Rhein-Neckar/Ludwigshafen, 07. Februar 2015. (red) 1.000 Teilnehmer werden bei der Kundgebung “Gemeinsam gegen Salafisten” erwartet, rund 4.000 bei insgesamt sechs Gegendemos und einem Zug von Mannheim nach Ludwigshafen. Doch wer marschiert hier eigentlich mit wem und gegen wen? Das Bündnis “Mannheim gegen Rechts” meint, Nazis stoppen zu müssen. Die inkriminierten Nazis meinen, Salafisten stoppen zu müssen. Die meisten feiern ein gemeinsames “Kulturfest” – doch welche Kulturen werden gefeiert?
Von Hardy Prothmann
Wenn am Sonntag von der einen Seite “Gemeinsam stark Deutschland” (GsD) antritt und von der anderen Seite ein Kulturfest sowie weitere Demos unter dem Motto “Bunt, nicht braun”, sind die Rollen scheinbar klar verteilt. Hier die “rassistischen Nazis”, dort die “aufrechten Demokraten”.
Ist das so?
“In den Farben getrennt, in der Sache vereint” ist das Motto der Hooligans. Gewaltbereite Fußballfans, die längst nicht mehr für “ihren” Verein auf die Straße gehen, sondern gegen “Salafisten”. Die sich sogar mit verfeindeten Fans zusammenschließen, weil sie vordergründig einen gemeinsamen Gegner haben – die Salafisten.
Rechtsradikale gegen Religionsradikale
Die Salafisten, das sind die Hardcore-Islamisten. Insbesondere die Terrorgruppe “Islamischer Staat” (IS) mit seinen Greueltaten steht dafür, aber auch Saudi-Arabien – ebenfalls mit Greueltaten wie sich jeder, der sich ein wenig interessiert, am Beispiel des Bloggers Raif Badawi überzeugen konnte, verurteilt zu 1.000 Peitschenhieben und zehn Jahren Haft, weil er politische Verhältnisse in Frage gestellt hat.
Natürlich ist der neu gegründete Verein “Gemeinsam stark Deutschland” eine rechtsradikale Gruppierung. Eine Abspaltung von “Hooligans gegen Salafisten” (Hogesa), einer “Bewegung”, die erstmals im März 2014 in Mannheim als Gegendemo zu einer Salafistenkundgebung aufgetreten ist. Deswegen hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz auch aktuell entschieden, dass ein “Aufzug” durch die Innenstadt Ludwigshafen eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sein könnte und die Hooligans deshalb nur stationär demonstrieren dürfen.
Die “Salafisten” stehen für diese Rechtsradikalen als pars pro toto für Muslime. Umgekehrt stehen diese Rechtsradikalen für Gruppen wie “Mannheim gegen Rechts” als pars pro toto für “Nazis”. Und tatsächlich sind Neonazis wie NPD-Funktionäre und andere sehr bemüht, sich diese “Bewegung” zunutze zu machen und werden sich unter den Teilnehmern befinden.
Doch ist damit schon “alles klar”?
Neurechter Radikalismus
Mitnichten. “Hogesa”, “Pegida” oder jetzt “GsD” sind neue “Protestformen” des rechten Radikalismus. Ausländerängstlich bis ausländerfeindlich, teils rassistisch, teils menschenverachtend. Zudem tendenziell demokratiefeindlich und teilweise gewaltbereit – je nach Gruppe und Anlass gibt es unterschiedliche “Auftritte”. “Pegida” kommt weitgehend ohne körperliche Gewalt aus, “Hogesa” steht synonym für rechte Gewalt, was von “GsD” zu erwarten ist, wird sich zeigen.
Auf der anderen Seite stehen “aufrechte Bürger”, die “selbstverständlich” gegen diesen neuen Rechtsradikalismus demonstrieren. Nur läuft diese Bewegung der “Anständigen” in ein offenes Messer – denn jeder vernünftige Anständige müsste sofort mit ebenso viel Energie wie gegen Nazis auch gegen Salafisten auf die Straße gehen, um gegen diese extreme Form des Islam zu demonstrieren.
Religiös-motivierter Extremismus
Die “Anständigen” haben das aber bislang komplett versäumt. Man beließ und belässt es bei “Bekundungen für eine bunte Gesellschaft”. Die Botschaft “jeder ist willkommen” klingt gut, aber sie schafft mehr Probleme, als sie löst. Denn wer nicht differenziert, scheitert an der Komplexität der Wirklichkeit. Niemand mit Verstand kann und wird Salafisten willkommen heißen.
Kein “Anständiger” begrüßt ernsthaft Gewalttäter und Verbrecher. Wer aber “jeden” als “willkommen” begrüßt, meint damit eben auch die “schwarzen Schafe”. Diese Ehrlichkeit fehlt den “Anständigen”, denn im echten Leben ist das so, dass neben all den guten Menschen eben auch “böse” mitkommen. Und andere Menschen fühlen sich ob der Unehrlichkeit verschaukelt.
“Salafist” zu sein ist keine Straftat – bis jetzt noch nicht. Tatsächlich ist jeder der rund 6.000 Anhänger in Deutschland, der sich zu dieser extremen Glaubensrichtung des Islam bekennt, ein potenzieller Staatsfeind, denn unser Rechtsstaat gilt diesen Islamisten genau nichts. Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte bereits einige Salafisten-Vereine verboten – warum nicht Salafismus insgesamt? Weil wir Religionsfreiheit haben.
Wenn die “Anständigen” also nun gegen “unanständige” Rechtsradikale demonstrieren, die wiederum gegen diese potenziellen Staatsfeinde demonstrieren… genau, dann wird es kompliziert.
Das Problem sind die Fanatiker
Man kann sich über die Pegideppen aufregen und sie pauschal verurteilen – aber ist man als “Anständiger” gleichzeitig bereit, sich die Frage zu stellen, warum so viele Menschen über so viele Wochen auf die Straße gehen? Ein SPD-Chef Sigmar Gabriel stellt sich die Frage nicht, er löst sie, indem er “auf Pegida zugeht” – vulgo, darauf achtet, als Sozialdemokrat keine Stimmen an Rechtsaußen zu verlieren. Wer bei Pegida mitläuft, muss sich gefallen lassen, als Depp dazustehen, weil er gegen etwas demonstriert – die Islamisierung des Abendlands – was es nicht gibt.
Der Großteil der säkularisierten Muslime in Deutschland ist nicht “das Problem”. Ebensowenig wie säkularisierte Deutsche, ob “Zahlchristen”, praktizierende Christen, Ex-Christen oder Nie-Christen.
Das Problem sind die Fanatiker. Die Extremisten. Ob sie nun Nazis sind oder Salafisten oder Antisemiten oder wie man sie sonst einordnet.
Gewaltttätig-extremistische Kriminelle allerorten
Wenn man aus den Terrortaten von Paris etwas lernen will, dann, dass gerade mal vier Attentäter ausreichend waren, um nicht nur die “Grande Nation” Frankreich, sondern Europa und die Welt zu schockieren. (Lesen Sie hierzu: “Der IS-Terror bedroht Mannheim und Umgebung unmittelbar) Und es ging nicht nur gegen die besonders weitreichende Meinungs- und Pressefreiheit in Frankreich, sondern auch gezielt gegen Juden – die verlassen mittlerweile zu Hauf das Land.
Bei 9/11 waren es 19 Flugzeugentführer, die Terror gesät haben und Kriege ohne Ende ernten konnten oder als Begründung dafür herhalten mussten. 15 der 19 Attentäter hatten die saudi-arabische Staatsangehörigkeit.
Der Kurdenkrawall von 2012 in Mannheim ist nicht mit brutalen Terrorakten zu vergleichen. Trotzdem war er schockierend und ein Angriff auf die staatliche Ordnung. So viel Aggression und Gewalt – so exzessiv und gleichzeitig kontrolliert – hatte die Stadt noch nicht erlebt. Auch die Massenschlägerei mit scharfen Schüssen zwischen türkischstämmigen Familien im Jungbusch ist schockierend.
Tatsache ist auch, dass im Fall des Kurdenkrawalls mit fast 80 verletzten Polizisten die Erfolge der Justiz zur Aburteilung eher bescheiden sind und im Fall der Zeugenbefragung zur Massenschlägerei ein Richter tobt, weil er fassungslos ist, was ihm vor Gericht an Respektlosigkeit geboten wird.
Hohes Erregungspotenzial – aber kaum Differenzierung
Angriffe auf “Muslime” pushen das Erregungspotenzial sofort in Richtung “rechte” Übergriffe. Es wird hochgradig sensibel von Seiten der Behörden reagiert – insbesondere in Zeiten, in denen sich Behörden für “Ermittlungspannen” in Sachen “Nationalsozialistischer Untergrund” (NSU) schämen müssen.
Was, wenn aber Muslime die Angreifer sind? Im niedersächsischen Celle gingen im Oktober 2014 tschetschenische Muslime auf irakische Jesiden los. Kein Mensch ruft dann Nazi.
Dass im Fall der Massenschlägerei im Jungbusch große türkischstämmige Familien-Clans der Überzeugung sind, man könne Streitigkeiten auf die “eigene Art und Weise” lösen, zeigt ebenso eine Verachtung unseres Rechtssystems. Wie auch die “Abrechung” vor der H4-Wache oder tödliche Schüsse in Frankfurt vor Gericht, als ein Afghane zwei andere aus Rache tötet.
Dass im Fall des “Kurdenkrawalls” eine massive Missachtung deutscher Rechtsstaatlichkeit der Grund für die Eskalation war, wird insbesondere von Kurden und großen Teilen von Die Linke übersehen – auch die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK ist “links” ausgerichtet. Das war ein provozierter Angriff. Nicht durch Polizisten, die einem 12-jährigen Jungen eine verbotene Fahne abnehmen wollten, sondern durch die, die dem Jungen die Fahne in die Hand gedrückt haben, um das Eingreifen der Polizei zu provozieren.
Viele Muslime sind Antisemiten – auch auch Nazis?
Wenn Tausende Menschen türkischer, kurdischer, arabischer Herkunft in Mannheim für “Free Gaza” demonstrieren und die Polizei nicht eingreift, obwohl klar antisemitische Transparente gezeigt werden, weil sie eine Eskalation vermeiden will, hat man ein weiteres Beispiel, was unter “Islamisierung” verstanden werden kann: Wenn man einem antisemitischen Islam diese Fläche gibt, breitet er sich auch politisch aus – hat das unter Umständen sehr negative Folgen, weil “Gewöhnungen” eintreten.
Kein Mensch ruft “Nazis” – obwohl die antisemitische Basis klar erkennbar ist. Ganz im Gegenteil – die Antifa läuft da sogar mit. Denn linke Gruppen sind sehr anfällig für Antisemitismus auf Basis des Antikapitalismus.
Wo bleibt die Empörung der “Anständigen” gegen Salafisten?
Was wäre “schlecht” daran gewesen, wenn in Mannheim am 17. Januar 2015 insgesamt gut 12.000 Menschen gemeinsam “gegen Salafismus” demonstriert hätten? Wollen “Anständige” den Salafismus tolerieren? Hätte sich nur ein Teilnehmer verdächtig gemacht, ein Rassist zu sein? Im Leben nicht.
Und warum fällt es demokratischen Kräften so schwer, sich klipp und klar von linksradikalen Gruppen abzugrenzen? Ob bei “Mannheim sagt Ja” oder jetzt in Ludwigshafen beim Aufruf des “Netzwerks gegen rechte Gewalt” – beide Gruppen akzeptieren kurdische Vereine wie beispielsweise CIK, die klar der immer noch als “terroristisch” eingestuften PKK zuzurechnen sind.
Wenn aber eigentlich verfeindete Fußball-Schläger zusammenkommen, um gegen eine radikal-islamistische Gruppierung zu demonstrieren, ruft das Bündnis “Mannheim gegen Rechts” zur Demo “Nazis stoppen” auf. Sind Salafisten-Gegner also automatisch Nazis? Beispielsweise der Bundesinnenminister?
Weil sich “Anständige” nicht aufraffen können, gegen islamistische Extremisten aufzutreten, die weltweit für die fürchterlichsten Greueltaten stehen, teils staatlich “legitimiert”, weil sie dann ja “falsch verstanden” werden könnten, überlassen sie das Feld – genau, radikalen Kräften wie GsD.
Die Demos zu “Charlie Hebdo” sind ein gutes Beispiel dafür. Wofür wurde nochmal demonstriert? Für die Meinungs- und Pressefreiheit, für die Freiheit der “Kunst”. Für die freie Gesellschaft. Und für demokratische Gemeinschaften.
Aber zu wenig eindeutig gegen salafistischen Terror, gegen islamistische Terroristen, gegen Rechtsextremisten und andere Extremisten, die effektiv in kleiner Zahl fähig sind, brutalstmögliche Schocks auszulösen. Ob als NSU in Deutschland, als Terrorgruppe in Paris, London, Madrid oder als vermeintlicher Einzeltäter in Norwegen. Ob als Terrormiliz “IS” in der Levante oder Boko Haram in Nigeria oder als Staat wie Saudi-Arabien.
Selbstjustizielle Gewalt ist immer kriminell
Wenn “GsD” ihre Kritik an Salafisten mit Gewalt auf die Straße bringen und linke Gruppen mit Gewalt dagegenhalten, muss klar sein: Alle, die denken, sie könnten “ihre Ziele” mit selbstjustizieller Gewalt erreichen, sind politisch motivierte Kriminelle.
Ziele und Strukturen von Rechtsradikalen, Linksradikalen, Religionsradikalen oder Systemradikalen sind sehr unterschiedlich – man muss sie differenziert betrachten. Doch ganz gleich, ob vermeintlich links, rechts, religiös oder sonstwie “motiviert”. Gewalttäter sind und bleiben Gewalttäter.