
Die Repräsentanten des Kongresses auf einen Blick (v.l.n.r.): Frank Burkhard, Ralph Schlusche, Eva Lohse, Rudolf Kast, Bernhard Rettler.
Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 30. Oktober 2012. (red/xmu) Am 18. Oktober fand im Pfalzbau der sechste Demografiekongress statt. Die Veranstaltung stellte Höhepunkt und Abschluss der Demografie-Woche der Metropolregion Rhein-Neckar dar. Etwa 500 Besucher trafen sich bei diesem sogenannten Know-how-Kongress, bei dem aber nicht einfach nur Theorie im Frontalunterricht doziert wurde. Stattdessen hatte jeder Teilnehmer die Möglichkeit, in einem ergebnisoffenen Prozess sein Wissen und seine Erfahrung in die Veranstaltung einfließen zu lassen.
Von Xiaolei Mu
Demografie ist ein Thema, das jeden betrifft. Nach etwa 450 Veranstaltungen während der Demografie-Woche und einem gut besuchten Kongress zieht Ralph Schlusche, Verbandsdirektor der Region Rhein-Neckar, sein Resümee:
Wir wollten die Menschen für das Thema sensibilisieren und wir waren im letzten Dreivierteljahr jede Woche, oder sogar jeden Tag mit diesem Anliegen in der Presse. Wer in der Region jetzt nicht weiß, was sich hinter dem Demografischen Wandel verbirgt, der schaut kein Fernsehen, der guckt nicht ins Internet, der liest keine Zeitungen.
In einigen Orten, darunter auch die Gemeinden aus unseren Ortsblogs, scheint man sich der Problematik noch nicht ganz bewusst zu sein, denn sie waren, was die Anzahl ihrer Veranstaltungen betraf gar nicht oder nur schwach vertreten. Besonders im Vergleich zu den Ballungsräumen Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg. Ralph Schlusche begründet dies so:
Der Landtagswahlkreis 39 ist jetzt nicht unbedingt einer, der stark schrumpft. Die Gemeinden liegen relativ zentral in der Metropolregion und es ist leider immer noch nach dem Motto: Wir schrumpfen nicht. Wir haben also kein Problem mit dem Demografischen Wandel, aber das ist ja überhaupt nicht so.
Großes Interesse am Know-how-Kongress
Die große Anzahl der Besucher des Kongresses in Ludwigshafen zeigte, dass das Thema bei vielen Menschen bereits angekommen ist. Bereits am Morgen versammelten sich so viele Besucher am Eingang, dass die Veranstalter gezwungen waren, einen Teil der Menschen ohne Check-In durchzulassen, da sonst der Zeitplan nicht mehr hätte eingehalten werden können.
Oberbürgermeisterin Eva Lohse freute die zahlreiche Anteilnahme. In ihrer Begrüßungsrede hob sie hervor, dass es ihr bei dem Thema nicht nur um die Quantität, sondern auch die Qualität des Zusammenlebens zwischen den Genrerationen gehe. Außerdem betonte sie die gute Zusammenarbeit von etwa 380 verschiedenen Akteuren, die sich in einem „Metanetzwerk“ organiserten.
Rudolf Kast folgte als nächster Redner und schnitt konkretere Themen an. Der Fokus seiner Rede lag auf der Erwerbstätigkeit, welcher im Rahmen des Demografische Wandels große Veränderungen bevorstehen:
In 15 Jahren wird es durch eine Verschiebung der Bevölkerungspyramide zu einem Mangel an 5-6 Millionen Arbeitskräften in Deutschland kommen.
Eine Maßnahme, wie Deutschland diesen Arbeitskräfteengpass zumindest abmindern könnte, hatte er auch schon parat: Die Menschen sollen länger arbeiten. Rudolf Kast untermauert diesen Vorschlag mit dem Argument, dass es mittlerweile eine „Diskrepanz zwischen dem kalendarischen und biologischen Alter gäbe“. Im Durchschnit seien die Körper der Deutschen sechs bis sieben Jahre jünger, als es ihr Alter im Kalender suggerieren würde.
Auch im folgenden Impulsvortrag ging es um Arbeit und Erwerbstätigkeit. Rainer Schlegel vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) forderte ebenfalls, einen späteren Rentenantritt. Ferner erläuterte er die Ziele des BMAS und erzählte von zahlreichen Projekten, darunter Anti-Stress-Maßnahmen, um Burnout am Arbeitsplatz zu vermeiden. Außerdem legte Rainer Schlegel wert darauf, dass das BMAS „nicht belehren möchte, sondern sich kreative Ideen aus dem Demografienetzwerk wünscht.“
Das Programm lockerte sich als Moderator Sven Bemmé das Publikum dazu aufforderte sich im Konzertsaal entsprechend ihres Alters in drei Blöcke aufzustellen. Er teilte die Besucher in Gruppen: Menschen, die 2030 bereits in Rente gegangen sind, Menschen die 2030 unter 65 Jahre sind und Menschen, die 2030 unter 50 Jahre sind. Das Ergebnis war eine demografische Abbildung der Erwerbstätigen im Jahr 2030. Im Miniaturformat.
Eigenbeteiligung erwünscht
Für die Besucher sollte dieses Spiel lediglich eine Aufwärmübung sein. Die eigentliche „Arbeit“ begann dann mit den sogenannten Praxistipps. Hier ging es um Themen wie beispielsweise „Demografiegerechte Gemeindeentwicklung“, „Wohn- und Wohnumfeldgestaltung“ oder „betriebliches Gesundheitsmanagement“. Aus 24 Vortragsterminen konnte sich jeder drei Themen aussuchen. Hier saugten sich die Besucher mit Wissen voll, um sich dann in der Ideenphase in spontan gebildeten Arbeitskreisen auszutauschen.
Auch während der Kaffee- und Esspausen gab es rege Aktivität. Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Berufen tauschten sich an den Stehtischen aus, formten neue Netzwerke oder informierten sich an den Ständen der Sponsoren BASF, ABB und SAP. Die Veranstalter fügten in der Ideenphase auf Anregung der Besucher neue Themen hinzu. Mit den Themen, die bereits festgelegt waren, ergaben sich daraus etwa 15 Sitzkreise oder „Ideeninseln“, die die Teilnehmer für intensive Diskussionen nutzten.
Eine bunte Mischung
Die Besucher kamen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Nach Aussagen von Frank Burkard, Referent für Öffentlichkeitsarbeit des Verbands Region Rhein-Neckar, gab es „Kommunalvertreter, Unternehmensvertreter, Vertreter aus sozialen Einrichtungen, Verbänden, Handelskammern und andere.“ Auch eine spontane Befragung der Besucher ergab ein vielfältiges Bild.
Markus Ackermann ist Prokurist bei ZAB Personaldienste, einer mittelständigen Firma mit Sitz in Frankenthal. Einer seiner Aufgabenbereiche sei die Eingliederung älterer Menschen in den Arbeitsmarkt und er ist froh gekommen zu sein:
Die Veranstaltung öffnet neue Gedanken und ist eine Bestätigung, dass man die richtigen Dinge tut.
Sabine Dillmann arbeitet bei der Bundesagentur für Arbeit in der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland. Sie ist Leiterin für Chancengleicheit am Arbeitsmarkt und sieht ihre Verbindung zum Demografiekongress darin, dass sie sich stark für die Gleichstellung von schwangeren Frauen in der Erwebstätigkeit einsetzt.
Christina Flocken kommt von der Pflegedirektion des Klinikums Ludwigshafen. Sie habe durch die Veranstaltungen wertvolle Anregungen erhalten, denn sie wolle die Mitarbeiter in ihrer Pflegeabteilung für den demografischen Wandel sensibilisieren. Der Praxistipp „Neue Wege der Fachkräftegewinnung“ war ihr besonders wichtig, denn in ihrer Abteilung wird befürchtet, dass sie in Zukunft mit Nachwuchsmangel zu kämpfen haben werden.
Thomas Kliem wiederum kam hauptsächlich, um Netzwerke und Kontakte zu knüpfen. Er betreibt eine kleine Firma in Düsseldorf, die ein besonderes Bewegungstraining anbietet. Dieses Training soll den natürlichen Abbau der Nervenzellen im Gehirn bis in hohe Alter vorbeugen. Da sein Konzept nach eigenen Aussagen ziemlich neu sei, wollte er den Kongress nutzen, um seine Idee unter die Menschen zu bringen.

Anja Morell und Joachim Völpel brachten mit ihrer Darbietung wichtige Botschaften der Veranstaltung pointiert zur Geltung.
Am Ende der Ideenphase angekommen, belohnten die Veranstalter die Arbeit der Besucher mit etwas Unterhaltung. Im Konzertsaal ließen Anja Morell und Joachim Völpel, Mitglieder von „Theater-Interaktiv“, in mehreren improvisierten Sketchen die Kernbotschaften der Veranstaltung Revue passieren. Gleichzeitig nahmen sie sich heraus, manche Themen bis ins Lächerliche zu überspitzen, was im Publikum für willkommenes Gelächter sorgte.
Oberbürgermeisterin Eva Lohse schloss die Veranstaltung mit einer weiteren Rede. Sie bedankte sich bei den Gästen für ihre Beteiligung und zog das Fazit, dass der Kongress ein voller Erfolg gewesen sei. Nach Aussagen von ddn-Vorsitzenden Roland Kast ist dieser sechste Demografiekongress in Deutschland der bestbesuchte, den er erlebt hatte. Zum Abschluss warfen die Repräsentanten des Kongresses in einer symbolischen Geste Bälle ins Publikum. Es bleibt zu hoffen, dass jeder der knapp 500 Besucher die Bälle aufnehmen und ihre Projekte Wellen schlagen, denn der Demografische Wandel ist eine gigantische Herausforderung für die Zukunft.