30. November 2015. (red/hmb) Haben Sie es schon gehört? Jan Böhmermann hat Polizei. Natürlich haben Sie es schon gehört – es lässt sich gar nicht überhören. Vier Millionen Aufrufe in weniger als einer Woche. Wann hat das zuletzt ein deutscher Song geschafft? Der Erfolg des Videos lässt sich nicht bestreiten – die intellektuelle Qualität dagegen schon. Das Meinungsspektrum ist vielfältig und meistens extrem – was sonst.
Von Hannah-Marie Beck
In seiner Show „Neo Magazin Royale“ nimmt der Satiriker Jan Böhmermann ganz schön viele Leute auf die Schippe.
Kein Wunder, dass man sich mit solchen Witzen, nicht nur Fans, sondern auch einige Feinde macht. Immer mehr Beschwerden und auch Beleidigungen trudeln wohl bei ihm ein.
Ich hab das Gefühl, da ist wahnsinnig viel Aggressivität in der Luft. Ich habe das Gefühl: Ich werde bedroht – mein Leib und Leben wird bedroht,
meint der Satiriker in seiner Sendung und gibt dann mit einem Musikvideo ein klares Statement ab: Mit Jan Böhmermann a.k.a. POL1Z1STENS0HN legt man sich besser nicht an. Denn er hat Polizei!
Ein dummer Scherz? Ganz im Gegenteil – ein virales Musikvideo! Bereits knapp vier Millionen Klicks hat der Song auf Youtube – und das innerhalb von nur fünf Tagen.
Im Video steckt ein enormer Arbeitsaufwand. Es ist regelrecht überladen mit Details und Klischees aus der Rapszene: Bis an die Zähne bewaffnete Kapuzenpuliträger posen vor den BMWs ihrer Papis und der Chefrapper klärt sich die aufreizende Polizistendame. Natürlich in „voller Fahrt“ auf der „heißen Maschine“.
Ob man es gut findet oder nicht – darüber streiten sich die Gemüter. Viele finden es großartig und unglaublich lustig – andere fühlen sich angegriffen und beleidigt. Wiederum andere verteidigen andere, die sich angegriffen fühlen könnten: Der Bayrische Rundfunk etwa befürchtet, dass sich die Flüchtlinge in Deutschland Böhmermanns agrammatischen Sprachgebrauch prompt zu eigen machen würden?!
Bei den Stilmitteln bedient sich Böhmermann an solchen Größen des deutschen Gangsterraps wie etwa Haftbefehl, der schon 2010 Deutsch, Türkisch und Kurdisch zu einem eigenwilligen Sprachgewirr verrührte, das er selbst stolz als „kanakisch“ bezeichnet. Böhmermanns Parodie erntet viel Aufsehen – aber nicht ausschließlich Gegenliebe.
Das Bildungsbürgertum schlägt zurück: Jeglichen Inhalt in den Texten ignoriert ihr vollkommen und macht euch nur noch über die Form lustig. Ihr verarscht Leute, weil sie weniger Bildung haben, weil sie weniger Geld besitzen und weil sie gesellschaftlich unter euch stehen. Das ist schon ganz cool,
urteilt etwa Marcus Steiger, ein auf Hip-Hop spezialisierter Journalist, in einem offenen Brief an Jan Böhmermann.
Reaktion der Polizei
Genauso kritisiert das Lied aber auch die Polizei, indem es sie als durch das Gesetz legitimierten Schlägertrupp darstellt. Ein Textauszug:
Pfefferspray in Auge, Arm verdreht, Polizei hat Spaß. Und das allerbeste ist: Polizei darf das!
Darüber sind natürlich viele der Polizeibeamten nicht sonderlich glücklich. Rainer Wendt, nicht unumstrittener Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sagte gegenüber der Bild:
Das Video ist als Klischee-Sammlung über die Polizei ganz unterhaltsam, als Nachwuchswerbung aber vermutlich ungeeignet.
Andere nehmen es mit Humor, so zum Beispiel Kevin Komolka, Bundesjugendvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Interview mit der „Neon“:
Ich finde das Video sehr gelungen, auch wenn nicht alle Aussagen zutreffen. So wird in dem Video suggeriert, die Polizei wäre immer da und würde immer hinter einem stehen. Bei einem Personalabbau von 16.000 Stellen in den letzten Jahren sieht die Realität anders aus.
Insgesamt stecken hinter Text und Video wohl weitaus weniger Botschaften, als allseits hinein interpretiert werden – weitestgehend ist es nur eine Aneinanderreihung besonders plumper Klischees, über die man sich szeneintern schon seit Jahren, teils seit Jahrzehnten belustigt.
Böhmermann, der von Zeit online schon zum „Satiriker für die aufgeklärte Jugend“ hochstilisiert wurde, bringt genaugenommen wenig Neues ein, worüber sich ernsthaft nachzudenken lohnen würde. Das Stück bleibt Unterhaltung, für Leute, denen es gefällt – mehr nicht.