Ludwigshafen, 17. März 2016. (red/ms) In Ludwigshafen gewinnt die SPD alle Stimmbezirke – und verliert überall Prozentpunkte, genau wie die CDU, die in manchen Stadtteilen hinter die AfD zurückfällt. Der wiederum gelingt es, ohne Kandidaten und Gesicht, aus dem Stand mit knapp 20 Prozent ihr bestes Ergebnis in Rheinland-Pfalz zu erzielen. Großer Verlierer sind die Grünen mit teils zweistelligen Stimmverlusten. Gut für die Demokratie: Die Wahlbeteiligung ist deutlich angestiegen. Aber: Sie liegt noch immer deutlich unter dem Durchschnitt.
Von Minh Schredle
Mit 70,4 Prozent lag die Wahlbeteiligung in Rheinland-Pfalz so hoch wie seit 1996 nicht mehr. Auch in Ludwigshafen konnten deutlich mehr Menschen zum Wählen bewegt werden als noch vor fünf Jahren. Die Steigerung der Wahlbeteiligung ist mit 7,9 Prozent im Wahlkreis I (Innenstadt, Nord-Hemshof, Friesenheim, Mundenheim und Rheingönheim ) und 9,7 im Wahlkreis II (Gartenstadt, Maudach, Oggersheim, Oppau und Ruchheim) durchaus beachtlich, aber im Vergleich zum Landesschnitt noch deutlich unter dem Durchschnitt. So nutzten im Wahlkreis I nur 29.147 von 49.882 Wahlberechtigten ihre Möglichkeit, ihre Stimmen abzugeben – das entspricht gut 58 Prozent.

Wahlparty in Ludwigshafen – die ersten Hochrechnungen werden durchgegeben, die SPD feiert sich für ihr Landesergebnis. CDU und Grüne werden sehr leise. Als dann die AfD-Ergebnisse aus Ludwigshafen bekannt gegeben werden, geht ein Raunen durch die Menge.
Der Erfolg der SPD ist die Schwäche der CDU
Wie auch 2011 gehen die meisten Stimmen aus Ludwigshafen an die SPD, die beide Direktmandate verteidigt und ihren Vorsprung gegenüber der CDU noch ausbauen kann. Das ist ein Erfolg, aber sicher kein Triumph: Auf Landesebene gelang es den Sozialdemokraten im Wahlkampf-Endspurt leichte Zugewinne (0,5 Prozent) im Vergleich zu 2011 zu erzielen – in Ludwigshafen verliert die SPD in allen Stimmbezirken Landesstimmen und beide Direktkandidatinnen schneiden schlechter ab als vor fünf Jahren.
Der Erfolg der SPD ist die Schwäche der CDU – denn die verliert ebenfalls überall und zwar noch ein bisschen mehr. Größter Verlierer der Landtagswahlen sind aber auch in Ludwigshafen die Grünen – denn die müssen in einzelnen Stimmbezirken (Nord-Hemshof, Rheingönheim, Maudach und Edigheim) zweistellige Verluste hinnehmen und bleiben im Wahlkreis II unter 5 Prozent der Stimmen (4,6 Prozent). Noch im Februar wurden die Grünen auf Landesebene von verschiedenen Umfrageinstituten bei etwa 10 Prozent angesiedelt. In den letzten Wochen hat die Partei allerdings drastisch an Zustimmung verloren und es nur knapp über die fünf-Prozent-Hürde geschafft (5,3 Prozent).
Faustformel: Grüne Rheinland-Pfalz = SPD Baden-Württemberg
Worauf der massive Stimmverlust zurückzuführen ist, bleibt Gegenstand von Spekulationen. Eigentlich hat der Landtag von Rheinland-Pfalz in den vergangenen Wochen kein sonderlich heikles oder hochumstrittenes Gesetz verabschiedet, durch das die Grünen sich einen Großteil ihrer Wählerschaft verscherzt haben könnten. Die Haltung der Grünen in der Flüchtlingspolitik hat sich in den vergangenen Wochen nicht verändert. Ähnlich wie die SPD in Baden-Württemberg sind die Grünen in Rheinland-Pfalz als Juniorpartner in der Koalition der größte Verlierer – offenbar werden die meisten Regierungserfolge hier der SPD zugerechnet.
Die meisten Stimmen haben die Grünen aber offenbar im Wahlkampf-Endspurt verloren. Womöglich hängt das auch damit zusammen, dass Daniel Köbler und Eveline Lemke als grünes Spitzenduo kaum Akzente setzen konnten, weitgehend unauffällig blieben und den Grünen aus Rheinland-Pfalz damit ein Aushängeschild à la Kretschmann fehlte – zumal der Wahlkampf von CDU und SPD stark auf die Persönlichkeiten Julia Klöckner (CDU) und Malu Dreyer (SPD) zugeschnitten war. Daneben war das Profil der Parteienvertreter ein entscheidendes Kriterium für die Verteilung der Wahlkreisstimmen.
AfD: Bestes Ergebnis ohne Kandidaten
Das macht sich auch in Ludwigshafen bemerkbar. Anke Simon (SPD) und Heike Scharfenberger (SPD) gewinnen mit 40 Prozent, beziehungsweise 39,5 Prozent der Wahlkreisstimmen souverän und jeweils mit zweistelligem Vorsprung die Direktmandate.
Aber auch Kandidaten, deren Partei in Ludwigshafen vergleichsweise schwach abschneidet, können teils auffällig gute persönliche Ergebnisse vorweisen: Die Piraten kommen in Ludwigshafen nur auf etwa 1 Prozent der Landesstimmen, ihr Kandidat Roman Schmitt erhält aber 7,9 Prozent der Wahlkreisstimmen in Ludwigshafen I. Die freien Wähler stehen bei gut 2 Prozent der Landesstimmen, ihr Kandidat Hans Arndt kommt bei seiner ersten Kandidatur aus dem Stand 13,9 Prozent. Dass legt nahe, dass die Parteizugehörigkeit eine eher untergeordnete Rolle bei der Vergabe der Wahlkreisstimmen hatte.

AfD-Spitzenkandidat Uwe Junge auf einer Wahlkampfveranstaltung in Ludwigshafen – hier hatte die AfD zwar keinen Kandidaten, aber ihr bestes Ergebnis in Rheinland-Pfalz.
Bei den Landesstimmen ergibt sich hingegen ein anderes Bild, zumindest in Ludwigshafen: Denn hier erreicht die AfD aus dem Stand fast 20 Prozent und ihr bestes Ergebnis in Rheinland-Pfalz – ohne einen Kandidaten aufzustellen, ohne ein Gesicht zu haben. Das sind über sieben Prozent mehr als das Landesergebnis (12,6 Prozent). Für viele ist dieses Wahlergebnis ein Schock – aus den Reihen von SPD, CDU, Grünen und FDP habe niemand mit so vielen Stimmen für die AfD gerechnet, heißt es auf der Wahlparty im Rathaus. MdL Scharfenberger (SPD) sagt uns auf Nachfrage:
Das Ergebnis der AfD sehe ich mit sehr großer Sorge. Wir hatten hier in der Region schon immer ein gewisses rechtes Wählerpotenzial, auch schon bei den vergangenen Kommunalwahlen. Aber aktuell scheint es, als würde sich Fremdenfeindlichkeit wieder manifestieren und dagegen müssen wir klar etwas tun. Aber hierbei müssen wir die Ursachen angehen. Die AfD selbst liefert einfache Antworten auf komplexe Fragen, das wird nicht funktionieren. Sicher wird die Arbeit im Landtag schnell zeigen, dass ihre Konzepte nicht aufgehen.
Ob Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit ausreichen werden, um verlorene Wähler zurückzugewinnen, bleibt abzuwarten. Für viele Wähler könnte die Motivation hinter ihrem Abstimmungsverhalten auch eine andere gewesen sein: Der Protest. Die AfD hat sich zum Symbol für erzkonservativen Nonkonformismus stilisiert: „Die Alternative gegen die Blockparteien“ – wer unzufrieden mit der „herrschenden Ordnung“ ist, wählt am ehesten AfD. Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) ist als Wahlleiterin zur Neutralität verpflichtet – doch auch sie kann ihre Ungläubigkeit über das Abschneiden der AfD kaum verbergen. Bei der Landtagswahl hätten kaum originär landespolitische Themen wie Bildung oder Energie im Vordergrund gestanden – im Wesentlichen wären die Haltungen der Parteien zur Flüchtlingspolitik für viele Wahlentscheidungen entscheidend gewesen.
AfD: zweitstärkste Kraft in fünf Stimmbezirken
Ähnlich wie in Mannheim muss die Wahl ganz klar als Denkzettel verstanden werden: Die AfD mobilisiert ihre Wähler nämlich zu einem nicht unwesentlichen Anteil aus den Reihen ehemaliger Sozialdemokraten, wie eine Wahlanalyse von infratest dimap im Auftrag der ARD zeigt. Sie ist dort auffällig stark, wo Wirtschaft und Infrastruktur auffällig schwach sind. In den Stimmbezirken Innenstadt-Mitte (20,1 Prozent), Nord-Hemshof (19,7 Prozent), Innenstadt-West (25 Prozent), Mundenheim (22,1 Prozent), Pfingstweide (22,8 Prozent) schneidet sie zudem aus dem Stand besser ab als die CDU. 2011 lag die Union in Maudach noch gleich auf mit der SPD – heute unterliegt sie dort mit knapp vier Prozent, während beide Parteien Stimmen verloren haben.

Die meisten Wähler der AfD sind zwar ehemalige CDU-Anhänger oder Nichtwähler – ein nicht unwesentlicher Anteil kommt aber auch von der SPD und sogar der Linken. Die AfD ist vor allem dort stark, wo Abstiegsängste groß sind – Parallelen zum Mannheimer Norden sind unverkennbar. Quelle: Infratest dimap/tagesschau.de
FDP gewinnt in Ludwigshafen
Die einzige Partei, die in Ludwigshafen neben der AfD konsequent und deutlich dazu gewinnt, ist die FDP: In keinem einzigen Stimmbezirk schneidet sie schlechter ab als vor fünf Jahren. In Ludwigshafen I gewinnt sie 2,8 Prozent dazu, in Ludwigshafen II sind es 2,4 Prozent. Die Linke stürzt leicht ab und kann, ähnlich wie in Mannheim, aus den Stimmenverlusten der SPD keinerlei politischen Profit schlagen.
Damit liegt Ludwigshafen insgesamt betrachtet weitgehend im Landestrend von Rheinland-Pfalz mit zwei großen Ausnahmen, die sich gegenseitig bedingen: Die SPD kann nach Verlusten nur noch ein durchschnittliches Ergebnis in einer alten Hochburg erreichen – und die AfD erzielt ihr bestes Ergebnis in Rheinland-Pfalz.