Mannheim, 09. Februar 2017. (red/momo) Im Prozess wegen des Verdachtes auf gemeinsamen schweren Raub wurden vorm Landgericht Mannheim gestern drei der vier Beschuldigten angehört. In der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 2016 sollen Sascha M., Sebastian F., Markus R. und Matthias K. einen schweren Raubüberfall begangen haben: Sie bedrohten zwei Angestellte, fesselten diese und plünderten mehrere Kassenautomaten der Mannheimer Parkhausbetreibsgesellschaft (MPB).
Von Moritz Bayer
Mit vorgehaltener Schreckschusswaffe sollen die Beschuldigten zwei Wachleute bedroht und gefesselt haben, der entstandene Sachschaden durch Diebstahl und den gewaltsamen Aufbruch betrug rund 80.000 Euro – davon 45.000 Euro „Raubgeld“, der Rest Sachschaden laut MPB. Grund für den Raubüberfall sollen Geldsorgen, Drogen- und Alltagsprobleme gewesen sein.
Sascha M. war 2015 bei der MPB entlassen worden und hatte über den bekannten Markus R. eine Stelle als Hilfsarbeiter bei der Installateursfirma aus Weinheim erhalten, wo auch Markus R. selbst angestellt war. Doch angesichts der immer größer werdenden Geldprobleme plante er seinen „Coup“.
Gestern wurde zuerst Sebastian F. angehört. Dieser wirkte gefasst bis unbeteiligt, als er seine Antworten gab. Während seiner Zeit als Arbeitsloser habe sich der Kontakt zu Sascha M. intensiviert.
Als er mich gefragt hat, ob ich ihm bei der Sache helfen würde, hab ich das halt getan,
sagte Sebastian F. in einem Nebensatz. Die Tat an sich bestritt er nicht, er habe aber die ganze Zeit im Auto gesessen und wäre nicht wirklich beteiligt gewesen, zudem habe er eine SMS geschrieben, dass er lieber verschwinden würde.
Sonderlich reflektiert schien er dabei nicht. Der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz wollte wissen, ob und wie viel Drogenkonsum im Spiel gewesen sei. Auf die Ellenbogen nach vorne gelehnt, entgegnet Sebastian F., dass Sascha M. drei bis viermal die Woche „Speed“ (Amphetamin) geschnupft habe.
Drogenvorwürfe von beiden Seiten
Eine Geschichte interessiert die Staatsanwaltschaft besonders: Sascha M. behauptete, dass Sebastian F. ihm 400 Gramm Speed zur Aufbewahrung gegeben hätte, was dieser verneinte. Ob er sich vorstellen könnte, woher dieser Vorwurf stammt? Nun wird Sebastian F. redseliger und sagt mit einem kleinen Lachen:
Haha, ich kann mir höchstens vorstellen, dass das an der Situation lag, wo ich seine Frau fragen wollte, wie es ihr geht. Ich habe die in Weinheim nach der Geschichte getroffen und bin auf sie zugelaufen, aber als die mich gesehen hat, hat sie gleich angefangen zu schreien. In Weinheim ging das Gerücht um, die Polizei hätte mir 500 Euro geboten, wenn ich eine belastende Aussage mache, deswegen hatte sie vielleicht Angst.
Als nächstes war Markus R. an der Reihe. Er sprach langsam und schien, Reue zu zeigen.
Dass der Herr M. so drauf ist, hätte ich nicht gedacht,
sagte Markus R.. Aber die Freundschaft schien ihm letztlich höher angesiedelt als die Bedenken vor dem Verbrechen, also hätte er geholfen.
Von Waffen sei aber nie die Rede gewesen, sonst wäre ich da niemals mit,
betonte Markus R.
Er fasste kurz die Geschehnisse der Tatnacht zusammen. Sie waren mit seinem Transporter zum Parkhaus nach Mannheim gefahren, hatten Feuertüren mit Sensoren geöffnet und dann die Angestellten überwältigt, die wegen der ausgelösten Sensoren gekommen waren. Von den Angestellten hatte Sascha M. eine Menge Schlüssel geholt, sie mit seiner und Matthias K.s Hilfe im Zentralraum gefesselt und, nachdem sie die Überwachungskameras ausgeschalten hatten, mehrere Automaten aufgebrochen.
Das erbeutete Geld hatte Sascha M. dann geteilt, dabei wäre er nicht mehr dabei gewesen, weil er nur noch ins Bett gewollt habe. Einige Tage später habe Sascha M. ihm seinen Anteil, etwa 2.400 Euro, nach Hause gebracht.
Wachmänner verhielten sich ruhig
Er habe sich über sich selbst erschrocken, als die Lage brenzlig wurde und die Wachmänner gefesselt wurden. Er sei von der Situation überfordert gewesen und habe nicht mehr genau gewusst, was zu tun sei. Als er das Verhalten der Wachmänner lobt, die ruhig und sachlich geblieben wären und ihm sogar eine Zigarette angeboten hätten, kommt Markus R. ins Stottern.
Auch wenn ich es nicht mehr rückgängig machen kann, möchte ich sagen, dass es mir von Herzen leid tut,
schließt er seine Aussage. Auf die Rückfrage der Staatsanwaltschaft nach den im Spiel gewesenen Drogen sagt er:
Meistens war es Speed, aber je nach Verfügbarkeit auch mal Kokain, Ecstasy oder MDMA. Ich hatte meine von einem netten jüngeren Bekannten, dessen Namen ich nicht sagen will.
Gar nichts von sich aus sagen will Matthias K. Er lässt seinen Anwalt eine Aussage vorlesen, deren Inhalt im Wesentlichen zwar mit der Aussage von Markus R. übereinstimmt, aber dennoch Unklarheiten offen lässt. So habe zumindest er von der ungeladenen Schreckschusswaffe gewusst. Sascha M. habe diese allerdings nur zur Verteidigung dabeihaben wollen. Die Antwort auf die Frage des Richters, wogegen er gedacht haben könnte, sich verteidigen zu müssen, bleibt Matthias K. schuldig.
Auch an die Summe des Beuteanteils kann er sich nicht mehr erinnern. Auf Nachfragen antwortet Matthias K. mit rotem Kopf. Das Ganze sei irgendwie aus dem Ruder gelaufen, Markus R. und er hätten gar nicht mehr anders gekonnt, als das durchzuziehen. Drogen seien oft im Spiel gewesen, teilweise hätten die Freunde tagelang nicht geschlafen. Am schlimmste sei hierbei Sascha M. gewesen.
Während der Tat hätten ihm die Nerven versagt, als es darum ging, die Nachtwächter zu fesseln. Dies habe dann Markus R. übernommen, der aber auch darauf geachtet hätte, dass die Hälse nicht zu eng aneinander gefesselt gewesen wären, damit sie noch Luft bekommen. Matthias K. wirkt während des Sprechens angestrengt und insgesamt leicht überfordert.
Markus R. war beliebt und geschätzt
Als Zeuge wurde gestern noch Herr F. vernommen, der Inhaber der Installateursfirma von Markus R.. Über seinen Angestellten hat er nur Positives zu sagen. Er sei stets pünktlich, zuverlässig und bei den Kunden beliebt gewesen. Herrn Sascha M. habe er auf Empfehlung von Markus R. als Hilfsarbeiter angestellt.
Auch wenn es keine Probleme mit Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gegeben habe, hätte er Sascha M. ohnehin nicht verlängert, da die Qualität der Arbeit auf Dauer nicht den Anforderungen entsprochen hätte. Persönlich könne er über seinen ehemaligen Hilfsarbeiter nicht viel sagen.
Erstaunlich ist die Erwähnung, dass Herr F. betonte, dass er Markus R. wegen des schwebenden Verfahrens habe entlassen müssen.
Ich würde ihn jederzeit wieder einstellen und schätze ihn als guten, zuverlässigen Angestellten,
betont Frühauf seine unveränderte Unterstützung.
Der ganze Fall scheint sehr verworren. Auch wenn der Tatbestand an sich relativ klar scheint, so bleibt zu klären, wer in der Durchführung was getan oder gelassen hat. Als Kopf und treibende Kraft kristallisiert sich Sascha M. heraus, aber leicht widersprüchliche Teilaussagen zu Geld, Drogen und anderen Umständen bleiben freilich zu klären.
Aus diesen Gründen und der Tatsache, dass Sascha M. weitere Straftaten wie der Diebstahl von 16 Defibrillatoren im Raum Weinheim vorgeworfen werden, sind am 20. Februar, dem 01. März, dem 23. März und dem 29. März um jeweils 09:00 Uhr weitere Verhandlungstage im Landgericht Mannheim festgesetzt.
Besonders perfide: Die Bande soll auch für den Diebstahl von 16 Defibrillatoren im Stadtgebiet Weinheim verantwortlich sein – die Geräte, die im Fall eines Schlag- oder Herzanfalls auch von Laien bedient werden können, wurden unter Federführung des Abteilungskommandanten Ralf Mittelbach überwiegend über Spenden finanziert und strategisch über die Stadt verteilt. Bislang fehlen diese Geräte für den Notfalleinsatz. Herr Mittelbach sagte auf Nachfrage: „Erstens weiß ich nicht, wohin man die Geräte verkaufen will. Die müssen regelmäßig gewartet werden und werden spätestens dann als gestohlen erkannt. Es ist erschütternd, dass solche Lebensretter einfach geklaut werden – denen ist wohl das Leben von Menschen nichts wert. Falls wir die Geräte ersetzen müssen, müssen wir über Sicherungsmaßnahmen nachdenken, was die Aufstellung teurer macht.“
Eine mögliche Befangenheit einer Richterin, die mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der MPB, Bürgermeister Lothar Quast, verheiratet ist, wurde zu Beginn des Prozesstags vom Vorsitzenden Richter verneint.