Dresden/Mannheim, 11. Februar 2015 (red/cb) Vor der „Pegida“-Demonstration am vergangenen Montag breitete der Mannheimer Künstler Kurt Fleckenstein 175+1 Gebetsteppiche vor der Frauenkirche in Dresden aus. Die Reaktion der Medien und insbesondere der „Pegida“-Anhänger waren verheerend. Hassmails, ein Shitstorm auf der „Pegida“-Homepage, bösartige Kommentare und sogar Anrufe musste der Künstler in Kauf nehmen. Damit hatte der Herr Fleckenstein nicht gerechnet.
Von Carolin Beez
Der Mannheimer Künstler Kurt Fleckenstein (65) betrachte die islamkritische „Pegida“-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung Deutschlands) schon seit einiger Zeit mit großen Missfallen:
Die Bewegung verbreitet ein negatives Klima und schafft so Platz für Fremdenfeindlichkeit,
sagt er dazu. Aus diesem Grund habe er vor zwei Wochen begonnen sich zu überlegen, was man als Protestaktion in die Wege leiten könnte. Er habe besonders darauf achten müssen, dass die Aktion schnell geht, im öffentlichen Raum platziert ist und ohne Genehmigung stattfinden kann, denn der Ort für die Kundgabe der „Pegida“-Demo – der Platz vor der Frauenkirche in Dresden – wurde erst drei Tage zuvor von „Pegida“ bekannt gegeben.
Der Künstler musste schnell und kurzfristig handeln. Am Montagmorgen begann er mit seinem fünfköpfigen Team schon bei Sonnenaufgang mit der Platzierung von 175 muslimischen Gebetsteppichen – symmetrisch in einem Quadrat angeordnet, Blickrichtung nach Mekka. Auf einem weiteren stand: „Ich glaube an Gott.“ Viele Passanten seien von der Aktion begeistert gewesen.
Einfache Straßenkunst gegen Kleingeister
Die Dresdner Installation sollte ein Zeichen für Offenheit und Toleranz darstellen:
Die „Pegida“-Organisation hätte hier Größe zeigen können, wenn sie die Teppiche als andere Meinung angesehen und respektiert hätte – doch das war nicht der Fall.
Die Provokation der feinen Ironie ist ein Markenzeichen von Herrn Fleckenstein – er will die Menschen zum Nachdenken bringen. Doch: Es gab viele abfällige Bemerkungen. Einer habe gesagt, er wolle sich nach der Demo die Schuhe auf den Teppichen abputzen oder sie als Hundewiese missbrauchen. Bis 16:00 Uhr blieben die Teppiche vor der Frauenkirche liegen, dann gab es Probleme.
Wir hatten schon viel früher mit der Polizei gerechnet,
sagt Kurt Fleckenstein, denn eine Genehmigung für diese Aktion hatte er nicht. Er habe auf einer Rechtsgrundlage und im Sinne der allgemeinen Kunstfreiheit gehandelt, die es ihm gestattet, Straßenkunst im öffentlichen Raum zu betreiben, sagt der Künstler. Noch vor dem Beginn der Demo um 16:30 Uhr wurden alle Gebetsteppiche von der Stadtreinigung eingesammelt und abtransportiert.
Nachvollziehbar aber ungerechtfertigt
Er habe sich im Vorfeld viele mögliche Reaktionen auf seine Aktion ausgemalt. Die Abräummaßnahme sei eine dieser Optionen gewesen – für ihn eine ungerechtfertigte, wenn auch nachvollziehbare Reaktion der Stadt. Vermutlich hat man Angst gehabt, dass die Teilnehmer der Demonstration die Kunstaktion falsch aufnehmen würden und wollte keine Ausschreitungen oder Zerstörungen riskieren.
Allerdings habe sich die Stadt bis jetzt nicht mit dem Künstler in Verbindung gesetzt, trotz vorhandener Kontaktdaten. Stattdessen lagere die Stadt die Teppiche irgendwo in einem Keller oder Hinterhof, sagt Kurt Fleckenstein.
Erfolg durch hohe Aufmerksamkeit
Ein Erfolg sieht der Künstler in der Aktion trotzdem. Man habe hier einen Punkt getroffen, bei dem die Menschen schnell gereizt reagieren, sagt er.
Seit Montagabend bekam Kurt Fleckenstein über zehn Anrufe auf sein privates Telefon und mehr als 20 E-Mails von Menschen, die sich negativ über seine Aktion äußerten. Auf der „Pegida“-Homepage sei ein regelrechter Shitstorm entfacht worden, mit mehr als 200 abfälligen Kommentaren.
Kleiner Nachtrag zu gestern, da von Linker Seite behauptet wurde, PEGIDA hätte rechtswidrig die Teppiche auf dem Neumarkt entsorgt! (Übrigens, unsere muslimischen Bekannten haben die Aktion des „Künstlers“ nicht gerade begrüßt, da es eine Entweihung der Teppiche war, diese im Freien auf die Erde zu legen und noch dazu nicht gen Mekka ausgerichtet! Ein geltungsbedürftiger Spinner halt) Wir bedanken uns bei der Stadtreinigung für die erstklassige Arbeit. Übrigens, versucht doch mal, in einem muslimischen Land 176 Kreuze vor einer Moschee aufzustellen!
Mit den überwiegend aggressiven Reaktionen hatte Kurt Fleckenstein nicht gerechnet.
Als Künstler muss ich damit leben, dass es Menschen gibt, die meine Arbeit nicht mögen, aber hier geht es um etwas Anderes,
sagt er. Die Kunstaktion habe in seinen Augen einen Gegenpol zur Demonstration dargestellt – zwar mit einem symbolischen Charakter, aber ohne einen großen Aufschrei. Und diese Ruhe habe eine Spannung zu der fast schon aggressiven Stimmung der Proteste von „Pegida“ dargestellt.
Was folgt?
Eine Klage gegen die Stadt wird der Künstler nach eigener Aussage nicht einreichen. Ihm wäre es aber lieb, wenn er die Gebetsteppiche zurück bekäme und damit im besten Fall eine Ausstellung kreieren könnte, in der man die Gebetsteppiche den „Hasskommentaren“ gegenüberstellt:
Ich glaube das wäre eine gute Lösung, wie das ausgehen könnte.
Service:
Hier ein Video bei stern.de dazu.