Ladenburg/Weinheim/Hemsbach/Rhein-Neckar, 01. September 2013. (red/ld/zef/pro/local4u) Es herrscht Wahlkampf in Deutschland – auch für die rechtsextreme NPD. In sechs Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises hielt die verfassungsfeindliche Partei am Samstag Kundgebungen ab: In Rauenberg, Angelbachtal, Schwetzingen, Ladenburg, Weinheim und Hemsbach. Zwischen 100 und 150 Menschen stellten sich jeweils in Schwetzingen, Ladenburg und Weinheim mit Demonstrationen gegen die rechtsextreme Partei. In Rauenberg, Angelbachtal und Hemsbach waren keine Gegendemonstrationen angemeldet. In Hemsbach kamen trotz „Lethargie“ wenigstens knapp 60 Anwohner und Passanten zu einer spontanen Gegenkundgebung zusammen.
Bericht: Lydia Dartsch, Ziad-Emanuel Farag, Hardy Prothmann
Auf Gegendemonstranten stieß die NPD erst in Schwetzingen. Zuvor waren knapp 30 Mitglieder der rechtsextremen Partei in Angelbachtal und Rauenberg ohne Widerstand aus der Bevölkerung oder durch demokratische Parteien aufgetreten.
Keine Zwischenfälle wegen guter Polizeiarbeit
Die Einsatzleitung bei allen Auftritten der NPD hatte die Polizeidirektion Heidelberg unter Einsatzleiter Christian Zacherle – auch in Ladenburg, wo eigentlich das Polizeipräsidium Mannheim zuständig ist. Das sei einfacher für die Einsatzkoordinierung, sagte Frank Hartmannsgruber, Leiter des Polizeireviers Ladenburg.
In Schwetzingen waren rund 100 Bürgerinnen und Bürger zum Schlossplatz gekommen, um sich gegen die verfassungsfeindliche Organisation zu stellen, gegen die demnächst ein Verbotsverfahren laufen soll.
Alles blieb friedlich. Die Polizei nahm eine Strafanzeige wegen Körperverletzung auf: Eine verbale Auseinandersetzung zwischen zwei Vertetern der jeweils gegnerischen Seite hatte sich zu einer „Schubserei“ entwickelt, sagte Tobias Keilbach, Pressesprecher der Polizei Heidelberg.
Gut 120 NPD-Gegner friedlich in Ladenburg
In Ladenburg hatte die NPD ihre Kundgebung zwischen 14:30 und 16:00 Uhr auf dem Carl-Benz-Platz angekündigt. Hier erschienen nur noch sieben Rechtsextreme, unter ihnen der Weinheimer NPD-Kreisvorstand Jan Jaeschke.
Der Weinheimer Jaeschke ist eine treibende Kraft der Rechtsextremen – kaum eine Veranstaltung in den vergangenen Jahren, die er nicht mitorganisiert hat und selbst anwesend ist. Ein überzeugter Rechtsradikaler, der die Splitter-Partei „etablieren“ will und sich nicht scheut, meistens mutterseelenalleine irgendwo rumzustehen und sein „Recht auf Meinungsfreiheit“ wahrzunehmen. Jaeschke, Anfang 20, vom Erscheinugnsbild eher „weich und pumelig“ und deswegen auf den ersten Blick nicht „ernstzunehmen“, ist ein politisch überzeugter Hardcore-Nazi mit Ambitionen auf „höhere Weihen“.
Bereits für 14:00 Uhr hatte DGB-Ortsvorsitzender Bernd Schuhmacher eine Gegendemonstration in unmittelbarer Nähe am Wasserturm angekündigt. Bürgermeister Rainer Ziegler wollte zwar die Veranstaltung “ignorieren”, war aber als Vertreter der Ortspolizeibehörde anwesend. Bürgermeister Ziegler, der eigentlich die NPD im eigenen Ort ignorieren wollte, sagte:
Ich sehne den Tag herbei, da die NPD verboten wird. Wir sind eine weltoffene, tolerante Stadt. Dieses Gedankengut hat hier keinen Platz.
Noch am Donnerstagvormittag hatten er und der Sprecher des Bündnisses „Wir gegen Rechts“, der evangelische Pfarrer Markus Wittig, verkündet, dass es keine Gegendemonstration geben werde – entgegen der Meinung vieler anderer Bündnismitglieder wie Bernd Schuhmacher (Deutscher Gewerkschaftsbund), der die Gegendemonstration organisiert hatte. Beide sagten uns, diese Differenzen müssten „intern“ im Bündnis „Wir gegen rechts“ aufgearbeitet werden.
Gut 120 Gegendemonstranten waren nach Ladenburg gekommen. Darunter Mitglieder des DGB, der SPD, der Grünen sowie der Mannheimer Landtagsabgeordnete Wolfgang Raufelder (Grüne).
Auch rund 20 Antifa-Aktivisten demonstrierten mit. Sie störten mit Tröten, Trillerpfeifen und lauten Rufen wie „Nazis raus!“ die NPD-Kundgebung. Von den Reden der NPD-Mitglieder konnte bis auf wenige Passagen kaum etwas verstanden werden. Diffamiert wurden speziell Claudia Roth und Angela Merkel. Die Rechtsextremen bezeichneten weiter Homosexualität als “abartig” – ein Hetzbegriff der Nationalsozialisten unter Hitler, um andere zu entwürdigen.
Insgesamt blieb es jedoch dank der konsequenten Kontrolle durch die Polizei friedlich. Nur einen Moment lang wurde es brenzlig: Die NPD-Mitglieder wandten sich von den Gegendemonstranten ab und sprachen in Richtung Carl-Benz-Platz. Daraufhin lief der Großteil der Demonstranten in diese Richtung. Hier gab es keine Pufferzone zwischen den Rechten und den Gegendemonstranten.
Die Polizei rief über Lautsprecher dazu auf, wieder auf Position am Wasserturm zurückzukehren. Erst als die Polizei es zur Auflage machte, dass die NPD-Mitglieder wieder in Richtung Wasserturm sprechen, leisteten die auf dem Carl-Benz-Platz versammelten Gegendemonstranten den Anweisungen Folge. Zu Anzeigen oder Festnahmen kam es nicht.
Um 16:00 Uhr packten die Rechtsextremen ein, unter dem Jubel der NPD-Gegner. Diese hatten in den letzten Sekunden der genehmigten Kundgebungszeit einen Countdown gestartet. Die NPD-Mitglieder fuhren mit Polizeieskorte weiter nach Weinheim.
NPD kann nicht bei Weinheimer Reiterin demonstrieren
Von 16:30 bis 17:30 Uhr war ihre Demonstration an der Reiterin in der Fußgängerzone angemeldet. Bis dorthin kamen sie aber nicht. Rund 150 Gegendemonstranten hatten den Platz schon davor besetzt. Die NPD-„Truppe“ mussten auf die Ecke Dürrestraße/Hauptstraße ausweichen. Auch hier machten die Demonstranten mit Trillerpfeifen, Rufen und Tröten viel Lärm gegen die rechten Parolen – und schafften es auch, dass man die Reden überwiegend aktustisch nicht verstehen konnte.
Stadträtin Elisabeth Kramer (Grüne) hatte die Gegendemonstration angemeldet und mobilisiert. Europaabgeordnete und Bundestagskandidatin Dr. Franziska Brantner (Grüne) war ebenso vor Ort wie der Bundestagsabgeordnete Lothar Binding (SPD), Landtagsabgeordneter Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) und die CDU-Stadträtin Susanne Tröscher sowie CDU-Stadtverbandschef Roger Schäfer. Lothar Binding sprach sich uns gegenüber für ein NPD-Verbot aus. Er sagte:
Es kann nicht sein, dass eine Partei, die die Demokratie abschaffen will, den Wahlkampf aus Steuergeldern finanziert bekommt.
Auch die Bundestagskandidatin der Grünen, Franziska Brantner, fand deutliche Worte:
Viele Menschen haben der Provokation der Nazis heute die Rote Karte gezeigt. Wir wollen keine NPD in Parlamenten. Rassismus hat in unserer weltoffenen Region keinen Platz. Keine Toleranz für Intoleranz.
Pünktlich um 17:30 Uhr packte die NPD in Weinheim ein und zog unter dem Jubel der Gegendemonstranten weiter nach Hemsbach. Zu Vorfällen kam es in Weinheim nicht.
Knapp 60 spontane Gegendemonstranten in Hemsbach
In Hemsbach hielten dieselben sieben NPD-Mitglieder ihre Kundgebung an der Ecke Tilsiter Straße/Thomastraße ab. Zwischen 18:00 und 19:00 Uhr war die Kundgebung angemeldet. Eine Gegendemonstration seitens der Gemeinderatsfraktionen oder der Stadt war nicht angemeldet worden. Uns wurde mitgeteilt, dass dies „urlaubsbedingt“ überraschend kam und nicht möglich war.
Dennoch hatten sich anfangs gut 30 Anwohner und Passanten spontan vor der Kundgebung der Rechtsextremen versammelt und machten Lärm mit Rufen, Tröten und Trillerpfeifen. Sie riefen: „Nazis raus!“ und „NPD. Neue Politur. Alte braune Nazidiktatur!“
Die spontane Versammlung wuchs dann auf knapp 60 Teilnehmer an. Gegen die Reden der NPD-Mitglieder kamen die hier nicht organisierten Gegendemonstranten aber kaum an.
Hemsbacher Lethargie gegenüber der NPD
Einige Anwohner hätten sich angesichts der vielen Wohnhäuser im näheren Umfeld mehr spontane Gegendemonstranten gewünscht. Ein Mann sagte uns:
Ich hätte mit mehr gerechnet. Hier wohnen so viele Menschen drum herum, die die Kundgebung hier mitkriegen. Warum sind die nicht alle hergekommen?
Eine andere sagte, die Regierung solle die NPD verbieten lassen, sonst dürften „die“ demonstrieren, wie alle anderen auch. Es würde ein „riesen Aufwand“ für viel Steuergeld betrieben für die paar „Hanseln“. Ihren Namen wollte sie nicht sagen. Sie fürchte sich vor Ärger.
Ein Mann, der vorher in Weinheim gegen die NPD demonstriert hatte, sagte, die Hemsbacher sähen keine Notwendigkeit zu demonstrieren. Es herrsche eine gewisse Lethargie gegenüber der NPD, keine Sympathie.
Auch in Hemsbach blieb es friedlich. Lediglich eine Beleidigung wurde bei Einsatzleiter Christian Zacherlele seitens der NPD angezeigt: Einer der Demonstranten hatte eines der beiden weiblichen NPD-Mitglieder als „Dumme Kuh!“ bezeichnet.
Um Punkt 19:00 Uhr packten die NPD-Mitglieder zusammen und fuhren weg. Eine Nachveranstaltung im „Schwarzen Ochsen“ in Sulzbach es nicht angemeldet worden, sagte uns Einsatzleiter Christian Zacherle:
Die haben jetzt auch genug und wollen nach Hause, haben sie mir gesagt.
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