Rhein-Neckar/Schwetzingen, 05. November 2012. (red/aw/pro) Vier Jahre sind seit der Wahl von Dr. René Pöltl vergangen. Was der Schwetzinger Oberbürgermeister seitdem erlebt und erreicht hat, bilanziert er am Dienstag, den 06. November um 19:30 im Palais Hirsch. Dr. Pöltl lädt alle interessierten Bürgerinnen und Bürger herzlich ein an seiner ganz persönlichen Halbzeitbilanz teilzunehmen. Wir haben ihn bereits im Vorfeld getroffen und ihn zu seinen politischen sowie persönlichen Erlebnissen befragt. Im Exklusivinterview redet Dr. Pöltl erstaunlich offen über “Leidenschaften”: Zwischen Heavy Metal, Glaube, Familie und Amtsgeschäften.
Interview: Alexandra Weichbrodt, Hardy Prothmann
Herr Dr. Pöltl, blicken Sie doch nochmal zurück. Schwetzingen 2008. Der damalige OB Bernd Kappenstein hatte Sie 2006 als Bürgermeister geholt, dann verlor er gegen Bernhard Junker knapp die Wahl, der tritt nach einem Jahr zurück. War das Ihre Chance?
Dr. René Pöltl: Ehrlich gesagt war das gar nicht Teil meiner Lebensplanung. Der damalige Oberbürgermeister Bernd Kappenstein brauchte einen Juristen und wollte jemanden, der parteilos ist. Das habe ich erfüllt und so wurde ich als Bürgermeister von Schwetzingen zweiter Mann. Im Dezember stand dann die Wiederwahl des Oberbürgermeisters an, davon gingen zumindest alle aus. Kurz vor der Wahl jedoch brachte plötzlich das Schwetzinger Wählerforum einen Gegenkandidaten hervor: Bernhard Junker. Er war Fraktionsvorsitzender dieser freien Wählergemeinschaft und ich glaube, ihm ging es nicht wirklich darum Oberbürgermeister zu werden. Er wollte vielmehr deutlich machen, dass es in der Stadt auch ein anderes Meinungsspektrum gibt. Aber am Ende gewann er die Wahl mit 57 Stimmen und nahm das Amt an.
2008 waren unruhige Zeiten
Herr Junker ist aus Versehen gewählt worden?
Pöltl: Nein, durch eine Mehrheit. Wir haben dann ein Jahr lang gut zusammen gearbeitet. Richtig ist, dass er sich nach nur einem Jahr entschieden hat nicht weiterzumachen – wegen gesundheitlicher Probleme.
Was schreibt das Protokoll in so einem Fall vor?
Pöltl: Die Gemeindeverordnung sieht vor, dass innerhalb von einem Vierteljahr neu gewählt werden muss. Ich hatte die Wahlleitung und habe damals kommissarisch das Amt übernommen. Aber die Situation in Schwetzingen war in der Tat schwierig. Bereits nach der Wahl im Dezember 2006. Es ist ja im Prinzip folgendes passiert: Ein Amtsinhaber wurde nicht wiedergewählt, sehr überraschend. Der Nachfolger ist nach der “Orientierungsphase” wieder weg. Dieser Wechsel und die vielen Diskussionen haben die Stadtgesellschaft verunsichert. Die Menschen haben sich nach Kontinuität und Ruhe gesehnt. Und da kam ich dann ins Spiel.
Als zweiter Mann kannten Sie das Amt.
Pöltl: Ja, auch wenn man das Amt des Bürgermeisters nicht mit dem des Oberbürgermeisters vergleichen kann. Ich hab mich damals gut gefühlt als zweiter Mann. Das war für mich vollkommen in Ordnung und für mich war klar: Ich mach das jetzt acht Jahre und dann schau ich mal. Meine Kinder waren damals auch noch relativ klein, die sind heute 11 und 8, da war das Oberbürgermeisteramt wirklich nicht Teil meiner Planung. Aber dann ist die Situation über mir hereingebrochen. Es wurden Gespräche geführt und die Unterstützung in der Stadt zeigte sich als sehr groß. Es gab einen relativ breiten politischen Konsens in den Stadtparteien, so dass auch diese gesagt haben: Mensch, der Pöltl hat das bisher gut gemacht. Wir können uns vorstellen unsere parteipolitischen Interessen so einzubringen, dass wir ihn unterstützen. Und dann wurde ich ja relativ deutlich gewählt.
“Relativ deutlich” waren 90,67 Prozent aller Stimmen, allerdings war die Wahlbeteiligung sehr gering.
Pöltl: Ja, die war nicht gut. Aber das war natürlich der Situation geschuldet. Die Leute waren frustriert. Ich glaube, das ist allerdings immer schwer einzuschätzen, dass auch viele damals gedacht haben, der macht das schon gut. Und dann drängen sich nicht die Massen zur Wahlurne. Ich war die einfache Lösung und das war für die Menschen in Ordnung. Wahlkampf habe ich trotzdem gemacht – Plakate, Flyer, Infostände – ich habe meine Wahl nicht als selbstverständlich gesehen. Es war mir wichtig, dass ich nicht nur für mich werbe, sondern auch mit den Leuten ins Gespräch komme und höre, was sie von mir erwarten.
Drei große Wahlthemen
Ihr Wahlkampf hatte damals drei große Themenbereiche. Einer davon war „Schwetzingen für alle Generationen“. Was haben Sie in vier Jahren hier erreicht?
Pöltl: Meine Idee ist die einer Generationenstadt, also einer Stadt, die tatsächlich praktisch für alle Menschen da ist. Damit meinte ich nicht nur Jung und Alt. Sondern auch Arm und Reich, Frau und Mann, mit Migration und ohne. Ich wollte eine Stadt, die alle anspricht, in der sich jeder wohl fühlt. Das war das bisher maßgebende Themenfeld der letzten vier Jahre. Ein großes Projekt davon ist das Generationenbüro. Ich wollte das bisherige Seniorenbüro in eine Anlaufstelle umwandeln, zu der alle Menschen mit ihren Anliegen hingehen können. Das Generationenbüro ist nicht das Bürgeramt, wo man seinen Pass abholt und es ist auch nicht im Rathaus. Es ist am Schlossplatz, in einem normalen Wohnhaus. Egal, ob die Bürgerinnen und Bürger ein Rentenproblem oder ein Betreuungsproblem haben, dort können sie sich hinwenden. Es ist auch egal, ob die Stadt Schwetzingen dafür zuständig ist. Wenn wir es nicht sind, dann greifen wir zum Hörer und vermitteln den richtigen Ansprechpartner.
Wie wird dieses Angebot von der Schwetzinger Bürgerschaft angenommen?
Pöltl: Das Generationenbüro ist ein großartiger Erfolg. Wir haben auch eine Generationenbroschüre dazu gemacht: Von der Geburt bis zum Tod. Mit 100 Lebenslagen, weil all diese Themen die Menschen bewegen. Alle Mitarbeiter sind unglaublich motiviert und planen ein Projekt nach dem anderen. Sie gehen auch zu den Leuten nach Hause, wenn es erforderlich ist. Der Sachgebietsleiter ist auch für Schulen und Kindergärten zuständig. Ein Jugendbüro ist dort ebenfalls angesiedelt. Wir versuchen also all diese Themenfelder der verschiedenen Generationen zu bündeln. Mittlerweile ist das so die zentrale Netzwerkstelle in der Stadt. Ein gigantisches Erfolgsmodell. Wir haben hier tolle Dinge auf den Weg gebracht in den letzten vier Jahren. Besonders auch beim Thema Kinderbetreuung. Als ich 2006 im Rathaus angefangen habe, hatten wir eine einzige Krippengruppe mit zehn Plätzen. Inzwischen haben wir mächtig gebaut und haben jetzt eine Quote von 40 Prozent.
Wird diese Quote reichen?
Pöltl: Wir glauben, dass sie reichen könnte. Wir müssen natürlich aufpassen. So eine Krippengruppe ist ja auch immer eine große Investition und wenn wir da jetzt ein Überangebot schaffen, dann haben wir eine riesige Kostenstruktur. Wir könnten aber noch nachlegen, sollte das geschaffte Angebot nicht reichen. Aber wir wissen ja nicht wie in drei Jahren die Kinderentwicklung ist. Sollten wir dann weniger Kinder zwischen drei und sechs Jahren haben, können wir die Gruppen umwandeln. Wir sind also vorbereitet.
Wenn man sich die Bevölkerungszahlen anschaut, ist Schwetzingen bis 2005 gewachsen und seitdem ist die Entwicklung leicht rückläufig. Beunruhigt Sie das, sehen Sie hier ein Problem für die Stadt?
Pöltl: Der Wohnungsmarkt in Schwetzingen ist sehr angespannt. Schwetzingen ist sehr beliebt und wir können die hohe Nachfrage nicht befriedigen. Es ist deswegen ein Problem, weil wir ja sehr eng zusammengewachsen sind mit Plankstadt und Oftersheim. Beide sind eigenständige Gemeinden. Direkt neben Schwetzingen gibt es zum Beispiel das Neubaugebiet Oftersheim-Nordwest. Deswegen sind in den letzten Jahren viele aus Schwetzingen weggezogen – in die Nachbargemeinden. Sie nutzen nach wie vor die Infrastruktur von Schwetzingen, was sehr gut ist, deswegen haben wir noch eine – aber es sind offiziell nicht mehr unsere Bürger. Wir haben so um die 1.000 Einwohner verloren, was heißt, dass uns rund eine Million Euro an Zuschüssen fehlt und das ist natürlich auf lange Sicht ein Problem. Allerdings haben wir auch hier viel gemacht in den letzten Jahren. Ein Gemarkungstausch zum Jahr 2016 mit Plankstadt zum Beispiel. Und auch die Konversionsflächen werden hier in Zukunft neuen Raum und damit Entwicklungsmöglichkeiten schaffen.
„Ich muss nicht alles um jeden Preis machen.“
Stichwort 2016: Dann ist Ihre erste Amtszeit zu Ende. Stehen Sie für eine zweite zur Verfügung?
Pöltl: Das ist für mich offen. Also nicht, weil ich abgeneigt bin, sondern weil ich einfach sage: Ich weiß nicht was in drei, vier Jahren ist. Mit mir, mit meinem Leben, mit meiner Stimmung oder der Stimmung in der Stadt. Ich muss nicht immer alles um jeden Preis machen und auch nicht für den Rest meines Lebens. So wie es heute ist, ist es nicht ausgeschlossen. Aber ich weiß es wirklich nicht. Ich würde sagen, wenn es soweit ist, gehe ich mal mit mir selbst und der Familie ins Gespräch und schaue wie es die Schwetzinger Bürgerinnen und Bürger sehen. Aber noch plane ich die zweite Amtszeit nicht. Ich denke im Moment nur an die aktuelle. Deswegen auch diese Halbzeitbilanz, für diese Periode bin ich gewählt.
Wie hat sich Ihr Leben verändert, seitdem Sie Oberbürgermeister sind?
Pöltl: Das Privatleben, Familie und Freundeskreis bleiben weitgehend auf der Strecke. Klar, weiß man immer vorher, worauf man sich einlässt – theoretisch. Aber es gibt ja immer einen großen Unterschied zwischen dem, was man theoretisch weiß und dem, wie es sich anfühlt. Ich hab der Familie versprochen, wenn ich irgendwie kann, halt ich den Sonntag frei. Aber das ist fast unmöglich. Unter der Woche bin ich, wenn ich Glück hab, einen Abend zuhause. Meine Frau und ich kriegen das hin. Aber richtig schön ist es nicht. Wir leiden da schon alle drunter. Mir tut es dann auch leid, wenn ich weiß, ich kann mich jetzt nicht kümmern und bekomme viele Sachen nur per SMS oder am Telefon mit. Das ist manchmal schon hart. Aber wir haben uns da ganz gut eingefunden und in den Ferien sind wir konsequent. Die gehören der Familie, da sind die Kinder zuhause. Diesen Freiraum schaff ich mir. Selbst das hat inzwischen seine Grenzen. Dank Blackberry und Co. sind sie ja immer und überall erreichbar. Es würde ja auch keiner mehr Verständnis haben, wenn was passiert und ich wäre nicht erreichbar. Aber gut, so ist es halt. Das gehört dazu.
Wie gestalten Sie die wenigen freien Minuten neben Job und Familie?
Pöltl: Ich lese gern. Das schaff ich oft abends. Alles andere ist sehr reduziert. Musik ist noch eine große Leidenschaft von mir.
Sieht man – hier in Ihrem Büro steht ein Klavier. Als Dekoration?
Pöltl: Nein, das habe ich mitgebracht. Ich spiele Klavier und E-Gitarre. Klavier gerne mal zwischendurch “zum Kopf frei kriegen”. Allerdings viel weniger als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hab einfach zu viel zu tun.
„Meine Wurzeln liegen beim Heavy Metall.“
E-Gitarre heißt eher nicht klassisch, sondern…?
Pöltl: Rock und Pop. Aber meine Wurzeln liegen eigentlich beim Heavy Metall.
Sie haben früher lange Haare gehabt?
Pöltl: Klar, ich war ja auch mal jung. Aber heute spiele ich eher Rock und Pop. Gerne auch mal mit anderen zusammen, wenn ich kann. Ich kann leider nicht viel üben. Aber ab und zu darf ich mal bei der Freddy Wonder Combo mitspielen oder ich hab auch schon was mit Claus Eisenmann gemacht. Wir haben auch eine Jazz-Initiative, da bin ich manchmal Gitarrist. Drei bis vier Mal schaff ich es im Jahr, öfter leider nicht. Aber auch dann gab es schon Leserbriefe a lá „Der soll was schaffen und nicht Gitarre spielen“.
Stört Sie das?
Pöltl: Da habe ich für mich die Grenze definiert. Wenn ich mich total verändern muss, nicht mehr ich selbst sein kann, dann möchte ich das nicht mehr machen. Ein Job und so ein Amt verändern immer. Aber im Grunde bin ich immer noch der, der ich war. Sollte das den Leuten nicht passen, dann ist das halt so. Das muss ich akzeptieren.
René Pöltl wurde 1967 in Heidelberg geboren. Er machte 1986 auf dem Kurfürst-Friedrich-Gymnasium sein Abitur und leistete anschließend den Grundwehrdienst. Bis 1991 studierter er an der Universität Heidelberg Rechtswissenschaften. Er war unter anderem Justitiar beim Rechtsamt der Stadt Heidelberg, bevor er 2003 Leiter des Ordnungsamts der Stadt Heidelberg wurde. Berufsbegleitend promovierte René Pöltl im Bereich der Rechtswissenschaft und schloss mit der Auszeichnung „magna cum laude“ ab. 2006 wurde er erster Bürgermeister der Stadt Schwetzingen. Seit 2008 ist er Oberbürgermeister. Dr. René Pöltl ist parteilos.
Herr Dr. Pöltl, Sie sind parteilos. Gibt es dennoch Parteien denen Sie sich näher fühlen als anderen?
Pöltl: Die gibt es, glaube ich, bei jedem Menschen. Übrigens über die Hälfte der Bürgermeister in Baden-Württemberg sind parteilos. Für mich ist das in dem Job ein großer Vorteil, da ich mich nicht festlegen muss. Ich muss mich nicht politischen Programmen beugen, sondern kann tatsächlich mit den Gruppierungen und dem Gemeinderat gemeinsam nach Wegen suchen und gute Lösungen finden. Ich verstehe mich nicht als Jemand, der in den Gemeinderat reinmarschiert und sagt: Wir machen jetzt das, das und das! Wir arbeiten gemeinsam, auch wenn bei mir als Oberbürgermeister natürlich alles zusammen läuft und ich die Gemeinde nach außen vertrete.
„Ich würde mich als werteorientiert bezeichnen.“
Aber sind Sie eher konservativen Werten verpflichtet? Oder liberalen?
Pöltl: Einer Mischung aus beiden. Ich würde mich generell als werteorientiert bezeichnen. Ich bin irgendwie in allen politischen Feldern, ich sag jetzt mal, zuhause. Ich bin bestimmt kein verkrusteter Mensch, der alles regeln will – also wäre ich ein Liberaler. Ich bin sehr wohl dafür, dass man nachhaltig und ökologisch denkt – also wäre ich wahrscheinlich auch ein Grüner. Ich halte die soziale Frage für ganz, ganz wichtig. Themen wie das Generationenbüro, ältere Menschen, Tafelladen und und und. Das ist einfach wichtig für unser Zusammenleben – also bin ich ein Sozialdemokrat. Ich bin aber auch jemand, der schaut, dass wir Arbeitsplätze haben und die Wirtschaft voran gebracht wird. Ich nenne es werteorientiert. Ich bin jetzt 45 Jahre alt und ich glaub auch je älter man wird, desto klarer wird einem, dass bestimmte Werte im Leben wichtig sind und man diese nicht außer Acht lassen sollte. Die Achtung des Anderen zum Beispiel. Wie geht man miteinander um, selbst wenn man sich mal wahnsinnig ärgert? Dein Gegenüber ist ja trotz anderer Meinung ein Mensch und hat einen Grund dafür, warum er so tickt. Jeder hat eine eigene Wahrnehmung. Deine ist eine völlig andere als meine und vielleicht nervt sie mich, aber deswegen darf ich dich nicht gleich in die Pfanne hauen.
Sind Sie gläubig?
Pöltl: Ja, ich bin evangelisch und Christ. Ich glaube schon, dass es Dinge im Leben gibt, die wir nicht verstehen, die nicht erklärbar sind und dass es da außerhalb des naturwissenschaftlich-rationalen etwas gibt. Die Zuwendung im Sinne eines Glaubens an Gott, als etwas, das über uns steht – als Jemand der über uns steht – die habe ich heute schon. Das hat sich aber in den letzten Jahren verändert. Als junger Mensch war das nicht so. Jedenfalls nicht so ausgeprägt.
„Eigentlich weiß niemand, wie der nächste Tag ist.“
Haben Sie Ihre Erfahrungen als Oberbürgermeister in dieser Hinsicht geprägt?
Pöltl: Ja, vielleicht. Ich muss sagen, die letzten Jahre habe ich ganz schlimme Todesfälle erleben müssen. Wo man irgendwo ins Nachdenken kommt und sich sagt: Eigentlich wissen wir alle nicht, wie es am nächsten Tag ist. Was sein wird. Das haben wir nicht immer selbst in der Hand. Man kann es als Schicksal bezeichnen, als Zufall, oder aber auch als höhere Gewalt. Als eine unsichtbare Hand, die einen durchs Leben führt. Man muss auch Glück haben. Ein junger Mitarbeiter ist an Leukämie gestorben, ein anderer einfach tot beim Sport umgefallen. Leute, die man am Tag vorher noch gesehen hat. So was erleben Sie privat auch. Aber nicht in dieser Häufung. Wenn Sie mit so vielen Menschen zu tun haben, dann passiert das leider öfter. Auch Krankheitsdiagnosen. Heute war noch alles in Ordnung – morgen hat die Mitarbeiterin Krebs. Da verändern sich die Blickwinkel. Aber umgekehrt sind das auch schöne Aspekte meiner Arbeit, wenn es nicht um tragische Entwicklungen geht: Ich lerne so viele Menschen kennen. Man trifft viele Charaktere und nimmt viel für sich mit.
Sind das auch Erlebnisse, die sie motivieren viele Soziale Projekte für Schwetzingen voranzutreiben?
Pöltl: Ja, aber dieses Bewusstsein hatte ich auch schon vorher. Ich war ja Ordnungsamtleiter in Heidelberg und da sieht man auch die ganz anderen Seiten des Lebens. Menschen, die unter der Brücke schlafen oder was es bedeutet Asylbewerber zu sein. Das alles sind Menschen und Schicksale. Auch der Blick raus aus Schwetzingen zeigt mir das. Ich reise viel, durch die Partnerstädte zum Beispiel. Danach kann man wieder viel relativeren und einordnen. Wir haben ein Waisenhaus in Sri Lanka, das schon von Bernd Kappenstein initiiert worden ist. Ich war 2007 da und reise im kommenden Februar noch mal hin. Dort haben die Menschen ganz andere Probleme. Wir haben auch Probleme und die darf man nicht negieren, aber Erlebnisse in armen Ländern relativieren vieles und verorten einen dann wieder neu im Gefüge der Welt.
Vor Ort erwarten die Menschen hier natürlich eine Entwicklung auf hohem Niveau – auch wirtschaftlich. Auch das hatten Sie im Wahlprogramm. Wie ist die Zwischenbilanz?
Dr. Pöltl: Ja, da gibt es ein paar Themenfelder, die super geklappt haben. Das erste ist: Wir haben ein Stadtmarketing aufgebaut, ein sehr gutes. Die Kommunikation zwischen Händlern und der Stadt, oder wirtschaftlichen Interessen und dem Leben in der Stadt, war ein großes Problem. Da gab es ständig Diskussionen. Mit dem neuen professionellen Stadtmarketing ist es einfacher. Jetzt sind auch nicht immer alle zufrieden, das wird man nie erreichen, aber wir ziehen jetzt mehr an einem Strang. Es geht ja nur miteinander. Ich glaube, da haben wir gute Leute gefunden und wir werden versuchen jetzt einfach die Stadt wieder stark zu platzieren.
Das zweite Thema ist die Ansiedlung von Kaufland. Das erste große Projekt, bei dem ich als OB vom ersten Gespräch bis zur Eröffnung dabei war und mich jetzt einfach wahnsinnig freue, dass es uns gelungen ist.
Innerstädtisches Leben und wohnortnahe Versorgung gehen zusammen.
Was freut Sie daran so sehr?
Pöltl: Es ist ein richtig großes Projekt, eine riesige Investition. Mitten in der Stadt, zweieinhalbtausend Quadratmeter. Und es läuft gut. Mittlerweile ist es auch zu einem Vorzeigeobjekt der Kaufland-Gruppe geworden. Es kommen öfter Gemeinderäte aus anderen Städten nach Schwetzingen und gucken sich das Ergebnis an. Diese Eröffnung war toll. Auch, weil ich die Innenstadt am Leben erhalten will. Weil ich will, dass die Menschen in der Innenstadt leben und eine wohnortnahe Versorgung gewährleistet ist. Der dritte Erfolg ist die Ansiedlung von Decathlon, dem Sportartikelhersteller. Auf einem Grundstück, dass seit 25 Jahren eine Brachfläche ist. Hier ist es uns gelungen, gemeinsam mit dem Grundstückseigentümer einen Lösungsweg zu finden und dazu noch eine Firma, die richtig gut passt. Da entstehen jetzt am Anfang erstmal 180 Arbeitsplätze. Und es ist keine Logistik, das ist auch wichtig. Das Gelände ist so erschlossen, dass kein Verkehr durch die Innenstadt geht. Bei dem Thema Wirtschaftsförderung bin ich also sehr zufrieden mit den Ergebnissen der vergangenen vier Jahre.
Wurden denn auch lokale Betriebe berücksichtigt?
Pöltl: Ja, das haben wir weiterhin auf der Agenda. Denn hier hatten wir ebenfalls das Problem, dass wir keine Gewerbeflächen mehr hatten. Zusätzlich zu den 42 Hektar Konversionsflächen, die uns jetzt zur Verfügung stehen, werden wir auch einen Teil des Decathlon-Areals für weitere Betriebsansiedlungen nutzen können. Wir haben dann also wieder die Möglichkeit Gewerbeflächen zu vergeben und hoffen, die Schwetzinger Firmen zu halten. In den vergangenen Jahren, selbst während der Finanzkrise, haben sich die Schwetzinger Firmen exzellent entwickelt. Die Gewerbesteuereinnahmen sind seit zwei Jahren die höchsten aller Zeiten.
„Man muss heutzutage frühzeitig kommunizieren.“
Wie hoch?
Pöltl: Etwa acht Millionen Euro. Wir haben im Moment eine ganz gute Arbeitsplatzsituation, eine niedrige Erwerbslosigkeit und eine gute Firmenstruktur. Wir sind da hinterher, damit das auch so bleibt. Ich besuche viele Firmen und wir veranstalten Unternehmerkreise, bei denen alle ansässigen Firmen zusammen kommen und man im Gespräch bleibt.
Sie setzen viel auf persönliche Kommunikation, aber auch auf technologische. Wir geht das zusammen?
Pöltl: Sehr gut. Das ist für mich ein ganz wichtiges Thema. Ich versuche, wann immer es geht, die Leute mit einzubinden. In Schwetzingen herrscht eine große Grundzufriedenheit. Jede Stadt tickt da eigen. Es gibt Themen, da können sie die Menschen kaum mobilisieren und andere, da ist die Anteilnahme riesig. Aber ich denke es ist einfach wichtig, dass man bei Themen, die die Bürgerinnen und Bürger tangieren, möglichst frühzeitig Informationen kommuniziert und die Menschen einbindet. Wir haben jetzt auch Web 2.0 eingeführt, das heißt wir sind über Facebook und Twitter erreichbar. Auch dem muss man sich als Oberbürgermeister stellen. Da kriegt man online schon mal blöde Kommentare. Aber das sind die Meinungen der Menschen, von denen ich sonst vielleicht nie erfahren würde. Das sind die Meinungen der Menschen und dann ist das in Ordnung. Die Leute sollen wissen, dass sie auch wirklich wahrgenommen werden.
Termin: Mehr zu seiner ganz persönlichen Halbzeitbilanz können Sie morgen Abend im Palais Hirsch in Schwetzingen erfahren. Ab 19:30 Uhr empfängt Oberbürgermeister Dr. Pöltl interessierte Bürgerinnen und Bürger zum politischen und persönlichen Austausch.