Rhein-Neckar/Herxheim/Karlsruhe, 02. Oktober 2017. (red/pro) Ein „Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ hat aktuell „Verfassungsbeschwerde“ beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, berichten diverse Medien im auslaufenden Sommerloch. Der Grund: Die „Hitlerglocke“ im pfälzischen Herxheim. Genauer: Äußerungen von Personen zu dieser Glocke. Der Beschwerdeführer sieht eine Leugnung des Holocaust durch diese Äußerungen und beruft sich auf Artikel 1 Grundgesetz. Die Beschwerde richtet sich vermeintlich auch gegen die Staatsanwaltschaft Frankenthal und dessen Leiter Hubert Ströber.
Von Hardy Prothmann
Ganz ehrlich? Ich mag den Leitenden Oberstaatsanwalt Hubert Ströber. Warum? Weil der Mann die Korrektheit in Person ist. Ok, das ist utopisch. Jeder macht Fehler oder hat mal einen schlechten Tag. Aber Hubert Ströber ist so einer von der Sorte, dem man zutraut, immer einen guten Tag zu haben und nie Fehler zu machen.
Ich bin kein Buddy von Hubert Ströber. Wir hatten noch nie privat miteinander zu tun, immer nur geschäftlich. Einmal sind wir uns persönlich begegnet, siehe Foto. Aber diese „geschäftliche Beziehung“ ist sehr besonders, weil Herr Ströber immer freundlich, immer konzentriert und immer korrekt ist.
Wer sich inhaltlich mit Strafverfolgung beschäftigt, merkt schnell, dass Herr Ströber ein Mann von großem Sachverstand und großer Verantwortlichkeit ist. Kurzum: Herr Ströber macht keinen Dienst nach Vorschrift, sondern nimmt seinen Job außerordentlich ernst und erfüllt ihn mit bestmöglicher Verantwortung.
Was Hubert Ströber auch auszeichnet, ist, dass er die Pressefreiheit nicht nur respektiert, sondern tatsächlich im Sinne des Grundgesetzes achtet. Wie andere Staatsanwälte auch, ist er nicht gerade ein Füllhorn der Freude, was Auskünfte angeht. Aber er zeigt eine beispiellos akribische Geduld bei der (Nicht-)Beantwortung von Fragen und erläutert intelligent, vernünftig, sachlich kompetent, welche Möglichkeiten er hat und welche nicht.
Mit anderen Worten: Hubert Ströber ist eine Ausnahmerscheinung unter „Provinzstaatsanwälten“.
Hubert Ströber hat viel zu tun
Warum fange ich diesen Artikel so an? Weil Hubert Ströber aus meiner Sicht schlechte Tage erlebt – obwohl er keine Fehler gemacht hat. Das kommt vor und das ist nicht besonders erfreulich. Seine Aufgaben waren in der jüngeren Vergangenheit außergewöhnlich – Erpressung und Mord von Geschäftsleuten, Baby-Mord, BASF-Störfall.

Der Leitende Oberstaatsanwalt Huber Ströber ist Chef der Staatsanwaltschaft Frankenthal. Konzentriert, akribisch, verantwortlich. Jetzt sieht er sich einer Verfassungsbeschwerde gegenüber, die Medien begierig, aber substanzlos aufgreifen.
Und dann kam die „Hitler-Glocke“. Ein Relikt aus einer dunklen Zeit des Menschenhasses, der Verfolgung, der Zerstörung. Seit 1934 störte sich niemand wirklich daran, bis die „Hitler-Glocke“ nach allen Regeln der journalistischen Empörungskunst zum Politikum hochberichtet wurde.
Eine Glocke ist eine Glocke ist eine Glocke. Sie bimmelte vor sich hin in Herxheim in der Pfalz und war Teil eines Moll-Dreiklangs. Bis eine Dame erfuhr, dass diese bimmelnde Glocke mit Insignien des Diktators Adolf Hitler versehen ist. Die Dame ist vom Fach – sie war Organistin in der Kirche, hörte die Glocke jahrelang. Doch dann hörte sie plötzlich Hitlers Stimme. Klingt skurril? Ist Tatsache.
Hitler-Sommerloch
Verschiedene Medien stürzten sich drauf. Darauf stürzte ein ehrenamtlicher Bürgermeister. Immer und immer wieder stürzten sich die Medien drauf und auch auf Bürger in Herxheim.
Herxheim ist nicht Heidelberg.
Hier leben rund 800 Leute, die schaffen und deswegen wenig Zeit für intellektuelle Debattierclubs haben. Man macht Wein, ist gesellig, die Glocke schlägt die Uhrzeit und mit einem Male ist man Mittelpunkt einer „Hitler-Affäre“.
Nach den Berichten folgen die Anzeigen. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal ermittelt. Verantwortlich ist Herr Ströber als Leiter.
Herr Ströber und seine Mitarbeiter prüfen und geben dann eine – vermutlich historisch noch nie in dieser Länge dagewesene – Pressemitteilung an die Öffentlichkeit, die sehr umfangreich und detailliert Stellung bezieht.
Akribischer Arbeiter
Herr Ströber zeigt mal wieder, „wes Geistes Kind er ist“. Er ist ein akribischer Staatsanwalt, der sehr genau prüft und und verantwortlich abwägt.
Interessant ist, wie die Pressemitteilung aufgebaut ist. Herr Ströber informiert eindeutig, dass es nach Ansicht seiner Behörde keinen Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung gibt. Sodann kommt er sofort zur Medienberichterstattung und schildert das umfangreich.
Dann geht es in die juristische Bewertung aus seiner erfahrenen Sicht. Detailliert schildert der emsige Strafverfolger, warum er keine Hinweise sieht, dass er tätig werden muss:
Der beanzeigte Pfarrer stellt die Frage, warum die Glocke abgestellt werden solle, und weist auf ihren Ton, das zweigestrichene C, hin. Diese Äußerung ist offensichtlich ohne jede strafrechtliche Relevanz.
Herr Ströber war nicht untätig, seine Behörde hat im Gegenteil sogar sehr viel Aufwand betrieben, wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist. Letztlich stellt die Staatsanwaltschaft Frankenthal die Ermittlungen ein.
Story erledigt? Nicht, wenn es nach Boulevardmedien geht
Damit hätte die Story um die „Hitler-Glocke“ vorbei sein können. Ist sie aber nicht.
Denn irgendjemand hat „Verfassungsbeschwerde“ eingereicht, wie uns das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf Nachfrage bestätigt. Und damit wird die Glocke auch zum Problem für Hubert Ströber – zumindest „medial“.
Sofort gibt es wieder Berichte, aber ohne Hintergrund, sondern skandalisierend. „Da muss doch was dran sein“, ist die Botschaft.
Ob etwas dran ist, entscheidet der „Berichterstatter“ beim Bundesverfassungsgericht, wie man den zuständigen Richter nennt, sowie in der Folge weitere Gremien des obersten Gerichts.
Egal wie blödsinnig eine Verfassungsbeschwerde auch sein mag. Ihr Eingang wird bestätigt und dann geht alles seinen geregelten Gang. Ist die Beschwerde „zulässig“? Ist sie „begründet“? Gibt es vergleichbare Entscheidungen?
Die Verfahren beim Bundesverfassungsgericht sind geregelt und komplex. (Anm. d. Red.: Wie Verfahren ablaufen, können Sie hier nachlesen.) Und es gibt viele solcher Beschwerden, die oft scheitern und dann schriftlich zu den Akten gelegt werden. Aber immer mit einem Rechtsgutachten, das die jeweilige Beschwerde prüft und bewertet.
Ausgewogene Berichterstattung? Fehlanzeige
Worum geht es also? Um einen Vorgang von öffentlichem Interesse, der vor allem erst durch Medien öffentlich interessant gemacht worden ist.
Haben aber diese Medien dieselben Qualitätsmaßstäbe angewendet, die sie vom Staat erwarten? Haben Sie sorgfältig und genau recherchiert, abgewogen und neutral berichtet?
Eher nicht.
Das ist ein großes, systematisches Problem der Medienlandschaft. Man treibt gerne die Sau durchs Dorf ohne sich Gedanken zu machen, wer am Ende welchen Schaden erleidet.
Die Hitler-Glocke bimmelte – ganz ohne Nazis
Kein einziges Medium konnte auch nur ansatzweise den Nachweis erbringen, dass es „interessierte Kräfte“ gibt, die die „Hitler-Glocke“ tatsächlich nationalsozialistisch und mit allen damit verbundenen Konsequenzen befördert hätten.
Hochprofessionelle Journalisten fielen in ein Dorf ein, dessen intellektuelles Niveau freundlich als „einfach“ bezeichnet werden kann. Damit machten sich diese Medien Herxheim und einzelne Personen zum Opfer für einen herbeiberichteten Skandal. Herxheim ist weder Hitler noch Nazi. Trotz Glocke.
Am Ende prüft ein sehr verantwortlicher Staatsanwalt die Sache und kommt zum Ergebnis, dass keine Ansätze für eine Strafverfolgung zu erkennen sind. Ist damit die Story beendet?
Mitnichten.
Es gibt einen Anzeigenerstatter und damit eine erneute Meldung, um die Aufmerksamkeit hoch zu halten.
Der Anzeigenerstatter ist ein „bemerkenswerter“ Mensch. Nach unseren Informationen hat er im Heranwachsendenalter eine Bank überfallen und saß fast fünf Jahre hinter Gittern. Später engagierte er sich hier und dort und wurde überall zum Problemfall. Prozesse begleiten seinen Lebensweg. Man könnte diese Person einen notorischen Querulanten nennen – für gewisse Medien ist er ein „Deutscher jüdischen Glaubens“. Jetzt fühlt sich der Anzeigenerstatter in seiner Menschenwürde verletzt.
Anzeigenerstatter „jüdischen Glaubens“
Ein „Deutscher jüdischen Glaubens“ und damit bekommt die Story einen neuen, vermeintlichen Drive. Damit kann man raunen, dass eine Staatsanwaltschaft diese „ganz große“ Sache vielleicht nicht ernst nimmt. Man kann noch weiter denken, ob nicht nur der und der und der, sondern auch der und der und der vielleicht Hilter-Versteher und am Ende NAZIS sind.
Man kann vollständig ignorieren, wie ernst die Staatsanwaltschaft Frankenthal und deren Chef die Angelegenheit genommen haben, ausweislich der über alle Maßen umfangreichen Presseinformation.
Man kann als Journalist und Medium ungeachtet vorliegender Tatsachen Stimmung machen. Und damit Staatsverdrossenheit fördern. Es gilt die Pressefreiheit. Leider immer weniger der verantwortliche Umgang damit. Dabei hätte der Hinweis des Staatsanwalts mit seiner langen Pressemitteilung ein Hinweis sein können – der kam an und endet in einer Kampfansage.
Wir gehen davon aus, dass die Verfassungsbeschwerde weder zulässig noch begründet ist. Nur, weil einer Deutscher und Jude ist, hat das zunächst überhaupt keine Relevanz.
Mit großer Sicherheit wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht entweder überhaupt nicht oder ganz klein „berichtet“ werden.
Wir bleiben dran und halten Sie auf dem Laufenden.
Dokumentation der Pressemeldung Staatsanwaltschaft Frankenthal/Pfalz
„Hitler-Glocke“: Keine Straftat
Die Staatsanwaltschaft Frankenthal / Pfalz hat von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bezüglich drei beanzeigter Personen abgesehen, da nach dem vorgetragenen Sachverhalt kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten gegeben ist (§ 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung).
Am 12.05.2017 berichtete die Tageszeitung „DIE RHEINPFALZ“ unter der Überschrift „Herxheim am Berg: Hochzeit unter der Hitler-Glocke“ über eine im Turm der dortigen protestantischen Kirche St. Jakob hängende Glocke aus dem Jahr 1934. Die Glocke trägt die Inschrift „ALLES FUER`S VATERLAND ADOLF HITLER“ und unter diesem Text ein Hakenkreuz. Sie steht im Eigentum der Gemeinde und ist von außen nicht zu sehen. An der nördlichen Seite des Turms befindet sich an einem oberen Eckstein ein eingemeißeltes Hakenkreuz. Auch dieses in dem Zeitungsartikel in Nahaufnahme abgebildete Symbol ist ohne optische Hilfsmittel von außen nicht erkennbar.
In der Folgezeit berichteten mehrere – auch überregionale – Zeitungen über diese Glocke, die bis Anfang September 2017 zusammen mit den anderen beiden im Turm hängenden Glocken geläutet wurde, auf Beschluss des Presbyteriums der Kirchengemeinde aber inzwischen stillgelegt worden ist.
Das Magazin „Kontraste“ veröffentlichte in einer Sendung vom 31.08.2017 Äußerungen unter anderem des inzwischen zurückgetretenen Bürgermeisters der Gemeinde Herxheim am Berg, des Pfarrers der dortigen evangelischen Kirchengemeinde und eines Bürgers, bei dem es sich nach Angaben der Moderatorin um ein früheres Gemeinderatsmitglied handelt. In der ausgestrahlten Diskussion über die Glocke sollen diese Personen wörtlich u. a. folgende Aussagen getätigt haben:
Der ehemalige Bürgermeister soll sich über die Glocke derart geäußert haben:
„Es ist die einzige hier in Rheinland-Pfalz, ich glaube, drei Stück gibt es in der ganzen Bundesrepublik, die diese Aufschrift tragen. Von daher kann man da nur stolz sein.“
Auf die Frage der Moderatorin „Also Sie sind stolz, dass Sie hier eine Hitler-Glocke hängen haben?“ soll er geantwortet haben:
„Ich würde sagen, wir sind stolz, heute eine Glocke mit solcher Inschrift zu haben. Diese Glocke jetzt als Hitler-Glocke zu bezeichnen, das ist immer so negativ.“
Schließlich soll er gesagt haben:
„Wenn man den Namen Adolf Hitler nennt, dann ist immer gleich die Judenverfolgung und die Kriegszeiten als erstes oben auf. Wenn man über solche Sachen berichtet, soll man umfangreich berichten. Dass man sagt, das waren die Gräueltaten und das waren auch Sachen, die er in die Wege geleitet hat und die wir heute noch benutzen.“
Der Pfarrer soll auf die Frage, warum die Glocke weiter läute, seinerseits gefragt haben:
„Warum sollten wir sie jetzt abstellen?“
Auf die Antwort der Moderatorin „Weil sie vielleicht für manche Menschen so ein bisschen wie die Stimme Adolf Hitlers rüberkommt?“ soll er geäußert haben:
„Ja, was rüberkommt, ist ein zweigestrichenes C.“
Ein interviewter Bürger soll folgende Meinung zum Ausdruck gebracht haben:
„Es war nicht alles schlecht. Ich will nicht sagen, wir bräuchten heute nochmal einen Adolf Hitler, das braucht man nicht mehr, aber es war nicht alles schlecht, was Adolf Hitler gemacht hat.“
Die Frage, was denn gut gewesen sei, soll er wie folgt beantwortet haben:
„Als der Hitler an die Macht kam, wurden die Leute beschäftigt, die Autobahnen wurden gebaut, es gab keine Arbeitslosen mehr. Die Leute waren zufrieden.“
In seiner Strafanzeige vom 27.08.2017 sieht der Anzeigeerstatter hinsichtlich des beanzeigten Bürgermeisters „wegen Vorrätighaltens und Nutzens einer Nazi-Hakenkreuz-Glocke mit verfassungsrechtlich verbotenem Symbol“ die Tatbestände des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB), des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB), der Volksverhetzung (§ 130 StGB) und der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) als erfüllt an.
Mit Schreiben vom 10.09.2017 erweiterte der Anzeigeerstatter seine Strafanzeige auf den Pfarrer und den interviewten Bürger. Bezüglich des Pfarrers sieht er durch das Verwenden der Glocke ebenfalls die §§ 86, 86a StGB und bezüglich des namentlich genannten Bürgers darüber hinaus die „§§ 130 ff StGB“ als erfüllt an.
Entgegen der Ansicht des Anzeigeerstatters besteht hinsichtlich keiner der beanzeigten Personen ein Anfangsverdacht einer Straftat.
Das Hängenlassen und Läuten der Glocke erfüllt nicht den Tatbestand des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB). Zwar ist das Hakenkreuz ein Propagandamittel einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation. Jedoch sind Propagandamittel im Sinne des § 86 StGB gemäß dessen Abs. 2 nur solche Schriften (wozu nach § 11 Abs. 3 StGB auch Abbildungen und andere Darstellungen zählen), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. Vorkonstitutionelle Schriften, die sich gegen diese Grundwerte richten, fallen jedoch nicht unter § 86 StGB, da sie sich nicht gegen die Verwirklichung dieser Grundwerte in der Bundesrepublik Deutschland wenden (BGHSt 29, 73 (79 ff.), zitiert nach beck-online). Der Bundesgerichtshof führt insoweit u.a. folgendes aus:
„Nun kann diese in der Bundesrepublik Deutschland verwirklichte Verfassungsordnung allerdings auch unter Verwendung vorkonstitutioneller Schriften bekämpft werden. Der Annahme, auch solche Propagandamittel seien in § 86 Absatz 2 erfasst, steht aber entgegen, dass der Inhalt der Schrift selbst gegen die – so verstandene – freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sein muss.
Danach muss sich eine gerade gegen die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichtete aggressivkämpferische Tendenz aus dem Inhalt der Schrift selbst ergeben, damit sie als Propagandamittel i.S. des § 86 Absatz 2 StGB in Frage kommt. Das aber kann bei einem noch unter der Herrschaft des Nationalsozialismus gedruckten Stück einer noch so sehr gegen die Grundgedanken der freiheitlichen Demokratie gerichteten Schrift nicht der Fall sein.“
Da die Glocke im Jahre 1934 und damit unter der Herrschaft des Nationalsozialismus gegossen worden ist und seitdem im Turm der Herxheimer Jakobskirche hängt, ist das auf ihr befindliche Hakenkreuz bereits kein Propagandamittel im Sinne des § 86 StGB. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, fehlte es an einer tatbestandlichen Handlung: Nach § 86 StGB macht sich strafbar, wer derartige Propagandamittel im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht. Dies ist ersichtlich bei keinem der Beanzeigten der Fall.
Auch der Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) ist nicht erfüllt. In Betracht kommt vorliegend allenfalls Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift. Dann müsste zumindest eine der beanzeigten Personen das Hakenkreuz auf der Glocke verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihr verbreiteten Schriften verwendet haben. Da keine der Personen das Kennzeichen verbreitet hat (eine solche Verbreitung erfolgte erst durch die gemäß § 86a Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB straflose Berichterstattung in der Presse), verbleibt nur eine öffentliche Verwendung. Eine solche liegt vor, wenn der Symbolgehalt des Kennzeichens von einer nicht überschaubaren Anzahl von Personen zur Kenntnis genommen werden kann. Entscheidend ist dabei nicht die Öffentlichkeit des Verwendungsorts an sich, sondern die vom Täter nicht überschaubare kommunikative Wirkung der Verwendung (Thomas Fischer, Strafgesetzbuch, 64. Auflage 2017, § 86a RN 15). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da das auf der Glocke befindliche Hakenkreuz von außen nicht zu sehen ist. Dies gilt auch für das oben am Turm eingemeißelte Hakenkreuz. Soweit die Glocke bis vor kurzem verwendet wurde, handelt es sich dabei nicht um einen Gebrauch, der das Kennzeichen für einen nicht überschaubare Anzahl von Personen wahrnehmbar machte (Fischer, a.a.O. RN 14). Der Glockenton selbst ist anders als z.B. das Horst-Wessel-Lied kein Kennzeichen im Sinne dieses Straftatbestandes.
Schließlich besteht auch bezüglich keiner beanzeigten Person der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung gemäß § 130 StGB. Die in der Sendung des Magazins „Kontraste“ wiedergegebenen Äußerungen stellen weder eine Billigung, Leugnung oder Verharmlosung eines unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Verbrechens nach dem Völkerstrafgesetzbuch noch eine Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt-und Willkürherrschaft selbst dar:
Soweit der ehemalige Bürgermeister ausführt, stolz zu sein, eine Glocke mit solcher Inschrift zu haben, konkretisiert er diese Aussage dahin, dass es seines Wissens nach in Deutschland nur drei derartige Glocken gibt und er von daher stolz sei. Er gründet diesen Stolz also auf den Umstand, dass es sich bei der Glocke um eine Rarität handelt. Auch seine Forderung, man solle auch erwähnen, dass Hitler Sachen in die Wege geleitet habe, „die wir heute noch benutzen“, gründet auf Tatsachen. Der Beanzeigte leugnet oder verharmlost mit dieser Aussage keines der unter Hitlers Herrschaft begangenen Verbrechen und billigt, verherrlicht oder rechtfertigt auch nicht dessen Herrschaft an sich.
Der beanzeigte Pfarrer stellt die Frage, warum die Glocke abgestellt werden solle, und weist auf ihren Ton, das zweigestrichene C, hin. Diese Äußerung ist offensichtlich ohne jede strafrechtliche Relevanz.
Soweit der beanzeigte Bürger geäußert haben soll, „es war nicht alles schlecht gewesen, was Adolf Hitler gemacht hat“, und in diesem Zusammenhang auf Autobahnen und Vollbeschäftigung hingewiesen haben soll, kommt allenfalls eine Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung im Sinne des § 130 StGB in Betracht. Jedoch setzt diese Tathandlung eine Äußerung voraus, die sich inhaltlich auf die nationalsozialistische Gewalt-und Willkürherrschaft bezieht (Fischer, § 130 RN 34) „Abwegiges Geschwätz über Heldentaten von Wehrmacht und Waffen-SS, bewundernde Äußerungen über Reichsarbeitsdienst oder Autobahnbau oder über NS-Führer in Wirtschaft, Kultur, Rechts-oder Gesundheitswesen sind auch dann nicht strafbar, wenn sie für die Bundesrepublik peinlich sind“ (Fischer, a.a.O.).
Der Tatbestand der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB ist ersichtlich nicht erfüllt, da sich der beanzeigte ehemalige Bürgermeister im Zusammenhang mit der Glocke nicht „bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zu Gunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig“ gemacht hat.
Frankenthal (Pfalz), den 20.09.2017
Hubert Ströber
Leitender Oberstaatsanwalt“