssig. Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei. An diesem Vorgehen habe ich aber eine leichte Kritik. Denn bei aller Friedlichkeit: Solche Szenen bleiben dann hängen.
Was war passiert? Mehrere Personen hatten während der Veranstaltung mit Eiern, Tomaten, Bierdeckeln und sogar einer Wasserflasche (laut Polizei) in Richtung der gut 10 NPD-Anhänger geworfen. Diese standen in einem etwa 20 mal 20 Meter großem Bereich, den die Polizei – ähnlich wie im Februar – abgesperrt hatte. Zwischen ihnen und den Gegendemonstranten standen Bereitschaftspolizisten, um beide Lager voneinander abzuschirmen.
Das Aktionsbühndnis sei sofort eingeschritten und habe gebeten, das Werfen zu unterlassen, sagte der Organisator. Nachdem die ersten Eier geflogen waren, rief die Polizei über Lautsprecher ebenfalls dazu auf, das Werfen mit Gegenständen zu unterlassen – in dem Stimmengewirr von NPD-Reden und dem Lärm der Gegendemonstranten durch Megaphonrufe, Trillerpfeifen, Ratschen und Trommeln, war das aber kaum hörbar.
Dann setzte sich ein Tross von etwa zehn Polizisten des Beweissicherungs- und Festnahmetrupps (BFE) in Bewegung. Bis dahin stand der Trupp abseits. Kurz darauf holten sie einen der Werfer aus der Demonstration und nahmen ihn fest.
Zwei weitere Werfer, die die Polizei während der Demonstration identifiziert hatte, sollten nach Auflösung der NPD-Kundgebung festgenommen werden. Einer von ihnen soll einen Polizisten mit einem Rippenstoß auch tätlich angegriffen haben, sagte Holger Ohm, Pressesprecher der Polizei Mannheim vor Ort.
Jeder Einsatz wird im Einzelfall bewertet
Die Männer flüchteten in Richtung Alte Feuerwache/Neckarpromenade. Dort wurden sie von der Polizei festgenommen und anschließend ins Polizeipräsidium Mannheim gebracht, um ihre Personalien aufzunehmen und ein Strafverfahren gegen sie einzuleiten. Dieses Vorgehen sei notwendig gewesen, sagte Herr Ohm:
Zuerst flogen Papiertüten, dann Becher, Äpfel, Eier, Tomaten und dann eine Wasserflasche. Mit dem Eingreifen hat man gezeigt, dass hier eine Grenze überschritten wurde.
Im Vergleich dazu waren bei der Demonstration im Februar ähnliche Szenen ausgeblieben. Auch damals waren Eier geflogen. Bei den Krawallen nach dem Fußballspiel SV Waldhof gegen Kickers Offenbach am Sonntag waren Steine und Flaschen gegen Polizisten geworfen worden. Trotzdem hatte man von den Randalierern nur sieben festgenommen.
Herr Ohm erklärt das durch die unterschiedliche Lage und das unterschiedliche Gewaltpotenzial der beiden Veranstaltungen:
Am Sonntag ging es viel gewalttätiger zu. Da musste sich die Polizei um die Gefahrenabwehr kümmern und dafür sorgen, dass die Situation nicht weiter eskaliert. Da konnte sie die Aufgabe des Strafvollzugs nicht wahrnehmen. Die Situation heute war sehr überschaubar, sodass Strafvollzug hier möglich war.
Bis auf diesen Zwischenfall nach Auflösung der NPD-Kundgebung wegen fremdenfeindlicher Äußerungen, verlief die Gegendemonstration friedlich: Deutlich über 200 Demonstranten waren gegen 14:00 Uhr auf dem Alten Messplatz zusammengekommen: Viele junge Menschen, ältere, Menschen mit Migrationshintergrund und Familien wollten Lärm machen gegen die Parolen der NPD.
Verlauf eigentlich friedlich
Vertreter der Politik gaben per Lautsprecher Statements ab und riefen die Demonstranten auf, Mannheim als bunte Stadt zu zeigen, in der kein Platz für Fremdenfeindlichkeit sei: Bürgermeisterin Felicitas Kubala (Grüne), die Bundestagsabgeordneten Stefan Rebmann (SPD), Dr. Gerhard Schick (Grüne), Dr. Birgit Reinemund (FDP) sowie der Landtagsabgeordnete Wolfgang Raufelder (Grüne) und die Stadträte Volker Beisel (FDP), Gerhard Fontagnier (Grüne), Raymond Fojkar (Grüne), Andrea Safferling (SPD) und Ali Müller (SPD) waren vor Ort.
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) war nicht anwesend, erklärte aber per Pressemitteilung, er bedauere, dass trotz intensiver Prüfung kein rechtlicher Ansatzpunkt besteht, die Versammlung gerichtsfest verbieten zu können:
Versammlungen der NPD oder anderer rechtsgerichteter Gruppen sind eine offene Provokation unserer toleranten und freiheitlichen Stadtgesellschaft. Daher begrüße ich die Ankündigung, die bei dieser Veranstaltung zu erwartenden nationalistischen und fremdenfeindlichen Verlautbarungen mit einer friedlichen Gegendemonstration klar und deutlich abzulehnen.
Es bleibe zu hoffen, dass das angestrebte Verbotsverfahren gegen die verfassungsfeindliche und die Demokratie bekämpfende NPD erfolgreich beendet werde.
Sowohl seitens der Veranstalter, der Stadtverwaltung und des Aktionsbündnisses zeigte man sich zufrieden mit dem Verlauf der Demonstration und der Kooperation. Die tumultartigen Geschehnisse nach Auflösung der NPD-Kundgebung seien aus Sicht der Organisatoren nicht notwendig gewesen. Auf unsere Nachfrage hin teilte die Polizei mit, dass man die Festzunehmenden schließlich nicht hätte „laufen lassen können“, da eine klare Grenze gezogen werden müsse.