Rhein-Neckar/Mainz, 23. Februar 2017. (red/pro) Aktuell erlebt die AfD einen Dämpfer – was die Umfrage zur Bundestagswahl angeht. Nachdem es erst steil bergauf bis auf 15 Prozent ging, liegt sie jetzt nur noch bei 8 Prozent. Im Interview sprechen wir mit dem rheinland-pfälzischen Vorsitzenden und Fraktionschef der AfD, Uwe Junge, der 34 Jahre Mitglied der CDU war. Der mittlerweile pensionierte Bundeswehr-Offizier fällt weitestgehend dadurch auf, dass er nicht ständig in den Medien ist. Möglicherweise ist er ein Kandidat für den Bundesvorstand der AfD.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Junge, im Moment ist die AfD wieder in aller Munde nach den Äußerungen von Herrn Höcke zum „Denkmal der Schande“. Wie belastend ist das aus Ihrer Sicht für die AfD?
Uwe Junge: Es ist natürlich nicht förderlich. Gerade jetzt mit Beginn des Bundestagswahlkampfes hat diese Rede natürlich für Aufregung gesorgt, nicht nur medial, sondern natürlich auch innerparteilich. Und das wird geklärt. Der Bundesvorstand hat mit deutlicher Zwei-Drittel-Mehrheit entschieden, ein Parteiausschlussverfahren einzuleiten und dieses werden die Schiedsgerichte entscheiden müssen. Ich denke, die Diskussion innerhalb der Partei auch hier in Rheinland-Pfalz ist auch durch meinen Mitgliederbrief jetzt soweit klar. Es gibt natürlich noch immer Leute die sagen, Herr Höcke könne sich im Rahmen der freien Meinungsäußerung äußern wie er will. Ich habe da eine andere Auffassung: Alle Funktionsträger, auch Herr Höcke, haben sich an die Grundsätze unseres Parteiprogramms zu halten. Wenn sie sich da außerhalb stellen, dann werden sie mit Kritik rechnen müssen – und das ist geschehen.
„Herr Höcke stellt sich außerhalb der AfD“
Gegenüber dem Deutschlandfunk haben Sie aber in einem Interview ein gewisses Verständnis zu den Aussagen von Herrn Höcke formuliert und versucht, ich würde mal sagen, Herrn Höcke nicht unbedingt in Schutz zu nehmen, aber doch eine andere Interpretation zuzulassen.
Junge: Ja. Das war kurz nach der Rede. Das Interview mit dem Deutschlandfunk wurde geführt, nachdem ich mit Herrn Höcke gesprochen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war ausschließlich seine Äußerung zum Holocaust-Mahnmal in den Medien. Das war interpretationsfähig. Er hatte mir gesagt, dass er das Mahnmal nicht als Mahnmal der Schande, sondern durchaus als ein Schandmahnmal für das, was in der deutschen Geschichte in diesen zwölf Jahren passiert ist, gewertet haben wollte. Mittlerweile habe ich mich mit der Rede mehr und sehr intensiv befasst und da stecken doch noch eine ganze Reihe von anderen Punkten drin, unabhängig von dieser Aussage zum Mahnmal, die für mich bedenklich sind. Ich sage jetzt, jawohl, hier stellt er sich außerhalb der AfD und deren Programmatik und deshalb trage ich diese Entscheidung des Bundesvorstands auch mit.
Inwieweit machen sich solche Debatten – Herr Höcke ist ja jetzt weit weg von Rheinland-Pfalz – aber trotzdem auch in Rheinland-Pfalz bei der AfD und Mitgliedern bemerkbar?

Uwe Junge ist Oberstleutnant a.D., Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz. Foto: AfD
Junge: Es überlagert für unsere Landtagsfraktion die Sachthemen, die wir ja eigentlich in der parlamentarischen Debatte im Landtag ansprechen wollen. Sachthemen, die dann vom politischen Gegner mit Höcke in Verbindung gebracht werden, haben eigentlich ursächlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Aber der politische Gegner nutzt es natürlich, bis hin zu einem Vergleich Junge-Höcke. Natürlich belastet das und hält einen auch davon ab, gute, vernünftige Politik zu machen, die auch wahrgenommen wird, weil die Diskussion um diese Personalie uns in Mithaftung nimmt.
Ich bin ein Diener der gemeinsamen Aufgabe
Sie sind ein prominenter AfD-Politiker, der nicht so prominent in den Medien ist wie andere. Bei Ihnen fehlen Skandalisierungen und Aufregerthemen. Warum ist das so? Mal abgesehen von Äußerungen gegenüber einer Soldatin, fällt auf, dass Sie nicht im medialen Rampenlicht stehen.
Junge: Das ist auch nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist, hier als Vorsitzender eine Fraktion ordentlich zu führen, Politik für die Bürger in Rheinland-Pfalz zu machen. Ich bin auch so sozialisiert, es liegt mir zu versachlichen, auf der Sachebene zu diskutieren, und ich halte nichts davon, unnötig zu provozieren. Manchmal muss man plakativ sein, das ist richtig. Aber ich halte nichts davon, jetzt durch wilde Reden und wilde Thesen die Seriosität der AfD aufs Spiel zu setzen. Ich halte sie für eine sehr seriöse Partei, sonst wäre ich da nicht eingetreten und hätte auch nicht die Funktionen übernommen, wenn ich nicht auch den klaren Eindruck hätte, dass die AfD bürgerlich-konservativ ist und eben nicht in dieses Fahrwasser geraten will, das uns die politischen Gegner gerne unterstellen. Dieses ganze identitäre Gerede halte ich für völlig kontraproduktiv, das ist auch nicht aus unserer Programmatik abzuleiten und daran halte ich mich. Denn als führender Politiker haben ich natürlich auch die Pflicht, das Programm zu vertreten und natürlich auch sorgsam mit der medialen Wirksamkeit umzugehen. Denn ich spreche ja für alle Mitglieder, und ich muss natürlich auch alle mitnehmen. Das ist meine Aufgabe und da habe ich vielleicht ein grundsätzlich anderes Verständnis – vielleicht auch wegen meiner beruflichen Herkunft – dass ich eben sage: Ich bin Diener der gemeinsamen Aufgabe und habe mich nicht in den Vordergrund zu stellen.
Trotzdem scheint es ja dieses AfD-Strategiepapier zu geben, in dem unter anderem tatsächlich gefordert sein soll, dass man mit Provokationen auffällt. Was halten Sie davon?
Junge: Erstens kenne ich dieses Strategiepapier wirklich selbst nur aus den Medien. Ich kenne kein mit Beschluss gefasstes Strategiepapier, das diese Vorgehensweise als Strategie tatsächlich definiert. Wir sprechen natürlich Dinge an, die andere nicht ansprechen. Jeder individuell unterschiedlich und auch provokant, aber wissen Sie, manche Dinge, die ich auch hier im Landtag sage, werden als Provokation empfunden, weil die anderen meine Meinung nicht teilen. Das stellt sich die Frage, ob man sich provozieren lässt oder grundsätzlich alles als Provoktion auffasst, nur weil es von der AfD kommt. Wenn ich beispielsweise bei einer Debatte über Gefährder in Rheinland-Pfalz – wir haben 16 Gefährder im Land – fordere, dass man diese mit einer Verhaftungswelle dingfest machen soll, dann ist das der große Aufreger und die große Provokation, obwohl der Begriff an sich ja überhaupt nicht negativ ist. Er wird immer wieder verwendet, ich könnte auch Razzia sagen oder wie auch immer, aber das wird natürlich auch vom politischen Gegner jetzt instrumentalisiert. Jede klare Forderung und jede klare Kante wird grundsätzlich als Provokation missverstanden oder bewusst missinterpretiert. Und dann wird uns das als Strategie angedichtet.
„In den Ausschüssen geht es moderater zu als vor den Kameras“
Redet denn Ministerpräsidentin Dreyer mittlerweile mit Ihnen?
Junge: Ja. Auf die normale, höfliche Konversation beschränkt.
Ok. Und sie verweigert Ihnen auch keinen Handschlag?
Junge: Sie nicht, nein.
Gibt es immer noch Parlamentskollegen, die den Handschlag verweigern?
Junge: Ja – mittlerweile brauchen sie nicht mehr zu verweigern, weil ich den gar nicht einfordere. Ich kenne ja die Leute. Herrn Schweitzer gebe ich die Hand, wir scherzen auch miteinander. Ich glaube, das gehört auch zur Professionalität dazu, dass man unabhängig von der politischen Meinung und unterschiedlichen Meinung sich als Mensch immer noch höflich und zuvorkommend gegenübertritt. Es gibt durchaus Grüne, die mir nicht die Hand geben, aber Herr Braun zum Beispiel schon. Ich nehme an, der politische Gegner hat sich stark selbst emotionalisiert und ein bisschen verrannt. Mit vielen habe ich ein gutes Verhältnis, wo man auch in der Lobby mal miteinander spricht. Bei der Ausschussarbeit ist das anders. Beispiel Finanzausschuss – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Da geht es wesentlich moderater und auch freundlicher zu, als wenn die Kameras an sind und man im Plenum sitzt.
„Wir schicken ein Team Rheinland-Pfalz nach Berlin“
Welche Ziele hat denn die rheinland-pfälzische AfD was die Bundestagswahl angeht? Was glauben Sie, wieviele Abgeordnete Sie stellen können?
Junge: Das ist im Moment relativ schwierig zu sagen. Vor vierzehn Tagen hätte ich noch gesagt, zwischen fünf und sechs, mit einer Perspektive nach oben. Mittlerweile sehen die Umfrageergebnisse wieder anders aus. Das wird sich wieder einpendeln, da bin ich ganz sicher. Wir werden auf dem Landesparteitag Anfang März eine starke Liste aufstellen. Es wird keiner der Fraktionsmitglieder für den Deutschen Bundestag kandidieren. Das war eine klare Ansage von uns allen. Wir sind hier für Rheinland-Pfalz gewählt, und wir werden hier auch unsere Pflicht erfüllen und werden nicht gleich weiterspringen in den Bundestag. Wir haben sehr gute Kandidaten und ich sag mal auf den ersten zehn Plätzen werden sich sehr gute und kompetente Leute wiederfinden. Das Ziel ist für mich ein Team Rheinland-Pfalz nach Berlin zu schicken, das gut miteinander harmoniert, auch gut aufgestellt ist mit unterschiedlichen Kompetenzen und unterschiedlichen Fähigkeiten in verschiedenen Handlungsfeldern. Ich bin ganz sicher, die Mitglieder werden auf dem Parteitag eine gute Entscheidung treffen.
Von den politischen Schwerpunkten in Rheinland-Pfalz: Was sind für Sie die Top-Themen, die Sie in der Legislatur jetzt bearbeiten wollen oder auf dem Zettel haben?
Junge: Die Themen wechseln natürlich auch immer je nach Aktualität, aber wir haben bereits zum zweiten Mal einen Gesetzentwurf eingebracht zur Direkten Demokratie und zur Änderung des Wahlgesetzes. Das ist eine Kernforderung der AfD – mehr Bürgerbeteiligung. Dann sicherlich im den Bereich Infrastruktur, da gibt es viel zu tun, also nicht nur die Straßensituation, sondern auch der Verkauf des Flughafen Hahn oder jetzt der Streit um die Mittelrheinbrücke. Wir vertreten da klare, bürgernahe Positionen. Im Bereich Bildungspolitik bringen wir uns ein und natürlich zum Politikfeld Integration. Da haben wir in Rheinland-Pfalz die besondere Situation, dass Rheinland-Pfalz aus der Landesregierung heraus im Bundesrat die Maghreb-Staaten nicht als sichere Herkunftsländer anerkennen will, die Abschiebepraxis sehr dubios ist, und wir feststellen müssen, dass quasi alle Abschiebepflichtigen mittlerweile geduldet werden und die Ausreise nur noch freiwillig stattfindet.
„Ich wurde verkürzt wiedergegeben, was Abschiebungen nach Afghanistan angeht“
Wenn wir beim Thema Abschiebung sind – Sie haben sich zu Afghanistan geäußert und sagen, dorthin solle nicht abgeschoben werden. Auch auf der Basis Ihrer Erfahrungen als Bundeswehr-Offizier – Sie waren ja selbst zweimal im Land. Ist das immer noch Ihre Position?
Junge: Meine Position ist verkürzt dargestellt worden. Sie ist eben gerade um die Frage der sicheren Herkunftsländer Algerien, Marokko und Tunesien entstanden. In diesem Zusammenhang habe ich gesagt, wenn man diese Länder nicht als sichere Herkunftsländer anerkennt, dann kann man Afghanistan gar nicht als sicheres Herkunftsland sehen. Dort ist die Sicherheitslage ja da nicht besser geworden. Im Gegenteil, sie ist deutlich schlechter geworden als 2011, als ich zuletzt dort war. Ich sehe einen deutlichen Widerspruch in der Regierungspolitik. Das habe ich angesprochen, aber habe auch ganz klar deutlich gemacht: Wir müssen abschieben, da muss man sich was anderes einfallen lassen. Ich habe damals schon von Abschiebezentren gesprochen, was jetzt inzwischen auch die etablierten Parteien übernehmen. Das ist erstaunlich: Viele Dinge, die noch vor einem Jahr als rassistisch und menschenfeindlich propagiert wurden, übernehmen jetzt die Altparteien. Es gibt sicherlich auch im Grenzgebiet zu Afghanistan – also ich nenne mal Uzbekistan, Tadschikistan – auch dort bin ich gewesen – Möglichkeiten, Menschen zu einem vergleichsweise Spottpreis menschenwürdig unterzubringen, den hier die Steuerzahler aufbringen müssen. Dort wären die Menschen in der Nähe ihres Landes und können dann, wenn die Sicherheitslage sich wirklich verbessern sollte, auch wieder in ihr Land zurückgebracht werden. Ich fordere also klar Abschiebungen, aber nach Afghanistan? Da muss man einfach als Realpolitiker sehen, dass es dort nirgendwo sichere Regionen gibt. Der Bundesinnenminister kann selbst nicht sagen, welche Regionen er meint. Nochmal: “Junge will nicht nach Afghanistan abschieben” ist eine verkürzte, nicht zutreffende Darstellung – ich habe den Vergleich zu den Maghreb-Staaten herangezogen.
Bei uns werden Sie nicht verkürzt – wir haben anders als formatierte Medien viel Platz. Nochmal zurück, Herr Junge, zu Ihrer Rolle in der AfD. Interessieren Sie sich nicht für eine Mitgliedschaft im Bundesvorstand als “mäßigende Stimme”?
Junge: Das wird sich im Laufe des Jahres zeigen. Jetzt habe ich zunächst mal meine Aufgabe als Landesvorsitzender und als Fraktionsvorsitzender – damit bin ich vollständig ausgelastet. Eine weitere Funktion in einem anderen Gremium wäre sicherlich nicht anzuraten. Man muss aufpassen: Wenn man zu viel oder wenn man alles macht, macht man nichts mehr richtig. Ich bin da schon irgendwie ein Perfektionist. Ich will es dann auch richtig machen. Wir werden nach der Bundestagswahl einen neuen Landesvorstand wählen hier in Rheinland-Pfalz und wir werden einen neuen Bundesvorstand wählen. Mal sehen, wie sich das entwickelt – wer geht aus dem Bundesvorstand in den Bundestag und will dann vielleicht im Bundesvorstand entlastet werden? Das sind Dinge, die werden sich im Laufe des Jahres entwickeln. Ich bin da nicht völlig abgeneigt, aber ich strebe es auch nicht zielstrebig an. Ich bin da völlig offen.
„Ich scherze gerne mit Frau Klöckner“
Nochmal zu den anderen Parteien. Sie waren sehr lange CDU-Mitglied. Wie ist denn Ihr Kontakt zur CDU, insbesondere auch zu Frau Klöckner?
Junge: Wir treffen uns häufig, weil wir natürlich auch zu den gleichen Veranstaltungen als Fraktionsvorsitzende eingeladen werden. In der Regel sitze ich neben ihr – rechts von ihr. Da scherze ich jedes Mal und sage, wer sitzt denn da rechts von Ihnen? Da haben wir immer Spaß. Der Kontakt ist freundlich, aber auch distanziert. Die Union hat natürlich im Moment kein Interesse, irgendwelche Signale oder Symbole zu liefern, die sie in die Nähe der AfD bringt. Man merkt schon, es gibt viel Seelenverwandschaft zwischen CDU-Abgeordneten, vor allem den älteren, die ihre konservativen Grundüberzeugungen noch haben, aber sie vielleicht nicht mehr so propagieren können. Ich sehe auch den einen oder anderen CDU-Abgeordneten klatschen, wenn ich im Landtag rede. Aber formal versuchen sie, die Distanz zu halten, weil sie natürlich Angst haben, vom politischen Gegner als AfD-light gesehen zu werden. Also alle gucken mit Argus-Augen, wie verhält sich die CDU zur AfD? Ich habe da eine klare Haltung. Ich habe immer gesagt, schon am Wahlabend, wir werden keine Fundamentalopposition machen. Ich denke, das haben wir auch bisher klar bewiesen. Wir haben kein Problem, als Fraktion mit der CDU zu stimmen, aber auch gegen die CDU mit der Regierungskoalition, wie bei CETA oder TTIP. Die CDU wehrt sich ein bisschen dagegen, wenn wir im parlamentarischen Alltag, also in Plenarsitzungen, einen Antrag einbringen, den eigentlich die Union von ihrer Grundüberzeugung her mittragen müsste. Dann bringen sie einen Alternativantrag ein, damit sie bei unserem nicht zustimmen oder ablehnen müssen. Zum Beispiel bei unserem Verbotsantrag zur Vollverschleierung. Sie versuchten auf diesem Wege die Nähe zur AfD zu vermeiden. Ich kann mit Frau Klöckner auch telefonieren, das ist überhaupt kein Problem. Aber sie vermeidet, dass wir längere Zeit irgendwo zusammenstehen und uns unterhalten, weil natürlich auch Fotos gemacht werden, Ich glaube, wenn die AfD in den Bundestag eingezogen sein wird, werden sich die Verhältnisse mehr und mehr normalisieren.
Im Deutschlandfunk-Interview haben Sie gesagt – die Partei befinde sich noch in der Findungsphase. Ein wichtiger Meilenstein sei das Grundsatzprogramm gewesen. Wie lange denken Sie wird es dauern, bis auch die AfD eine “etablierte Partei” ist?
Junge: Wir sind jetzt in zehn Landtagen. Wir haben im nächsten Monat Landtagswahl im Saarland, dann kommt NRW, dann kommt die Bundestagswahl. Ich denke mit dem Einzug in den Bundestag werden wir eine der Parteien im Parteienspektrum sein, die nicht mehr wegzudiskutieren ist, und die man auch nicht mehr ignorieren kann. Und wir werden sicherlich – das machen wir heute schon – uns an die Regeln halten. Wir machen eine klare, parlamentarische Arbeit, und wenn man so will, sind wir hier in Rheinland-Pfalz bereits etabliert. Ich führe viele Gespräche mit Verbänden und Vereinen, die auch Gesprächsbedarf haben mit uns. Die wollen natürlich wissen, wie stehen wir zu den verschiedenen politischen Handlungsfeldern und das geht quer durch den Garten. Wir werden als Gesprächspartner auch außerhalb des politischen Rahmens durchaus anerkannt, auch eingeladen. Wir nehmen diese Einladungen auch wahr, und ich denke, nach der Bundestagswahl werden wir, wenn Sie so wollen – das ist in der AfD dann ja eher ein negativer Begriff – zu den etablierten Partein im politischen System der Bundesrepublik Deutschland gehören.
„Die CDU wird auf uns zukommen müssen“
Ohne Koalition kommt in aller Regel niemand an die Macht. Ist die CDU aus Ihrer Sicht ein möglicher Koalitionspartner, wenn die AfD so stark ist, dass sie mit der CDU zusammen eine Mehrheit bilden könnte?
Junge: Das ist zunächst mal eine Frage, die man der CDU stellen muss. Sie hat bisher vehement abgelehnt, auch nur darüber zu denken. Wir sind da in einer guten Position als kleinere Partei, darauf zu bestehen, unser Programm umzusetzen. Als Juniorpartner in eine Koalition zu gehen, bedeutet häufig die Aufgabe von eigenen Positionen. Wir müssen das jetzt nicht tun. Wir sollten uns da auch gar nicht festlegen. Und wenn es in diese Richtung geht, dann wird die CDU auf uns zukommen müssen und dann werden wir reden müssen, ob wir die Programme zusammenbringen. Was ich auf jeden Fall vermeiden möchte, ist, in diese Falle hineinzugeraten und Steigbügelhalter zu sein für eine Koalition, in der man die eigene Identität verliert.
Wenn man sich die Wahlergebnisse der FDP anschaut, dann ist meiner Einschätzung nach auffällig, dass die FDP in irgendeiner Art und Weise durch die AfD profitiert. Sehen Sie das auch so?
Junge: Das muss man sehr differenziert bewerten. Von Bundesland zu Bundesland. Ich glaube, in Rheinland-Pfalz sind sie gerade noch so reingerutscht, und haben natürlich ihre Bedeutung nur in einer Regierungskoalition gesehen. Ich greife Volker Wissing öfter an und sage: “Sie haben ja mal behauptet, Sie würden ihre Grundüberzeugung nicht für Dienstwagen und Amt aufgeben” – aber genau das erleben wir jetzt, wie opportunistisch die FDP reagiert. Das wird auf die FDP-Wähler keinen guten Eindruck machen. Als Steigbügelhalter die eigene Auffassung immer den jeweiligen Koalitionen anzupassen, hat zur Folge, dass die Glaubwürdigkeit verloren geht. Aber Ihre Frage war: Profitiert die FDP von der AfD? Ich glaube, dass die FDP sehr viele Verluste erlitten hat in der Anfangsphase der AfD, weil auch sehr viele Liberale zu uns gekommen sind, gerade in Bezug auf das Thema Europa, die Euro-Rettungspolitik und dergleichen. Da hat die FDP doch Einiges aufgegeben. Die FDP ist für uns kein wirklicher Gegner. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen muss. Ich sehe uns ja bei klar über 10 Prozent.
„Der Schulz-Faktor wird sich schnell legen“
Was halten Sie vom “Schulz-Faktor” – haben Sie Sorge, dass frühere SPD-Wähler, die AfD gewählt haben, wieder zurück zur SPD wandern?
Junge: Den “Schulz-Faktor” hat es schon immer gegeben. Neue Kanzlerkandidaten erzeugen erstmal einen Stimmungsumschwung. Herr Schulz muss das, was er jetzt vollmundig und sehr plakativ darstellt, erstmal erklären, wie er das umsetzen will. Was wir nicht vergessen dürfen ist der große Anteil der früheren Nichtwähler – da ziehen wir unsere Hauptwählergruppe. Im Moment haben wir eine starke Wählerwanderung in den Umfragen – bis zur Wahl ist es noch lange hin. Aktuell ist die SPD durch euphorische Emotionen bestimmt, wenn es um reale politische Herausforderungen geht, wird sich das schnell legen.
Zur Person:
Uwe Junge (59) ist pensionierter Oberstleutnant a.D.. Er war von 1975 bis 2009 Mitglied der CDU. Danach war er von Ende 2010 bis Herbst 2011 Mitglied bei der rechten Partei „Die Freiheit“. 2013 trat er in die AfD ein. 2015 wurde er Landesvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz. Seit 2016 ist er Mitglied des Landtags von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der 14-köpfigen AfD-Fraktion, die nach SPD (39) und CDU (35) drittstärkste Kraft ist. Die Grünen haben 6 Sitze, die FDP sieben. SPD, Grüne und FDP bilden die „Ampel“-Regierung in Rheinland-Pfalz. Insgesamt hat der Landtag von Rheinland-Pfalz 101 Abgeordnete. Herr Junge ist ordentliches Mitglied des Ältestenrates, des Haushalts- und Finanzausschusses, der Rechnungsprüfungskommission und des Zwischenausschuss sowie stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Inneres, Sport und Landesplanung.
Schätzen Sie diese Art von Artikeln? Die Transparenz? Die Analyse? Die Haltung?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und unterstützen Sie uns als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für unabhängigen, informativen, hintergründigen Journalismus. Der kostet Geld und ist ohne Geld nicht zu leisten. Wir arbeiten professionell mit hohen Standards, aber wir sind kein „Mainstream“ – sondern ehrlich, kritisch, transparent und meinungsfreudig. Hier geht es zum Förderkreis.“ Sie können auch per Paypal spenden.
Teile unseres Angebots sind gebührenpflichtig: Wenn Sie uns mit mindestens 60 Euro Jahresbeitrag (gerne mehr) unterstützen, können Sie einen Förderpass erhalten, mit dem Sie auf alle kostenpflichtigen Artikel zugreifen können. Wie das geht, steht hier.
Das Angebot für den „Förderpass“ gilt nur für private Nutzer. Gewerbliche Nutzer können einen Mediapass für 10 Euro monatlich für einen pauschalen Zugriff erwerben. Dieser ist monatlich kündbar.
Wenn Sie eine Überweisung tätigen wollen, nutzen Sie bitte auch das Förderkreis-Formular (erleichtert uns die Verwaltung). Dort können Sie einen Haken setzen, dass Sie nur überweisen wollen. Alle Förderer und Spender erhalten eine Rechnung. Sie können auch per Paypal spenden.
Den größten Teil unserer Einnahmen erzielen wir über Werbung, seit Ende September machen wir einzelne Artikel kostenpflichtig über den Dienstleister Selectyco für kleine Cent-Beträge. Insgesamt ist die Finanzierung unserer Arbeit immer noch heikel und Sie tragen durch den Kauf von Artikeln, Förderkreisbeiträge und Spenden dazu bei, unser Angebot zu ermöglichen. Danke dafür!