Mannheim, 08. Juni 2016. (red/ms) Die Multihalle im Herzogenriedpark war im Rahmen der Bundesgartenschau 1975 als temporärer Bau vorgesehen. Sie steht noch heute – allerdings verschlechtert sich ihr Zustand zunehmend. Eine Generalsanierung würde Mannheim wohl mindestens 11,6 Millionen Euro kosten. Das kann sich die Stadt nicht leisten. Nun soll eine Crowdfounding-Kampagne das Kulturdenkmal retten. Wenn das nicht reicht, steht wohl 2018 der Abriss bevor.
Eigentlich hatte die Halle nur neun Monate stehen sollen – daraus wurden inzwischen mehr als 40 Jahre. Gegen Ende der 90er-Jahre wurde die Multihalle sogar zum Kulturdenkmal erklärt. Doch inzwischen zeigen sich überall an der Konstruktion die Spuren des Verfalls.
In einer öffentlichen Vorlage der Stadtverwaltung heißt es:
Bis auf die Dachhaut, die 1981 neu aufgebracht wurde, befindet sich das Bauwerk nach 40 Jahren noch weitgehend im Originalzustand.
Für die Instandhaltung der Halle wurde so gut wie nichts unternommen. Nun ist der Zustand so kritisch, dass dringender Handlungsbedarf besteht: Wie die Verwaltung mitteilt, löse sich die PVC-Membran der Dachhaut punktuell auf. Dadurch sei die Konstruktion höchst anfällig für Beschädigungen geworden – sie biete beispielsweise „zunehmend weniger Schutz vor Witterungseinflüssen“.
Um die Multihalle noch zu retten, wären nun Maßnahmen und Ausgaben nötig, die von der Stadtverwaltung als „unzumutbar“ eingestuft werden: So wäre die Generalsanierung, beziehungsweise Wiederherstellung mit einem Mindestaufwand von 11,6 Millionen Euro einzuplanen. Weitere Risiken im Bauverlauf könne man zudem kaum abschätzen – mehrfach wurde seitens Verwaltung und Stadträte darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Kosten am Ende weitaus höher liegen könnten.
„Alleine kann Mannheim das nicht leisten“
Am vergangenen Dienstag wurde im Hauptausschuss debattiert, wie weiter mit der Halle verfahren werden solle. Dabei herrschte ganz überwiegend der Konsens, dass eine Erhaltung des Gebäudes nicht alleine durch die Stadtkasse zu finanzieren sei. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) führte dazu aus:
Wenn weit über Mannheim hinaus ein Interesse am Erhalt der Halle besteht, folgt darauf die Frage, wie weit auch eine öffentliche Bereitschaft vorhanden ist, die Finanzierung mitzutragen. Alleine kann Mannheim das nicht leisten.
Es sei bislang kein überzeugendes Nutzungskonzept für den Fall einer Sanierung vorgelegt – die Multihalle würde nach einer Millioneninvestition also entweder leer stehen oder so genutzt werden, dass weitere Folgekosten entstünden.
Narbe in der Neckarstadt?
Darauf erwiderte CDU-Stadtrat Steffen Ratzel:
Die Frage, ob sich Kulturdenkmäler wirtschaftlich rechnen müssen, ist mir neu. Normalerweise ist man froh, wenn man welche hat.
Ein Abriss würde „eine Narbe im Herzogenriedpark zurücklassen“ und der Neckarstadt schaden. Außerdem habe sich die Bedeutung der Multihalle in der jungen Vergangenheit noch erhöht, nachdem ihrem Architekten Frei Otto 2015 posthum der Pritzker-Preis verliehen wurde.
Herr Ratzel blieb allerdings der einzige Stadtrat, der sich deutlich für den Erhalt aussprach – alle anderen erachten dafür mindestens die Beteiligung von Sponsoren zur Voraussetzung.
Lange Unentschlossenheit
Laut Prof. Dr. Achim Weizel (Mannheimer Liste) werde man die Mannheimer im Fall eines Abriss‘ als Banausen bezeichnen – in Anbetracht der finanziellen Lage der Stadt müsse man eine Sanierung dennoch ablehnen (Anm. d. Red.: Herr Weizel äußerte sich außerdem – nach Einschätzung der Redaktion – in einer unsäglich respektlosen und weitgehend substanzlosen Weise über die Arbeit von Baubürgermeister Lothar Quast (SPD). Da dieser Konflikt jedoch nichts mit der sachlichen Debatte zutun hat, wollen wir darauf an dieser Stelle nicht eingehen.)
Mehrfach wurde seitens verschiedener Stadträte kritisiert, dass nicht schon viel früher in den Erhalt der Konstruktion investiert worden ist. Nach Kenntnisstand der Redaktion gab es zwar immer wieder Debatten, wie temporär die Jahrzehnte alte Halle denn nun sein solle – Investitionsentscheidungen wurden jedoch wieder und wieder vertagt und hinausgezögert.
Absurde Ideen
Am deutlichsten sprach sich ALFA-Stadtrat Eberhard Will (weder Architekt noch Ingenieur) gegen eine Sanierung aus. Wer stabil bauen wolle, setze auf Dreiecke oder Fünfecke – nicht auf Rauten, wie in der Multihalle:
Die Vierecks-Konstruktion ist ein architektonischer Irrweg, der jetzt auch noch geadelt werden soll.
Konservierung und Erhalt wären „absurde Ideen“, aus denen „die reine Verachtung gegenüber den Steuerzahlern“ spreche:
Dem Park wird es keinen Abbruch tun, wenn es diese Halle nicht mehr gibt.
Darauf erwiderte Thomas Trüper (Die Linke), dass die Halle, die ja zunächst als temporärer Bau geplant gewesen ist, zumindest über eine gewisse Stabilität verfügen müsse, wenn sie nach 40 Jahren immer noch stehe, ohne dass man sich um den Erhalt gekümmert hätte – „auch wenn das Ingenieurbüro Will das anders sieht“.
Wie hoch ist das internationale Interesse?
Womöglich wird sich der Mannheimer Gemeinderat Ende 2017 für einen Abriss entscheiden müssen. Das dürfte für Aufmerksamkeit in der Architekturszene sorgen. Brisant ist der Fall vor allem, weil es sich um eine außergewöhnliche architektonische Konstruktion handelt. Seitens der Verwaltung heißt es, die Multihalle sei bis heute die größte Holzgitterschalenkonstruktion der Welt und international unter Experten bekannt – auch wenn viele dieser Experten nicht wüssten, wo genau sich die Halle befindet.
Denkmalbehörden hätten sich zudem ausdrücklich für den Erhalt ausgesprochen, alternativ käme auch eine „Konservierung“ in Betracht. Das wäre wohl eine Art „lebensverlängernde Maßnahme“, denn dadurch würde sich der Zustand nicht verbessern, sondern nur vom vollständigen Verfall verschont bleiben. Oberbürgermeister Dr. Kurz bezeichnet diese Variante als „worst-case-Szenario“, da die Multihalle in einem heruntergekommenen Zustand erhalten bliebe und weiterhin nicht genutzt werden könnte. Die Kosten lägen bei etwa 3,4 Millionen Euro.
Unterschätztes Weltkultur-Erbe?
Nach Darstellung der Verwaltung komme die Multihalle allerdings sogar als Weltkultur-Erbe in Betracht. Die Initiative geht offenbar auf Architektenverbände zurück, die Frei Otto würdigen wollen. Wie Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz dazu anmerkt, würde eine Bewerbung aber zunächst weitere Kosten verursachen – die Stadt würde nicht automatisch Bundesmittel erhalten und die Aussichten auf Erfolg wären sehr unklar.
Aktuell gibt es keinen Finanzierungsplan. Wie groß die internationale Spendenbereitschaft von Architekten oder auch anderen Privatpersonen ist, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Die Stadt wird voraussichtlich eine Werbekampagne starten. Neben Zuschüssen von Land und Bund werde man sich um alternative Finanzierungskonzepte wie Crowdfunding oder Sponsoring bemühen:
Lässt sich dies bis Ende 2017 nicht realisieren, bleibt nur der Antrag auf Dokumentation und Rückbau.
Das heißt im Klartext: Abriss.