Rhein-Neckar/Stuttgart, 17. Dezember 2013. (red/pro) Mit Gerhard Klotter (58) als Landespolizeipräsident ist erstmals in der Geschichte Baden-Württembergs ein Polizeivollzugsbeamter in diesem Amt.
Der erfahrene Polizist ist in Mannheim bestens bekannt, hier war er lange Jahre Polizeipräsident des Präsidiums. Innerhalb der Polizei gilt er als “bodenständig bei den Kollegen”, heißt, er ist nicht abgehoben, sondern kennt die Polizeiarbeit von der Pike auf und sucht den persönlichen Kontakt zu den Beamten – aber er ist sicher kein “Kumpel”.
Er gilt auch als knallharter Manager, der sich durchsetzt – auch gegen Widerstände. Die Polizeireform, die seit 2012 vorbereitet wird, startet im Januar 2014 in die operative Phase. Sehr kritisch beäugt von der Öffentlichkeit. Herr Klotter zeigt sich im Interview zufrieden mit der Umsetzung und glaubt an den Erfolg.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Klotter, Sie sind der erste Polizist im Land. Was genau ist Ihre Aufgabe?
Gerhard Klotter: Die Rolle des Polizeipräsidenten ist eine zweigeteilte: Einerseits ist man Chef der baden-württembergischen Polizei und damit in der Verantwortung wie jeder Leiter einer großen Behörde. Gleichzeitig ist er die Schnittstelle in die Abteilung des Innenministeriums und somit zur Politik. Es ist eine Transferstelle zwischen politischen Vorstellungen, Programmen, politischen Entscheidungen, deren Umsetzung in die Polizei hinein, aber auch die Bedürfnisse aus der Polizei in politische Zielsetzungen. Ziel muss sein, die Politik in die Lage zu versetzen, die Entscheidungen so zu treffen, dass sie unserer Organisation bei der Wahrnehmung unserer Aufgaben weiterhelfen.
Neue Räume, neue Teams
In zwei Wochen ist die Polizei nach der Reform neu aufgestellt. Was wird sich bei der Polizei im Alltag aus Ihrer Sicht verändern?
Klotter: Zunächst, dass die Kollegen teilweise neue Räumlichkeiten beziehen müssen und natürlich auch, dass ein Teil der Kollegen neue, anderen Aufgaben haben, beispielsweise in neu zusammengesetzten Teams. Manche der neuen Strukturen lassen sich aber erst dann realisieren, wenn wir die Räumlichkeiten dafür geschaffen haben werden.
Damit verbunden sind also auch einige bauliche Investitionen? Was für einen Rahmen hat das ungefähr?
Klotter: Wir haben die Kosten für die Reform in einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung überprüft und wir liegen bei Gesamtkosten von etwas über 300 Millionen Euro. Dem stehen Einsparungen von etwas über 200 Millionen entgegen. Denn wenn ich an einer Stelle neu baue, kann ich an der anderen Stelle ein Gebäude aufgeben. Ein Großteil dieser 300 Millionen Euro wird für Investitionen in Gebäude und Neubaumaßnahmen gesteckt. Unterm Strich rechnen wir mit 123 Millionen Euro, die wir hier aus zusätzlichen Steuergeldern investieren müssen.
Kriminalkommissariate lösen KASten ab
Vor allem die „Öffentliche Sicherheit“ ist sehr intensiv diskutiert worden, insbesondere wegen der wegfallenden Kriminalaußenstellen. Sind die Sorgen unberechtigt gewesen oder hat man sich auch an den Sorgen orientiert und diese in die Reform eingearbeitet?
Klotter: Bei den Kriminalaußenstellen (KASten) haben wir mit den Betroffenen und mit Teilen der Bevölkerung intensiv diskutiert. Vor allem kommunale Vertreter haben sich für diese Einrichtungen stark gemacht. Tatsache ist, dass wir in ganz Baden-Württemberg Gebiete haben, die nur sehr dünn oder gar nicht mit Kriminalaußenstellen bedacht waren und wir hatten Regionen, in denen diese sehr stark präsent waren. Es wird neue Kriminalkommissariate an den ehemaligen Sitzen der Kriminalpolizeidirektion geben, die die Arbeit der KASten als starke Einheiten übernehmen.
Die Reform soll die Reviere stärken. Im Schnitt kommen zwei Beamte mehr pro Revier dazu. Aber ist so eine pauschale Zuteilung sinnvoll? Immerhin haben die verschiedenen Reviere einen unterschiedlichen Bedarf.
Klotter: Die Reform soll Synergieeffekte bringen, sodass wir mehr Polizisten aus den Stäben herauslösen können und in operative Aufgaben bringen. In dem Zusammenhang gab es natürlich die Frage: Wo bringt man die Verstärkung hin? Einen großen Bedarf gibt es bei den Streifendiensten. Zwei zusätzliche Kollegen pro Revier entlastet die Kollegen. Dass wir dann noch Reviere haben, die besonders belastet sind, um die man sich kümmern muss, ist auch klar. Aber das ist auch im regulären Betrieb so. Das ist also keine Frage der Reform, sondern eine Frage, wie man den alltäglichen Betrieb reguliert. Da müssen wir halt schauen, dass wir die Kollegen nicht überlasten.
Wo Menschen sich ballen, passiert auch mehr
Wo im Land gibt es denn problematische Städte oder Quartiere?
Klotter: Man hat in allen Ballungsräumen, in allen großen Städten, in den Stadtzentren selbstverständlich eine höhere Ereignisdichte. Da konzentrieren sich einfach mehr Menschen, deshalb passiert da auch mehr.
Es gibt die Befürchtung, dass diese Aufstockung nur eine – ich zitiere – papiermäßige Zuweisung sei, weil man sich nicht vorstellen kann, dass Beamte, die davor andere Aufgaben hatten, wirklich wieder zurück auf die Straße gehen. Wie sehen Sie das?
Klotter: Wir haben angekündigt, die Reform sozial verträglich umzusetzen. Die Interessen der Kollegen werden bei den Entscheidungen, wie sie weiter eingesetzt werden, in einem gewissen Rahmen berücksichtigt. Die Kollegen konnten dafür drei Wünsche abgeben. Jetzt haben wir zunächst einmal dafür Sorge getragen, dass die freigewordenen Dienststellen den Revieren zugewiesen werden. Damit hat man die Möglichkeit, dass diese zwei Stellen besetzt werden können. Wenn jetzt Stelleninhaber jemand ist, der als erster Polizeihauptkommissar in einem Stab gearbeitet hat, dann wird er diesem Revier jetzt sicherlich nicht zur Verstärkung zugewiesen werden, um dort Streife zu fahren. Aber in den Folgeentscheidungen werden in absehbarer Zeit bei den Revieren Verstärkungen ankommen.
Man geht davon aus, dass bis 2016/17 ca. 40 – 50 Prozent der Polizisten in Ruhestand gehen.
Klotter: Wir haben bis 2020 eine große Personalfluktuation. Deshalb tragen wir ja heute schon Sorge, dass wir den Personalersatz auch bewältigen können. Das Problem dabei ist, dass wir eigentlich immer nur so viele junge Kollegen einstellen können, wie alte bei uns in den Ruhestand gehen. Wenn ich jetzt dem natürlichen Aufbau der Polizei folge, müsste ich in einem Jahr plötzlich 1.000 oder 1.200 junge Kollegen einstellen. Verbunden mit drei Risiken: Erstens, dass ich die überhaupt nicht bekomme, zweitens, dass ich sie bekomme, aber nicht in der Qualität, in der ich sie gerne hätte und drittens, dass ich sie in Zahl und Qualität bekomme, dann aber das Problem habe, sie alle gleichzeitig ausbilden zu müssen. Deshalb arbeiten wir am Einstellungskorridor. Den hat die alte Landesregierung noch eingeführt. Das heißt, wir stellen jedes Jahr mehr Kollegen ein, als wir eigentlich freie Stellen haben. So bauen wir einen Überhang auf, der erst wieder abgebaut wird, wenn wir in diesen Jahrgängen sind, in denen wir relativ große Zahlen ersetzen müssen.
Demografischer Wandel verändert Verbrechen, Opfer und Polizeiarbeit
Auch bei der Polizei wirkt der demografische Wandel. Wie?
Klotter: Zum einen wirkt er durch die große Zahl von Ruheständlern in die Polizei hinein. Ein Problem ist ja nicht nur, dass man die Kollegen personell ersetzen muss – die Kollegen nehmen ja auch ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit und die sind entscheidend für unsere Arbeit. Wir haben ein Projekt entwickelt, das sich Wissens- und Erfahrungstransfer (WET) nennt. Damit versuchen wir heute schon das Wissen der Kollegen, die später in den Ruhestand gehen, abzugreifen und möglichst direkt den Nachfolgern zu vermitteln.
Wie wird der demografische Wandel auf die Kriminalitätsentwicklung?
Klotter: Da gibt es sehr unterschiedliche Aussagen. Es gibt die Pauschalaussage: Wenn die Gesellschaft älter wird, nehmen automatisch die Verbrechen ab. Es gibt aber auch andere Aussagen, die auch durch wissenschaftliche Untersuchungen gestützt sind: Man geht davon aus, dass sich die Kriminalität einfach verändern wird. Eine älter werdende Gesellschaft ist immerhin auch eine Gesellschaft, die viel schneller zum Opfer werden kann. Kriminalität verändert sich ja auch schon heute. Ein Räuber braucht heutzutage keine Mütze mehr, um sich zu maskieren. Er braucht auch keine Gewalt mehr. Das geht mittlerweile alles über das Internet. Die Mütze wäre dann quasi die gefälschte IP-Adresse. Wie sich das alles tatsächlich entwickelt, ist schwer abzuschätzen. Sicher ist aber: Wir werden eine veränderte Kriminalität erleben und vor neue Herausforderungen gestellt werden.
Ist die Polizei auf Cybercrime vorbereitet?
Klotter: Wir haben mittlerweile auf Cybercrime reagiert. Es gibt eine spezielle Abteilung im Landeskriminalamt, die sich mit digitalen Spuren beschäftigt. In der Reform schaffen wir jetzt eine neue Kriminalinspektion, die sich dem Thema Cybercrime und digitale Beweissicherung widmet. Wir haben heute schon sehr viele Kollegen qualifiziert, damit sie eine Anzeige im Bezug auf Cyberkriminalität qualifiziert aufnehmen können. Wir haben über 400 spezialisierte Kollegen für die Anzeigenaufnahme und weitere für die informationstechnische Beweissicherung. Dann haben wir noch spezielle Ermittler für IT-Verfahren und wir führen die Laufbahn eines Cyberkriminalisten ein. Damit wollen wir junge Leute gewinnen, die ein informationstechnisches Studium haben und diese in die Polizeilaufbahn integrieren. Das wird ein wachsender Bereich sein.
Ombudsmann, Piercings und Gewalt gegen Polizisten
Von vielen Polizisten wird ein Ombudsmann gefordert, der bei Konflikten innerhalb der Polizei tätig wird. Wie sieht es damit aus?
Klotter: Das Thema Ombudsmann steht im Koalitionsvertrag. Wir werden dazu ein Konzept vorlegen und im Jahr 2014 auch auf die Wege bringen.
Was ist Ihre persönliche Meinung dazu? Sehen Sie da einen positiven Nutzen?
Klotter: Ich bin da ein bisschen zwiespältig. Ich habe nichts gegen die Idee eines Ombudsmannes, ich hätte aber lieber eine Organisation, in der man ihn nicht braucht.
Man kann ja auch mal ungewöhnliche Dinge ausprobieren. Der Mannheimer Polizeidirektor Schäfer hatte beispielsweise ein Forum nach dem Kurdenkrawall in Mannheim eingerichtet, wo sich alle ohne Ansehen der Dienstgrade auf Augenhöhe begegnen konnten. Herr Schäfer sagt, dass sei sehr positiv angenommen worden.
Klotter: Da treffen sich aber nur die, die sich da treffen wollen. Leider nicht die, die sich dort vielleicht treffen sollten. Das ist eine Idee, die man machen kann, die aber einen Ombudsmann nicht ersetzen würde.
Das Thema Gewalt gegen Beamte wird immer intensiver diskutiert, weil die Gewalt unbestritten zunimmt. Was können Sie hier machen?
Klotter: Wir haben ein Konzept entwickelt, um dem Thema zu begegnen. Das hat drei Säulen: Einmal, dass unsere Kollegen souverän mit solchen Situationen umgehen können. Dann geht es darum, die Schutzausstattung möglichst optimal zu halten und weiter um das Thema Vernetzung. So ein gesellschaftliches Problem kann die Polizei nicht allein lösen. Ein Partner für uns sind zum Beispiel die Schulen. Wenn diese in der Lage sind, den Stellenwert der Polizei zu vermitteln, kann man zukünftige Probleme eindämmen. Und wir müssen kommunizieren, dass wir konsequent einschreiten. Wir brauchen auch eine vernünftige strafrechtliche Sanktionierung.
Wie wichtig ist die Psychologie dabei?
Klotter: Sehr. Dazu gehört auch die Thematik „äußeres Erscheinungsbild“. Wir haben in einer Studie festgestellt, dass Auftreten, Kommunikation und Kleidung durchaus Wirkung auf das Verhalten des Gegenübers haben. Die Erkenntnis ist, dass ein korrektes Auftreten, eine korrekte Kleidung und eine sachgerechte Kommunikation eher Gewalt aus der Situation nimmt – im Gegensatz zu einem legeren Auftreten.
Da sind wir bei einer heißen Debatte: Piercings und Tattoos. Die zu tragen und zu zeigen, soll den Beamten verboten werden. Ein gutes Argument ist die Verletzungsgefahr – dann müssten aber auch Frauen die Ohrringe rausnehmen, weil das sonst ja gegenüber Männern diskriminierend wäre.
Klotter: Über konkrete Maßnahmen möchte ich noch nichts sagen, darüber wird zur Zeit intern noch diskutiert. Aber Sie haben durchaus Recht: Es wird keine Regelung sein, die nur Männer betrifft. Zur Umsetzung werden wir natürlich die Personalvertretungen beteiligen.
Kommunikation als zentrales Mittel
Sie waren ja bereits zwei Jahre der Referent für Öffentlichkeitsarbeit in der Abteilung 3 des Präsidiums. Wie wichtig ist aktive Kommunikation zwischen der Polizei und der Bevölkerung in der heutigen Zeit?
Klotter: Für uns ist Kommunikation das zentrale Mittel um unsere Anliegen an die Bevölkerung zu bringen und umgekehrt die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfahren. Klar ist, dass wir das Bedürfnis haben, bestimmte Einsätze, Abläufe etc. zu kommunizieren und das tun wir ja auch regelmäßig mit freundlicher Unterstützung der Medien. Wir hatten auch bereits Aktionen, bei denen wir unmittelbar auf die Bevölkerung zugehen, zum Beispiel beim Thema „Einbruchsprävention“. Die zweite Ebene der Kommunikation ist natürlich die der unmittelbaren Konfrontation bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Da spielt Kommunikation eine wesentliche Rolle, um zu guten Ergebnissen zu kommen und um befriedigte Situationen zu hinterlassen. Ein Polizeibeamter, der nicht richtig kommunizieren kann, kann auch seinem Geschäft nicht richtig nachgehen. Die dritte Ebene ist die Kommunikation bei polizeilichen Anlässen. Da geht es schlicht und einfach darum, unsere Maßnahmen transparent zu machen. Und wir versuchen über soziale Netzwerke bei gewissen Anlässen Informationen zu steuern.
Mit dem Rap-Song „AUCH NUR EIN MENSCH“ von Chri Be (Gecko), so der Aliasname des Hobbymusikers, trifft der 25jährige Polizeimeister Christian Beck aus Mannheim in die Herzen derer, die Tag für Tag ihren Kopf für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hinhalten. (Quelle: GdP)
Ist die Kommunikation über soziale Netzwerke schon landesweit umgesetzt oder sind wir hier in Nordbaden ein Testlabor?
Klotter: Wir testen unter anderem in Heidelberg und Mannheim mit guten Ergebnissen. Der Bereich ist neu, wir müssen viele rechtliche Dinge beachten, aber die Erfahrungen sind positiv.
Der Mannheimer Gewerkschafter Mohr hat mich auf den Rap „Auch nur ein Mensch“ hingewiesen. Was halten Sie von solchen Aktionen?
Klotter: Ich bin immer wieder fasziniert, über welche Talente unsere Kollegen verfügen. Klasse Idee und die richtige Botschaft: In jeder Uniform steckt ein Mensch, also nicht nur ein Funktionsträger.
Auch das Projekt in Mannheim „Streife im Quadrat“ fand ich sehr gelungen.
Klotter: Die „Streife im Quadrat“ hatte vor allem Migranten als potenzielle Bewerber im Auge. Ich glaube, dass dadurch der Zuspruch größer geworden ist. Wir brauchen Kollegen und Kolleginnen für alle Situationen des Lebens. Deshalb müssen wir so vielfältig sein wie unsere Gesellschaft das ist.
Haben Sie das Gefühl, dass sich unsere Gesellschaft verändert?
Klotter: Ich bin mir da nie sicher, ob sich die Gesellschaft oder ich mich verändert habe. Mein Eindruck ist, dass die Gesellschaft durch die Interessenvielfalt, die sich entwickelt hat, insgesamt etwas oberflächlicher lebt. Da spielt auch die Digitalisierung der Kommunikation eine gewisse Rolle. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Fähigkeit zur Kommunikation etwas abgenommen hat.
Asylbewerber und Südeuropäer sind ein politisches Problem
Ab 2014 rechnet man mit verstärktem Zuzug von Südosteuropäern nach Mannheim. Wie geht die Polizei damit um?
Klotter: Zunächst mal ist das ein kommunalpolitisches Problem. Wenn sich der Zuzug auf einzelne Kommunen konzentriert, ist es sicherlich so, dass die das allein nicht mehr tragen können. Ob die Welle tatsächlich so groß wird, weiß man nicht. Ich habe mich kürzlich mit dem Verbindungsbeamten der Rumänischen Botschaft unterhalten – der bewertet das ganz anders. Aus seiner Sicht rechnet er nicht damit, dass zum 01.01.2014 die großen Massen ausströmen. Er ist der Auffassung, dass die meisten so genannten „Armutsmigranten“ schon zu uns gekommen sind. Wenn es nicht gelingt, die rumänischen Zuwanderer zu integrieren, werden sie zwangsläufig zu unserem Problem. Mit Glück nur in Form von Ordnungsstörungen. Wenn es sich schlecht entwickelt, kann es sich zu einer Kriminalitätslage ausweiten. Aktuell ist Mannheims Hauptproblem in der Sache eine wirkungsvolle Integration.
Mit Syrien und Afghanistan haben wir eine deutlich höhere Zahl von Asylbewerbern. In Ladenburg wurden in der alten Martinsschule vorübergehend 160 Asylanten untergebracht, die jetzt nach Schwetzingen umgesetzt werden. Sinsheim hat über 400 Asylbewerber, in Weinheim werden Ende 2015 insgesamt 200 erwartet. In Sinsheim will die NPD bei der Kommunalwahl antreten. Erkennen Sie Gefahren?
“Herr Köber ist ein hervorragender Mann für die Position des Polizeipräsidenten.”
Klotter: Bis jetzt ist noch nichts auffällig. Wir haben keine polizeilichen Schwierigkeiten dadurch, dass wir deutlich mehr Flüchtlinge im Land haben als in den vergangenen Jahren. Das ist tatsächlich eher ein politisches, humanitäres Problem.
Herr Werner sollte eigentlich der neue Polizeipräsident in Mannheim werden, jetzt haben Sie ihn nach Stuttgart geholt, was in Mannheim zu Irritationen in der Öffentlichkeit geführt hat.
Klotter: Wir hatten hier einen Weggang und dadurch wurden Umbesetzungen nötig. Herr Köber, der neue Polizeipräsident in Mannheim sein wird, ist ein hervorragender Mann für diese Position.
Zur Person:
Gerhard Klotter (*Juli 1955) ist seit Oktober 2013 Landespolizeipräsident und gesamtverantwortlich für die Polizeireform, die am kommendem Jahr operativ umgesetzt wird. 1974 ging er nach dem Abitur zur Polizei, 1979 stieg er in den gehobenen Dienst auf, zehn Jahre später in den höheren Dienst. Von 1991.1992 baut er die Landespolizeischule Sachsen auf und übernahm weitere Führungsaufgaben. 1997-1998 war er Sprecher des Innenministeriums, ab 2000 Leiter der Wasserschutzpolizei Baden-Württemberg, Gesamtprojektverantwortlicher für die Modernisierung der Polizeilichen Informations- und Kommunikationssysteme, ab 2007 Polizeipräsident in Mannheim, ab 2011 Inspekteur der Polizei Baden-Württemberg. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.
Hintergrund:
Die Polizeireform wurde im Januar 2012 mit einem Konzeptpapier gestartet. 2011 war Gerhard Klotter als Inspekteur zum ersten uniformierten Polizisten im Land, zwei Jahre später Landespolizeipräsident. Sein Vorgänger Wolf Hamannn wechselte als Amtschef ins Integrationsministerium. Der ursprünglich für Mannheim als Polizeipräsident vorgesehene Detlef Werner ist nun Stellvertreter von Herrn Klotter. Herr Werner war zuvor Projektleiter zur Polizeireform Mannheim/Heidelberg. In Mannheim tauschen die bisherige Polizeipräsidentin Caren Denner (Juristin) und deren Stellvertreter, der Leitende Polizeidirektor Thomas Köber, die Rollen. Herr Köber wird Präsident, Frau Denner Stellvertreterin.
Ab Januar werden das Polizeipräsidium Mannheim und die Polizeidirektion Heidelberg zum Polizeipräsidium Mannheim verschmolzen. Heidelberg erhält eine Kriminalpolizeidirektion, Mannheim ein Kriminalkommissariat. Die Kriminalaußentstellen (KASten) – eine Besonderheit in Baden, die es sonst im Land nicht gibt – werden aufgelöst. Die Polizeireviere und -posten sind durch die Reform nicht verändert worden. Die Mannheimer Polizei erhält 24 Stellen mehr in den Revieren.
Seit Mitte März bis Ende der Sommerferien konnten die 30.000 Beamt/innen und Angestellte der Polizei in einem “Interessebekundungsverfahren” drei Wünsche zum Einsatzort äußern. 14.000 habe davon keinen Gebrauch gemacht – auch, weil die Reform beispielsweise bei den Revieren keine Auswirkungen hat. 16.000 haben ihre Wünsche geäußert, 35 Verfahren sind in der Schlichtung und ein Beamter hat geklagt. Während gewisse Medien von “frostigen Zeiten” und von einem Chaos berichten, zeigen solche Zahlen ein anderes Bild.