Rhein-Neckar/Stuttgart, 05. Juli 2016. (red/pro) Heute hat sich die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag gespalten. Der bisherige Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Jörg Meuthen sowie 12 weitere AfD-Abgeordnete verlassen die Fraktion, die bislang 23 Mitglieder hatte. Die Spaltung war durch einen Konflikt um antisemitische Äußerungen des Abgeordneten Dr. Wolfgang Gedeon entbrannt. Dieser sollte nach dem Willen von Herrn Meuthen aus der Fraktion ausgeschlossen werden, dafür erreichte er aber nicht die nötige Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen, also 16 Abgeordnete.
Kommentar: Hardy Prothmann
Zum Ende der Pressekonferenz heute um 16 Uhr sagte der zurückgetretene Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Jörg Meuthen:
Wir machen das richtig und gehen unseren Weg. Für Antisemitismus ist in der AfD kein Platz.
Das mag er aktuell so sehen, doch das ist falsch. Insgesamt zehn Abgeordnete teilen seine Sicht nicht, sondern akzeptieren oder teilen die antisemitischen Äußerungen des Abgeordneten Dr. Wolfgang Gedeon.
Zuvor hatte Herr Meuthen erklärt, dass ein Ausschluss des AfD-Abgeordneten Dr. Wolfgang Gedeon wegen dessen antisemitischer Äußerungen nicht gelungen sei. Es habe zwar eine Mehrheit gegeben, aber nicht die notwendige Zweidrittel-Mehrheit.
Mit der Spaltung der AfD-Fraktion kommen viele Fragen auf – beispielsweise, wer sich denn künftig AfD-Fraktion nennen darf. Die Restfraktion aus 10 Abgeordneten oder die größere aus 13 Abgeordneten, die aber die ursprüngliche Fraktion verlassen hat.
Viele offene Fragen
Rechtlich gesehen müsste die alte Fraktion ihren Status beibehalten können. Werden die 13 ausgetretenen Abgeordneten eine neue Fraktion bilden? Dann wären sie die viertstärkste Fraktion und den Platz mit der SPD tauschen, die mit 19 Abgeordneten zur drittstärksten Gruppierung würde.
Welche Auswirkungen hat die Spaltung auf Ausschüsse und andere Gremien, die nach Fraktionsgröße besetzt werden? Müssen die Mitglieder neu bestimmt werden? Diese und weitere Fragen an die Landtagsverwaltung wurden noch nicht beantwortet.
Die Bundes-AfD ließ verlauten, nur die Gruppe um Meuthen werde als AfD-Fraktion anerkannt. Dabei ist das noch keine Fraktion – die muss sich erst gründen. Spannend ist die Frage, was mit der alten Fraktion sein soll? Schließlich wurden diese Abgeordneten als AfD-Mitglieder gewählt. Per ordre de mufti aus Berlin kann man nicht entscheiden, dass diese plötzlich nicht mehr zu AfD gehören.
Bleibt Herr Meuthen Landes- und Bundesvorsitzender? Wie geht die Südwest-AfD mit der Situation um? Muss auch hier neu gewählt werden? Was macht die Partei mit den neun Abgeordneten, die sich nicht hinter Herrn Meuthen gestellt haben und akzeptieren, dass der Abgeordnete Dr. Wolfgang Gedeon sich klar antisemitisch positioniert? Der will kein Antisemit sein, nennt sich selbst aber wohl ein Antizionisten. Übersetzt: Er bestreitet das Existenzrecht Israels.
Mit diesen zehn Abgeordneten hat die AfD klipp und klar eine Gruppe, die antisemitische Haltungen stützt. Damit ist ein Rätselraten um die Frage, ob Teile der AfD nicht nur rechtskonservativ und rechtspopulistisch sind, sondern rechtsradikal, klar entschieden. Die AfD hat im Südwesten ein massives rechtsradikales Problem, wenn zehn Abgeordnete solche Positionen haben oder akzeptieren.
Darf man Herrn Meuthen und den anderen zwölf Abgeordneten keinen Respekt zollen?
Man darf gespannt sein, wie andere Medien den Schritt von Herrn Meuthen und zwölf weiteren Abgeordneten bewerten. Erste Reaktionen sind negativ. Warum eigentlich? Herr Meuthen hat sich klar positioniert, mit der Ankündigung seines Rücktritts als Fraktionsvorsitzender nicht getäuscht, sondern diese umgesetzt.
Viele behaupten jetzt, Herr Meuthen sei gescheitert. Stimmt das? Oder ist das Gegenteil richtig?
Darf man nicht anerkennen, dass sich Herr Meuthen klar gegen Antisemitismus positioniert und Wort hält? Darf man ihn nicht für seine klare Haltung loben? Darf man das nicht, weil er AfD-Mitglied ist? Warum eigentlich nicht?
Seit ich mit Herrn Meuthen zu tun habe, habe ich ihn als ehrlich und verlässlich erlebt. Der Vater von fünf Kindern ist ein stockkonservativer Mann, der aus seinen Positionen keinen Hehl macht. Seine Positionen braucht man nicht teilen, aber es gibt keinen Grund, sie zu verteufeln. Herr Meuthen hat wie jeder andere auch das Recht auf seine eigene Meinung und seine eigene Haltung – die macht er transparent und zeigt sich in seinem Handeln konsequent. Nicht gerade Eigenschaften, die viele Politiker aufweisen. Der Volkswirt ist ein kluger und gebildeter Mann, sein Lebenslauf ist tadellos.
Strategische Fehler
Wer die AfD ablehnt, sieht den Anfang des möglichen Endes der rechtskonservativen Partei, die in Teilen zum Rechtspopulismus neigt und in weiteren Teilen auch zum Rechtsradikalen. Das Ende der AfD kann, muss aber nicht so kommen. Sie ist aus der letzten Krise im Sommer 2015 stärker denn je hervorgegangen.
Strategisch machen die anderen Parteien einen eklatanten Fehler, wenn sie einen demokratischen AfD-Vertreter mit großem Einfluss massiv bekämpfen. Sie schwächen damit den vernünftigen Teil dieser Partei und stärken den rechtsradikalen. Ob das der Gesellschaft dienlich ist, wage ich zu bezweifeln.
Wer glauben machen will, durch die Spaltung erledige sich das Problem AfD, täuscht die Menschen.
Selbst wenn die AfD sich weiter selbst beschädigt, bleiben deren Abgeordnete für die nächsten Jahre in ihren Ämtern und können versuchen, die Partei zu stabilisieren. Wenn am Ende eine kleinere, aber klar rechtsradikale AfD sich etablieren könnte, würden die schlimmsten Befürchtungen eintreffen. Und daran hätten die etablierten Parteien mitgewirkt. Mal schauen, ob diese Erkenntnis zum ein oder anderen durchdringt.
Die “Gegenspielerin” Dr. Frau Petry, die im kommenden Jahr Spitzenkandidatin der AfD bei der Bundestagswahl werden will, ist übrigens durch Herrn Prof. Meuthen in eine schwierige Lage gebracht worden – stützt sie ihn nicht, stützt sie die Rechtsradikalen in der Partei.