Mannheim/Heidelberg/Bruchsal, 28. Mai 2015. Seit unserer exklusiven Aufdeckung des CDU-internen Streits um eine mögliche Verschuldung, eskaliert der Konflikt quasi im Wochentakt mit steigender Frequenz. Mittlerweile liegen die Nerven blank und ein kritisches CDU-Mitglied, bis vor kurzem Schatzmeister, soll mit übelsten Methoden öffentlich demontiert werden. Teile der CDU Mannheim agieren wie kalte Krieger – Desinformation und Dolchstoßlegende kommen zur Anwendung. Freilich auf Amateurtheaterniveau.
Von Hardy Prothmann
Hat der CDU-Kreisverband Mannheim Schulden oder hat er keine? Hat er viele Schulden oder konsolidiert man sich? Seit Jahren halten sich die Gerüchte über einen hochverschuldeten Kreisverband, dem die finanzielle Puste ausgeht. Was ungeschickt ist für eine Partei, die sich Wirtschaft und Kompetenz auf die Fahnen schreibt.
Jetzt gibt es einen Beleg dafür, dass der Kreisverband Mannheim parteiinterne Kredite nicht mehr bedienen kann.
Der Beleg ist die Tagesordnung der Bezirksverbandssitzung Nordbaden vom 26. Februar 2015. Unterschrieben vom Vorsitzenden Peter Hauk, Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Neckar-Odenwald und Erster Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag von Baden-Württemberg. TOP 9:
Kreditaussetzung der CDU Mannheim / Antrag des Kreisvorstandes MA
Kreditaussetzung? Antrag des Kreisvorstands? Die Einladungsfrist für eine Sitzung ist eine Woche. Damit muss spätestens am 19. Februar der Eintrag des CDU-Kreisverbands Mannheim an den Bezirksverbandsvorsitzenden gestellt worden sein. Anträge werden in aller Regel vorberaten und vorbereitet. Geht es “ordentlich” zu, werden Anträge meist über Wochen vorbereitet. Heißt: Spätestens im Januar 2015, vermutlich sehr viel früher wusste der CDU-Kreisverband Mannheim, dass er nicht mehr in der Lage ist, einen parteiinternen Kredit zu bedienen und beantragt dessen “Aussetzung”.
Viele Fragen offen
Ab hier sind wieder viele Fragen offen: Wie hoch ist der Kredit? Seit wann besteht er? Warum wurde er gewährt? Welche Konditionen gelten? Und seit wann gibt es “Bedienungsprobleme”? Und wie sollen die Probleme gelöst werden? Ab wann soll der Kredit wieder bedient werden? Welche Sicherheiten werden geboten? Und sehr wichtig: Wer stellt diesen Antrag – wer hat alles Kenntnis davon und diesen mitentschieden?
Und natürlich: Was hat der Bezirksverband entschieden? Aussetzung oder Einforderung? Mit Mehrheit, einstimmig? Oder wurde vertagt?
Diese Fragen muss man stellen, denn wie Beschlüsse gefasst werden und welche “demokratische Regeln” innerhalb der Mannheimer CDU gelten, ist nicht immer klar.
Notantrag oder geplant?
Klar ist: Niemand stellt einen solchen Antrag, dem nicht das Wasser bis zum Hals steht. Eine weitere Frage ist: Ist das ein hysterischer Spontan-Antrag oder einer, der verantwortlich vorbereitet worden ist? Die nächste Frage: Wenn es kein “Notantrag” ist – ab wann wusste der Kreisverband, dass er in finanzielle Not gerät? Noch unter Claudius Kranz oder erst seit Nikolas Löbel als Kreisvorsitzendem? Wer ist verantwortlich zu machen?
Typischerweise überrascht ein Kreisverband den Bezirksverband aber nicht mit solchen wichtigen Anträgen, sondern man stimmt sich ab, damit kein Antrag gestellt wird, der Interessen des Bezirks nicht berücksichtigt, der deshalb einen Antrag ablehnen muss – seit wann wissen also Peter Hauk und die anderen Bezirksvorstände, darunter wichtige Namen wie Thomas Blenke, Dr. Stephan Harbarth oder Dr. Karl A. Lamers davon? Was wissen die Mannheimer CDU-Politiker/innen Rebekka Schmitt-Illert und Alexander Fleck, ebenfalls Vorstandsmitglieder?
Im Zweifel weiß vermutlich niemand etwas oder kann sich nicht erinnern.
Eskalation: Verantwortung vs. Karriere
Damit sind wir bei Heinrich Braun, einem unbequemen Mitglied, seit 28 Jahren in der Partei und seit neuestem der erste durch den Kreisvorstand auf Initiative des Kreisvorsitzenden Nikolas Löbel abgesetzte Schatzmeister. Der renommierte Steuerberater, ein streitbarer Typ, der sich anders als viele andere Steuerberater gerne sogar mit dem Finanzamt anlegt, stellt sich als verantwortungsvolles CDU-Mitglied und Finanzfachmann seit langer Zeit Fragen zur finanziellen Situation seiner CDU.
Ab Mitte April 2015 eskaliert das Verhältnis zwischen dem “Einzelkämpfer” Braun und dem Kreisvorsitzenden Löbel zusehends. Löbel gilt als “politisches Talent”, warum auch immer, ist Vorsitzender der Jungen Union Baden-Württemberg, Stadtrat, hat 2014 im Alter von 28 Jahren nach einem gescheiterten Jura-Studium einen Bachelor-Abluss im Schnelldurchlauf gemacht und ist seit Herbst 2014 Kreisvorsitzender. Herr Braun führt seine Steuerkanzlei, hat keine Ambitionen auf Ämter, gehört keinen Lagern an und will in der Partei nichts werden – außer Schatzmeister. Er kann gut mit Zahlen, ist ein “Buchhalter” und politisch konservativ.
Laut Protokoll “alles in Ordnung”
Im Protokoll der Kreisverbandssitzung vom 28. Januar 2015 ist nachzulesen:
Nikolas Löbel erläuterte auch die Finanzsituation des Kreisverbands Mannheim. Die CDU Mannheim habe kein Liquiditätsproblem. Dennoch müsse darauf geachtet werden, dass der anstehende Oberbürgermeisterwahl-Wahlkampf finanziell verantwortlich und ohne neue Verbindlichkeiten geführt werde.
Im Protokoll der Februar-Sitzung vom 19. Februar gibt es nach uns vorliegenden Hinweisen keine Erwähnung der Partei-Finanzen. Spätestens am 19. Februar 2015 muss die Einladung für die ordentliche Bezirksvorstandssitzung verschickt worden sein und dort beantragt der CDU-Kreisverband Mannheim eine “Kreditaussetzung”.
Wer stellte diesen Antrag? Nikolas Löbel alleine? Oder ein “Inner Circle” des Kreisvorstands, so eine Art exklusiver Club? Wie kann es sein, dass der Kreisvorsitzende Nikolas Löbel noch im Januar behauptet, es gäbe “kein Liquiditätsproblem”? Wusste er am Ende bereits, dass der Bezirksverband seine Kreditforderungen aussetzen würde? Ist das so beschlossen worden?
Die Fragen sind endlos und sie sind drängend. Und nur das Mitglied Heinrich Braun traute sich, Fragen zur Finanzsituation zu stellen. Immer drängender, immer lauter. Jetzt läuft eine beispiellose Kampagne gegen den Steuerberater, der mittlerweile überlegt, ob er wegen geschäftsschädigender Äußerungen juristisch aktiv werden muss, weil er vom Kreisvorsitzenden Nikolas Löbel als unzuverlässiger Schatzmeister hingestellt wird, unterstützt durch den Ortsverbandsvorsitzenden Dr. Alfons Schulze-Hagen.
Aussetzung vs. Spaß
In einer Pressemitteilung vom 23. April 2015 zitiert sich Nikolas Löbel selbst:
Denn wenn es um die ordnungsgemäße Führung unserer Finanzen geht, verstehe ich keinen Spaß.
Der Skandal um die CDU-Parteifinanzen hat längst die internen “Zirkel” verlassen. Nach unseren Veröffentlichungen berichten Zeitungen darüber – allerdings überwiegend als “Sprachrohre” für Nikolas Löbel und weitgehend frei von eigener Recherche.
Dolchstoßlegende 2.0
Heinrich Braun versteht die Welt nicht mehr – seine Welt sind die Zahlen und die wollte er für seine Partei richten. Jetzt richtet seine Partei ihn, nach allen Regeln der Diffamierungskunst. Mit einem Mal ist er der “böse Bube”, der den Kandidaten der CDU zur Oberbürgermeisterwahl, Peter Rosenberger, “beschädigt”. Mit einer “Diskussion zur Unzeit”. Mit “parteischädigendem Verhalten”. Dabei hat niemand den Kreisvorstand gezwungen, den Schatzmeister aktuell per Beschluss abzusetzen. Dafür wäre nach der Wahl noch Zeit gewesen – Herr Braun hingegen musste nach Absetzung die Monatsfrist für einen Einspruch wahren. Den hat er wahrgenommen. Und das macht ihn zum “Aussätzigen” – nicht Löbel, der Agitator, sondern Braun, der seine Rechte wahrnimmt, ist der Klassenfeind.
Heinrich Braun kommt sich vor wie in einem falschen Film. Er fragt nachweisbar seit mindestens einem Jahr nach der finanziellen Situation der Partei. Er bietet sich an, Zahlen zu prüfen und Vorschläge für eine “Gesundung” einzubringen. Einfach so – im Ehrenamt. Würde er ein Honorar in Rechnung stellen, wäre die CDU Mannheim ruckzuck pleite – Leute seines Kalibers berechnen mehrere hundert Euro pro Stunde für ihre Expertise und solvente Kunden zahlen das ohne Achselzucken, weil selbst hohe Rechnungen unterm Strich für sie enorme Vorteile ergeben. Da geht es nicht um 35 Euro, sondern viele Nullen mehr. Heinrich Braun kennt sich mit vielen Nullen hinter dem Punkt aus – aktuell erhält er eine neue Lektion in Sachen Nullen.
Aktuell wollen ihm Nikolas Löbel, Dr. Alfons Schulze-Hagen und andere die Ehre abschneiden und ihn innerparteilich kalt stellen, weil er 35 Euro Kontogebühren nicht als Rechenschaftsbericht auf Fristsetzung von Nikolas Löbel einreichen wollte: Herr Braun forderte Einsicht in die Parteifinanzen, was ihm als Mitglied zusteht, ihm aber bislang nicht gewährt worden ist. Er zeigte sich stur, hielt den Bericht zurück und wurde daraufhin vom Kreisvorstand als Schatzmeister des Ortsverbands Oststadt/Schwetzingerstadt abgesetzt.
Ehrenwerte Gesellschaft
Im Kreisvorstand sind Personen wie Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer oder ein Egon Manz. Auch ein Oliver Althausen, Büroleiter des Bürgermeisters Michael Grötsch. Und ein Alexander Fleck, Societäts-Kollege des früheren Kreisvorsitzenden Claudius Kranz und gemunkelter “Landtagskandidat” für den Wahlkreis Süd in Mannheim – zuletzt bekannt geworden als Stadtprinz und angebliches Opfer eines Raubüberfalls, der sich als Anwalt für Strafrecht nicht in der Lage sah, bei der Polizei Anzeige zu erstatten.
Dr. Alfons Schulze-Hagen versendete in einer Hauruck-Aktion mit “Umlaufbeschluss” eine Pressemitteilung, in der sich der Ortsverbandsvorstand “geschlossen” von Heinrich Braun distanziert:
Einen weiteren Grund für seine Amtsenthebung sieht der Ortsvorstand darin, dass Heinrich Braun trotz des gegenteiligen Appells aller Anwesenden aus einer vertraulichen Sitzung des Ortsvorstandes Informationen – und diese auch noch falsch – an die Presse gegeben hat.
Bräuchte man ein Beispiel für den Begriff “Rechtsverdreher” – der Rechtsanwalt Schulze-Hagen liefert ihn. “Aller Anwesenden”? Der Vorstand war nach unseren Informationen nicht beschlussfähig – außer, man ließ den “Anwesenden” Heinrich Braun mit abstimmen. Kurios: Die letzte Ortsvorstandssitzung fand am 04. Mai 2015 statt – da war Herr Braun schon fast zwei Wochen des Amtes durch den Kreisvorstand enthoben, nämlich am 22. April 2015, und konnte gar nicht “mitstimmen”, was aber von ihm eingefordert worden sein soll.
Heinrich Braun kommentiert diese “Argumentation”:
Ich glaube ja nicht daran, dass der Ortsvorstand schon Zeitreisen unternommen hat.
Der Ablauf dieser “vertraulichen Sitzung” ist einen eigenen Bericht wert. Den könnte man um die Frage erweitern, inwieweit der Rechtsanwalt Dr. Alfons Schulze-Hagen sich in der Lage zeigt, ordentlich einzuladen und ordentlich eine Sitzung zu führen und wie oft das erfolgt ist, seit er Vorstand ist. Weiter ist interessant, dass Herr Dr. Schulze-Hagen einerseits seit langem wusste, dass der Ortsverband nur 35 Euro Kontogebühren als Ausgaben zu vermelden hatte und nun öffentlich so tut, als sei ihm dies nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus ist interessant, dass Herr Dr. Schulze-Hagen eine Kontovollmacht für das Ortsverbandskonto hatte, von der er angeblich nichts wusste, obwohl er eine Unterschrift geleistet hat.
Avanti dilettanti
Avanti dilettanti kann man da nur ausrufen.
Der Kreisverband der CDU Mannheim stellt sich unter dem Kreisvorsitzenden Nikolas Löbel als absolute Chaostruppe dar, in der es drunter und drüber geht. Viele honorige Namen müssen sich mittlerweile fragen lassen, welche Verantwortung sie eigentlich tragen und ob sie das Chaos weiter mittragen wollen.
Diese Frage muss man auch an die CDU-Fraktion stellen, denn schließlich gibt es Verflechtungen mit dem Kreisverband und involvierten Ortsverbänden. Und die CDU Mannheim muss sich insgesamt fragen, wer für was verantwortlich ist? Und wer den OB-Kandidaten beschädigt? Und wer angefangen hat? Und welchen Schaden man für die Lokalpolitik zu verantworten bereit ist angesichts dieses Chaos?
Schuldfragen
Ist Heinrich Braun “schuldig”, weil er sich nachweislich seit langer Zeit um die Finanzen sorgt und Fragen stellt? Oder ein Nikolas Löbel, der noch im Januar 2015 durch Protokoll festgehalten behauptet, es gäbe kein “Liquiditätsproblem” der CDU und im Februar eine “Kreditaussetzung” beantragt und dem Vernehmen nach einen nicht eingereichten Rechenschaftsbericht über 35 Euro Ausgaben als Grund betrachtet, einen Ortsverbands-Schatzmeister des Amtes zu entheben, obwohl der eigene Rechenschaftsbericht noch nicht fertig ist und eingereicht wurde?
Heinrich Braun, so viel ist sicher, hat Einspruch gegen seine Amtsenthebung eingelegt – auch, weil er kein Gehör gefunden hat. Und Heinrich Braun ist stur. Aber im Gegensatz zum sturen Nikolas Löbel und anderen ist er in einer sehr komfortablen Situation. Er hat eine gut laufende Steuerberatungskanzlei. Er braucht kein Amt und keine Karriere in der Partei – er hat die besseren Argumente auf seiner Seite und die Informationen verdichten sich, dass er sich sehr wohl seit langem um das Wohl der Mannheimer CDU sorgen muss, aber durch “interessierte Kreise” erst ausgebremst, dann kalt gestellt und nun als CDU-Mitglied öffentlich vernichtet werden soll.
Wer bis hier gelesen hat, stellt sich die Frage: Womöglich ist die CDU Mannheim ganz banal pleite – will sich die Partei zum Ende auch politisch bankrott erklären?
Weiß Peter Rosenberger, welche Zeche er bezahlen muss?
Peter Rosenberger, der eigentlich als CDU-Kandidat einen glänzenden Wahlkampf führen sollte, kann einem fast leid tun – natürlich gerät er in den Sog dieses Konflikts und natürlich kostet ihn das Stimmen. Denn natürlich muss er sich auf fragen lassen, was er denn so vom Zustand des CDU-Kreisverbands hält. Denn der Vorsitzende ist Nikolas Löbel – Wahlkampfmanager von Peter Rosenberger.
Herr Rosenberger muss sich nicht nur die Fragen stellen lassen, was er davon hält, sondern auch, was ihn der Wahlkampf womöglich kostet. Denn nach dem Debakel 2007 – dem Vernehmen nach hatte der Kandidat Ingo Wellenreuther der CDU enorme Kosten verursacht – gilt aktuell die Regel, dass der Wahlkampf nicht aus Parteimitteln, sondern aus Spenden finanziert wird. Und was nicht durch Spenden gedeckt wird, zahlt der Kandidat.
Möglicherweise könnte es sein, dass Peter Rosenberger demnächst Heinrich Braun anruft, um sich zu erkundigen und vielleicht angesichts der Honorarforderung zuckt – was aber unterm Strich womöglich besser ist, als eine “Kreditaussetzung” zu beantragen.
Und es bleibt auch die Frage: War es Dilettantismus oder “Strategie”, die Tagesordnung auf der Facebook-Seite zu posten? Wollte jemand bereits im Januar klar machen, dass die CDU Mannheim pleite ist? Oder hat man einfach nicht nachgedacht? Peter Hauk hatte das Facebook-Posting damals geteilt – ihm gefiel es wohl.
Weder die eine noch die andere Antwort stellen der CDU Mannheim ein gutes Zeugnis aus.