Rhein-Neckar, 08. Juni 2016. (red) Die enormen Gewitter mit vielen Verletzten durch Blitzschlag haben klar gemacht: Hier lauert eine große Gefahr. Wenn es blitzt, heißt es Schutz suchen, im Auto, im Haus oder auf freiem Feld sollte man sich mit geschlossenen Beinen in eine Mulde hocken. Was aber, wenn es „schon zu spät“ ist, und man selbst oder eine andere Person vom Blitz getroffen wurde? Der Leiter der Zentralen Notaufnahme der Universitätsmedizin Mannheim im Interview.
Interview: Christin Rudolph
Herr Dr. Grüttner, was passiert im menschlichen Körper bei einem Blitzeinschlag?
Dr. med. Joachim Grüttner: Das ist ganz unterschiedlich. Es kommt darauf an, ob der Blitz direkt oder indirekt getroffen hat. Das Gefährlichste ist sicher ein direkter Einschlag draußen, davon enden 30 bis 50 Prozent tödlich. Ein Schlag im Haus durch eine elektrische Leitung zum Beispiel ist in der Regel nicht so schlimm. Schlägt in der Umgebung ein Blitz ein, verteilt sich die Energie, und man kann getroffen werden, ohne dass es zu größeren Verletzungen oder Beeinträchtigungen kommt. Es hängt vom Weg des Stroms durch den Körper ab.
Das Herz ist besonders anfällig
Was sind häufige Verletzungen durch Blitzeinschläge?
Grüttner: Häufig entstehen Verbrennungen, weil ein Blitz durch seine extrem hohe Energie in sehr kurzer Zeit große Hitze entwickelt. Bei Todesfällen sind oft Herzrhythmusstörungen die Ursache. Die Zahl der tödlichen Blitzunfälle schätze ich allerdings auf drei bis sieben pro Jahr deutschlandweit, das Risiko ist also eher gering. Neben dem Herzen können prinzipiell alle Organe betroffen sein, zum Beispiel auch das Gehirn und die Nieren. Das Herz ist aber bei hohen Energiemengen besonders anfällig, weil eine reguläre Herzaktion funktionierende elektrische Impulsen voraussetzt, die in solchen Fällen gestört werden können.
Was sind mögliche bleibende Folgeschäden?
Grüttner: Manchmal können die genannten Herzrhythmusstörungen noch einige Zeit bestehen oder auch mal verzögert auftreten. In einigen Fällen werden chronische Kopfschmerzen oder Schwindel über eine längere Dauer beschrieben. Es gibt auch Patienten, die nach einem Blitzunfall Panikattacken haben oder eine Art posttraumatische Belastungsreaktion entwickeln.
Was kann man machen, wenn jemand vom Blitz getroffen wurde?
Grüttner: Generell gilt, dass man bei Herzstillstand sofort mit der Herzdruckmassage beginnen muss. Die Chance, durch Reanimation einen Patienten wieder stabilisieren zu können, ist umso höher, je kürzer der Herzstillstand zurückliegt. Angst vor Reststrom nach Blitzeinschlägen ist unbegründet. Aber wie gesagt, ein solcher Herzstillstand durch Blitzeinschlag ist extrem selten. Persönlich habe ich das als Notfallmediziner hier in Mannheim noch nie erlebt. Man sollte aber, wenn man in der Nähe eines Blitzeinschlags war, auch wenn man sich gut fühlt, auf jeden Fall beim Arzt ein EKG machen lassen.
Anm. d. Red.: Wir hatten vor den Gewittern und Blitzschlägen gewarnt und seitdem kontinuierlich berichtet – weit über 100 Menschen sind verletzt worden, viele durch Blitzschläge. Über ein Dutzend Menschen sind infolge der Unwetter gestorben. Alle Texte zu den Unwettern finden Sie hier – schützende Verhaltensmaßnahmen hier.