Heidelberg/Rhein-Neckar, 19. OKtober 2012. (red/xmu) Am 15. Oktober hielt die Gerontologin Marion Bär in der Evangelischen Kapelle des Diakonischen Werks Heidelberg im Rahmen der Demografiewoche einen informativen Vortrag über das Leben mit der Demenz. Sie stellte Ergebnisse aus ihrer Forschungsarbeit vor. Sie sieht demenzkranke Menschen stigmatisiert und zeigt Wege, mit der Krankheit umzugehen.
„Die Demenz nimmt uns das, was uns zum Menschen macht“,
sagt Marion Bär während ihres Vortrags und fasst damit zusammen, warum die Symptome von Krankheiten wie Alzheimer so gefürchtet sind. Für die Heidelberger Gerontologin war jedoch ganz klar, dass auch Menschen mit Demenzen ihr „Menschsein“ nicht verlieren. Sie erzählt von den Ängsten demenzkranker Menschen, die glauben, nicht mehr als wertvoll anerkannt zu sein, weil die biologische Degeneration ihres Gehirns sie davon abhält, den normalen Alltag zu bewältigen. Demente Menschen halten sich oft für zu langsam oder haben das Gefühl, in der Gegenwart verloren zu sein. Verliert deren Leben damit jeden Sinn?
Für Marion Bär ist die Antwort ein klares Nein und sie warnt in ihrem Vortrag auch diejenigen ohne Demenz davor, diesen Gedanken zu folgen. Die Ursachen für Demenzen sind unterschiedlich. In manchen Fällen ist sie heilbar, doch die meisten Krankheitsbilder, allen voran Morbus Alzheimer, schreiten unerbittlich voran. Ihre Symptome lassen sich trotz moderner Medizin höchstens verlangsamen oder mindern. Marion Bär plädiert dafür, das Leben dementer Menschen möglichst lebenswert zu gestalten. Ihr Konzept dafür sind „Individuell bedeutsame Andere“. Darunter fasst sie Dinge zusammen wie Bezugspersonen, Angehörige und Familie, aber auch Tätigkeiten, zu denen demente Menschen eine tiefe Bindung besitzen oder aufbauen. Ihrer Meinung nach könne durch die Förderung solcher „Individuell bedeutsame Andere“ das Wohlbefinden solcher Menschen gezielt gesteigert werden. Hintergrund zu dieser Theorie ist eine Studie, die die Gerontologin mit nahezu 100 dementen Menschen durchgeführt hatte.
Marion Bär sieht ein Spannungsfeld, dass der moderne Mensch selbst erzeugt. Durch den Anspruch, den die Gesellschaft an ihn stellt. Dabei nennt sie Aspekte wie rationales Denken, die Fähigkeit Probleme zu lösen, Autarkie, aber auch die Souveränität, das alltägliche Leben zu meistern. Der innere Konflikt ist natürlich vorprogrammiert, wenn Menschen durch eine Demenz diesem Anspruch nicht mehr gerecht werden. Als Lösung für diesen Konflikt schlägt Marion Bär vor, auch alternative Aspekte eines Menschen als „wertvoll“ zuzulassen. Dabei betont sie ganz besonders „die Fähigkeit zur Begegnung“.
Entscheidend ist auch die bewusst angenommene Abhängigkeit,
sagt Mation Bär. Auch wenn dies im Kontrast zum Anspruch der Autarkie steht, sei eine solche Handlungsweise „entscheidend für ein gutes Altern. Nicht nur bei Demenz, sondern bei Altern im allgemeinen.“