Rhein-Neckar, 23. Oktober 2012. (red/xmu) Beim 6. Demografiekongress warnte Rudolf Kast, Vorsitzender des bundesweiten Demografie Netzwerks (ddn), vor einem massiven Verlust von Arbeitskräften. Fünf bis sechs Millionen Erwerbstätige werden in den kommenden 15 Jahren im Arbeitsmarkt fehlen. Rainer Schlegel vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bestätigte auf unsere Nachfrage die Zahlen, die auf die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Bundesamts für Statistik zurückgeht.
Von Xiaolei Mu
Es ist verwunderlich, dass diese Entwicklung weder in der Politik noch von den großen Medien aufgegriffen wird. Auch der Focus scheint diese Meinung zu teilen und lamentiert, dass “die größte Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg im politischen Alltag kaum eine Rolle spielt. In Wahlkämpfen nicht und in den Schlagzeilen, für die wir Journalisten verantwortlich sind, auch nicht.”
2009 veröffentlichte das Bundesamt für Statistik die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Bei den zahlreichen Statistiken findet sich auch die oben abgebildete, die einschneidend verdeutlicht, vor welchem massiven Problem der deutsche Arbeitsmarkt steht. Die Alterung der Gesellschaft ist in aller Munde und bis 2030 wird sie dazu führen, dass es knapp sieben bis acht Millionen Menschen weniger gibt, die im erwerbsfähigen Alter sind. Weil die Berechnung bis 2060 reicht, wird eine gleichbleibende Geburtenrate angenommen, aber für das Szenario in 18 Jahren spielt es keine Rolle. Selbst wenn es ab dem nächsten Jahr und den darauf folgenden zu einem Baby-Boom käme, stünden sie 2030 noch knapp vor dem erwerbsfähigen Alter. Außerdem dauert die Ausbildung der überall geforderten Fachkräfte bekanntlich länger. Der Arbeitskräftemangel ist also Fakt, selbst wenn er noch in der Zukunft liegt.
Einwanderer als Rettung des Arbeitsmarktes?
Die Auswirkung von Einwanderern ist in die Statistik bereits einberechnet. Bei der unteren Grenze der mittleren Bevölkerung gehen die Statistiker von einem jährlichen Einwanderungssaldo von 100.000 Menschen ab 2014 aus. In der oberen Grenze der mittleren Bevölkerung rechnen sie sogar mit 200.000 Einwanderern, die ab 2020 jedes Jahr den Arbeitsmarkt bereichern würden. Allerdings steckt hinter dieser Prognose eine gute Portion Optimismus, denn seit dem neuen Jahrtausend war die Einwanderungsbilanz für jedes Jahr niedriger als 100.000 Menschen und im Jahre 2008 und 2009 war das Saldo sogar negativ.
Durch einen Wegfall der Arbeitsmarktbeschränkungen bei EU-8-Ländern möchte die Regierung neue Arbeitskräfte ins Land locken und bisher scheint ihre Rechnung halbwegs aufzugehen. Die Experten beim Statistischen Bundesamt hatten diese gesetzliche Regelung offensichtlich auf dem Radar, aber es ist dennoch fraglich, ob diese Maßnahme über die nächsten 18 Jahre hinweg nachwirken wird.
Die Anzahl der Menschen im Erwerbsfähigen Alter ist übrigens nicht gleichzusetzen mit der Anzahl der tatsächlich Erwerbstätigen. Sonst würde Deutschlands Arbeitslosenquote null betragen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beträgt die Anzahl der Erwerbstätigen im August 2012 circa 41,6 Millionen gegenüber knapp 50 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter. Ist also der Mangel an fünf bis sechs Millionen Erwerbstätigen in 15 Jahren realistisch, so wie auf dem sechsten Demografiekongress angekündigt? Geht man vom aktuellen Verhältnis zwischen Menschen im Erwerbsfähigen Alter und den tatsächlich Erwerbstätigen aus, dann ja. Zwar wird in der Statistik noch das Renteneintrittsalter von 65 Jahren angenommen, aber auch die Rente ab 67 steht zur Debatte, denn wie sich herausstellt, gehen viele Menschen früher als gesetzlich vorgeschrieben in Rente.