Mannheim, 26. Oktober 2015. (red/cr) In den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag wandelten wieder um die 30.000 Besucher im Jungbusch. Der 12. Nachtwandel erleuchtete den Stadtteil.
Von Christin Rudolph
92 verschiedene Programmpunkte, über 700 Künstler und kreative Gruppen, mehr als 60 Lokalitäten und ungefähr 30.000 Besucher – der Nachtwandel ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Das Stadtteilfest im Jungbusch ist inzwischen eine Art Volksfest der Kultur.
Nie kann man auf engstem Raum so eine künstlerische und kulturelle Bandbreite erleben wie in diesen zwei Nächten im Jahr. Vor allem nicht in so kurzer Zeit. Man kann frei umherwandeln, ohne sich festlegen zu müssen. Spontan einmal reinschauen und bleiben, wo es einem gefällt – diese Prinzip zieht sowohl Besucher und als auch Künstler an.
Kunst mittendrin
Die Jungbuschhalle ist gut besucht, es gibt Essen und Getränke, Musik und Kunst. Unter anderem sind Bilder von Hugo Cardona ausgestellt. Er sieht die Veranstaltung als große Chance, seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Hier sehen in kürzester Zeit viel mehr Menschen seine Werke als irgendwo sonst. Vor allem auch viele, die es sonst eher selten in Museen oder Ausstellungen verschlägt. Beim Nachtwandel ist Kunst mitten unter den Besuchern. So lernt man die Kunst- und Kulturstätten vor der Haustür kennen.
Martin und Manuela aus Ludwigshafen beispielsweise nutzen den Nachtwandel, um die einzelnen Bars und Clubs im Jungbusch kennenzulernen. Dabei erleben sie auch ein paar Überraschungen. Die Onkel Otto Bar, eine ehemalige Rotlicht-„Institution“, haben die beiden eigentlich nur besucht, um auf die Toilette zu gehen. Verlassen haben sie die Bar mit dem Vorsatz, als Gäste wiederzukommen.
Wir waren in Lokalen, in die wir sonst nie reingegangen wären.
Lamin ist aus Gambia geflüchtet. Bis vor Kurzem lebte er noch in der Erstaufnahmestelle in Mannheim, jetzt ist er in Mosbach untergebracht. Zum Nachtwandel kehrt er mit einem Freund aus der Flüchtlingsunterkunft und einer deutschen Begleitung zurück. Er ist von der Anzahl und Vielfalt sowohl der Angebote und Aktionen als auch der Besucher beeindruckt. Außerdem findet er es großartig, dass man ganz ungebunden überall einmal hineinschnuppern kann.
Zehn Minuten hier, zehn Minuten dort, und überall gibt es etwas anderes Interessantes zu sehen.
„Wir verkaufen keine Drogen!“
Kunst ist ein Eisbrecher, das ist beim Nachtwandel gut zu beobachten. Beispiel Mannheimer Drogenverein: Die Ausstellung „Sucht und Suche“ zeigt Bilder des verstorbenen Drogenabhängigen Markus Koch. Eine Gelegenheit abseits des nächtlichen Trubels ins Gespräch zu kommen. Das beginnt meistens mit „Wir verkaufen keine Drogen!“ seitens der Mitarbeiter. Dann erklären sie, wie die Drogenhilfeeinrichtung den Abhängigen hilft.
Ein Stück traurige Realität, dass diese Hilfe in so vielen Fällen notwendig ist. Gleichzeitig ermutigend, dass sich beim Drogenverein so viele für ihre Mitmenschen konkret einsetzen. Solches Engagement kann symbolisch für den Nachtwandel stehen: Man weiß nicht, wo die Entwicklung hingeht. Nur durch Zusammenhalt und Beteiligung aller kann das Zusammenleben im Stadttteil gelingen.