Rhein-Neckar, 10. April 2016. (red/pro) Wie berichtet, gibt es wegen der angeblichen Satire des ZDF-Moderators Jan Böhmermann möglicherweise ein juristisches Nachspiel. Laut FAZ soll die Türkei per diplomatischer Note die Strafverfolgung des Moderators verlangt haben.
Die türkische Regierung erwartet wegen der Erdogan-Satire im ZDF die Strafverfolgung des Komikers Jan Böhmermann in Deutschland. Das hat der Botschafter Ankaras in einer sogenannten Verbalnote an das Auswärtige Amt deutlich gemacht,
schreibt die FAZ. Diese Information sei bestätigt.
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe?
Wir hatten noch am Freitag von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Mainz (zuständig, da das ZDF dort seinen Sitz hat) die Auskunft erhalten (hier unser Bericht zur “Ziegenficker-Affäre”):
Es liegen – schon im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe (Eingang der ersten Strafanzeige Freitag 01.04.2016 nach Dienstschluss) – weder eine Ermächtigung der Bundesregierung noch Strafverlangen der Türkei vor. Diese sind im Hinblick auf das geschilderte Procedere auch nicht zeitnah zu erwarten.
Laut Paragraf 103 wäre eine Strafverfolgung möglich:
Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Laut Paragraf 104a des Strafgesetzbuches ist Voraussetzung für die Verfolgung von “Straftaten gegen ausländische Staaten” ein “Strafverlangen der ausländischen Regierung” und dass “die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt”.
Nach der Ziffer 210 der Richtlinien für das Bußgeld- und Strafverfahren muss die Staatsanwaltschaft das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf dem Dienstweg – also über die Generalstaatsanwaltschaft und das Landesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – unterrichten, um zu klären, ob seitens der Türkei oder Ihres Staatsoberhauptes ein Strafverlangen gestellt wird. Zuvor musste die Staatsanwaltschaft nach dieser Vorschrift im Interesse der Beweissicherung alle notwendigen Ermittlungen durchführen und Umstände aufklären, die für die Entschließung des ausländischen Staates, ein Strafverlangen zu stellen und für die Bundesregierung, eine Ermächtigung der Strafverfolgung zu erteilen, durchführen. Die Beweissicherung wurde vorgenommen.
Bundesregierung muss Strafantrag zustimmen
Die Beleidigung ausländischer Staatschefs ist ein Antragsdelikt – es muss also verlangt werden. Da die Türkei laut FAZ strafrechtliche Verfolgung des “Schmähgedichts” fordert, ist dieses Kriterium erfüllt. Jetzt muss die Bundesregierung zustimmen.
Jan Böhmermann hatte in der ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ vom 31. März in einem “Schmähgedicht” den türkischen Staatspräsidenten unter anderem als “Ziegenficker” bezeichnet. Das ZDF hatte das Gedicht am 1. April aus der Mediathek gelöscht.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hätte laut ihrer Pressestelle in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu, erklärt, die Bezeichnungen sieen „bewusst verletzend“.
Von Seiten vieler großer Medien bekam der Moderator Böhmermann hingegen Unterstützung – allerdings ist mehr als zweifelhaft, ob die türkische Bevölkerung und auch die deutsche Verständnis dafür hat, dass “normale” Bürger für Beleidigungen verfolgt werden, ein “Satiriker” hingegen davon ausgeht, trotz übelster Beleidigungen und Schmähungen ein “Kunstrecht” in Anspruch zu nehmen.
Jan Böhmermann war am Freitag mit dem Grimme-Preis für den #varoufake, eine Satire um den gefakten Mittelfinger von Gianis Varoufakis und erhielt zudem eine “besondere Ehrung“. Seinen Auftritt hatte er allerdings zuvor wegen der Entwicklungen in Sachen Beleidigung abgesagt und den Preis nicht persönlich entgegengenommen.