Rhein-Neckar/Stuttgart, 05. Februar 2016. (red/pro) Wir haben Guido Wolf, CDU-Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl zum Interviewtermin in Baden-Baden getroffen. Der Kretschmann-Herausforderer will klar die Begrenzung der Flüchtlingszahlen, will die Polizei stärken und fordert mehr Investitionen in schnelle Datenleitungen. Er vermeidet schrille Töne, lobt sogar den Innenminister Gall (SPD) und setzt klar auf den Sieg bei der Landtagswahl am 13. März.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Wolf, sind Sie im Moment glücklich mit der Kanzlerin Dr. Angela Merkel?
Guido Wolf: Ja. Ich bin mit der Kanzlerin in einem ständigen Austausch. Ich weiß um ihre Herausforderungen und sie um meine. Insofern bin ich auch ganz zuversichtlich, was den 13. März angeht.
Aber es wäre Ihnen doch sicher recht, wenn sie in Sachen Flüchtlingskrise ein bisschen mehr holzen könnten. Oder nicht?
Wolf: Ich glaube, die Herausforderung ist so groß, dass man sich nicht die Frage stellen sollte, wie stark es jetzt zu holzen gilt. Damit würde man auch nicht die Stimmungslage in der Bevölkerung treffen. Sie wollen uns nicht holzen sehen, sie wollen uns nicht reden sehen. Sie wollen uns handeln sehen. Sie wollen Lösungen. Und klar ist, dass wir uns nicht noch ein Jahr mit über einer Million weiteren Flüchtlingen erlauben können. Das würde die Integrationsfähigkeit unseres Landes bei weitem übersteigen.
Ich will auch ausdrücklich einräumen, dass jede Regierung, die aktuell im Amt wäre, von manchen Entwicklungen überrascht werden würde.
Die aktuelle Landesregierung gerät durch die angestiegenen Flüchtlingszahlen massiv unter Druck. Am Anfang lief alles noch zäh und sehr chaotisch. Jetzt gibt es im Patrick Henry Village Heidelberg ein Registrierungszentrum und dort scheint es ja recht gut zu laufen. Wie sehen Sie das? Und gibt es noch Verbesserungspotenzial?
Wolf: Ich will nicht alles schlecht reden, was die Landesregierung macht und ich will auch ausdrücklich einräumen, dass jede Regierung, die aktuell im Amt wäre, von manchen Entwicklungen überrascht werden würde. Allerdings muss ich auch sagen: Wir haben jetzt schon ein paar Monate mit der Flüchtlingswelle zu tun. Und mit einigen Abläufen bin ich sehr unzufrieden.
Was meinen Sie konkret?
Wolf: Vergangene Woche musste der Innenminister bei einer Debatte im Landtag einräumen, dass mindestens 2.500 Flüchtlinge in Baden-Württemberg unterwegs sind, ohne registriert worden zu sein. Das kann nicht sein. Das macht den Menschen Angst: Wir wollen wissen, wer hier unterwegs ist, woher diese Menschen kommen und warum sie sich hier aufhalten. Außerdem habe ich kein Verständnis für die Art, wie die Landesregierung mit Personen umgeht, die keinen Aufenthaltstitel haben, deren Asylverfahren rechtskräftig abgelehnt ist und die aus sicheren Herkunftsländern sind. Laut Auskunft des Innenministeriums gibt es davon knapp 10.000 in Baden-Württemberg – und die werden nicht abgeschoben. Da frage ich mich: Warum? Hier muss konsequenter gehandelt werden. Ich sehe also insgesamt schon einen erheblichen Nachholbedarf, was die grün-rote Abwicklung der Flüchtlingswelle angeht.
Auf die Kommunen kommt eine große Wohnungsnot zu – unsere Vorschläge zur Lösung wurden von der Regierung abgebürstet.
Sie waren lange Landrat und kennen die Befindlichkeiten der Landkreise und Gemeinden. Denen steht in naher Zukunft eine riesige Herausforderung bevor: Bei beschleunigten Verfahren werden die Flüchtlinge schneller zugewiesen, die Unterbringungsplätze sind schon jetzt knapp und weitgehend ausgereizt. Insbesondere im ländlichen Raum ist die CDU ja sehr gut aufgestellt. Aber gerade hier werden sich die Auswirkungen der Flüchtlingskrise bald besonders bemerkbar machen. Macht Ihnen das Sorgen? Wird das an der CDU hängen bleiben?
Wolf: Zunächst einmal regiert ja aktuell Grün-Rot. Und ich habe etwas dagegen, die Opposition für die Probleme, die jetzt vorhanden sind, verantwortlich machen zu wollen. Wir haben uns in den letzten Monaten mit vielen Vorschlägen eingebracht und die sind allesamt von der Regierung abgebürstet worden. Wir wollten frühzeitig die Zusammenführung von Erstaufnahme, medizinischer Versorgung, ausländerrechtlicher Abwicklung, bis hin zur Zurückführung an einem Ort. Das hat die Landesregierung immer abgelehnt. Wir haben Vorschläge unterbreitet zur Vereinfachung im Wohnungsbau. Jetzt kommt die große Wohnungsnot und natürlich wird das in den Kommunen zu spüren sein.
Was muss jetzt getan werden?
Wolf: Es wäre fatal, den Menschen den Eindruck zu vermitteln, die Politik würde sich erst jetzt um Wohnungsnot kümmern, nachdem Flüchtlinge ins Land gekommen sind. Wir müssen ganz klar darauf achten, dass wir alle Maßnahmen mit Blick auf die gesamte Bevölkerung umsetzen, also auch für die Menschen, die schon hier sind und auch die leiden ja teils unter einer Wohnungsnot: Die alleinerziehende Mutter, die sozial Schwachen, die Arbeitslosen müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Die Kommunen brauchen jetzt mehr Unterstützung und massive Förderung von sozialem Wohnungsbau. Da ist das, was die Landesregierung bislang bereit ist, an Mitteln hereinzugeben, viel zu wenig. Die CDU hat den Betrag von 250 Millionen Euro in den Raum gestellt, außerdem müssen wir uns bemühen, an mehr Bundesmittel heranzukommen.
Wir müssen die Landesbauordnung entrümpeln und Wohnraum schaffen.
Und mit mehr Geld läuft dann alles automatisch?
Wolf: Nein, es muss noch mehr kommen. Wir müssen viele Vorgaben entrümpeln. Wenn ich mir anschaue, was in den letzten fünf Jahren allein in der Landesbauordnung an zusätzlichen Hürden geschaffen worden ist, dann ist das jetzt ein Ballast, dann sind das Bremsklötze, wenn es darum geht, schnell zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Das Land muss entlasten und den Kommunen stärker unter die Arme greifen. Hier ist eine Kommunikation auf Augenhöhe erforderlich. Das ist aber nicht die Stärke von Grün-Rot. Der Ministerpräsident hat ja sogar selbst auf der Hauptversammlung des Gemeindetags gesagt, man arbeite mit den Kommunen gut zusammen, aber eben nicht auf Augenhöhe. Er sieht sie als untere Verwaltungsbehörde, als verlängerten Arm.
Im ländlichen Raum gibt es sehr viele CDU-Bürgermeister, auch die überwiegende Mehrheit der Landräte sind CDU-Mitglieder. Kann es sein, dass es hier politisch einfach nicht harmonisiert?
Wolf: Die Hauptversammlung des Gemeindetags war sicher keine CDU-Parteiveranstaltung. Da waren genügend Kommunalpolitiker von den Freien Wählern, die hier in Baden-Württemberg traditionell ja ebenfalls stark vertretend sind, und auch Vertreter von SPD und Grünen gleichermaßen empört, wie die Landesregierung – und vor allen Dingen auch der Ministerpräsident – über die Kommunen reden. Zwischen der grün-roten Landesregierung und den Kommunen gibt es eine spürbare Entfremdung. Und das ist das gefährlichste, was man sich in einer Situation, in der man gezwungen ist, gut zusammenzuarbeiten, leisten kann.
Der Frust bei der Polizei ist erheblich. Entscheidend ist, dass wir die Polizei personell stärken.
Ein wichtiges Thema, das die Bevölkerung gerade bewegt, ist die Innere Sicherheit. Sie und die CDU kritisieren immer wieder die Polizeireform unter Grün-Rot. Das habe ich nie richtig verstanden. Die Polizisten, mit denen ich rede, sind fast alle zufrieden. Sie sagen: „Wir haben jetzt immerhin mehr Leute auf der Straße. Aber insgesamt zu wenig Personal, trotz der Reform.“ War es ein Fehler, so lange gegen die Polizeireform zu arbeiten und damit indirekt auch die Polizei in Unruhe zu versetzen?
Wolf: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Der Frust bei der Polizei ist erheblich, wenn man die Beamtinnen und Beamten fragt. Das mag in den unterschiedlichen Hierarchien vielleicht unterschiedlich bewertet werden. Je weiter Sie aber nach unten gehen, je näher sie den Streifenbeamten kommen, desto größer ist der Unmut über diese völlig überdimensionierte Polizeireform. Sie hat viel zu große Präsidien geschaffen. Sie hat lange Wege verursacht. Nicht einmal als CDU wird man das nach der Wahl direkt alles rückgängig machen können, das will auch die Polizei nicht. Aber man muss an der einen oder anderen Stelle korrigieren. Entscheidend ist, dass wir die Polizei personell stärken. Wir haben im Wahlprogramm 1.500 Stellen für die Polizei veranschlagt und das ist zwingend, wenn man sieht, welche zusätzlichen Aufgaben auf die Polizei zukommen.
Was denn zum Beispiel?
Wolf: Da sind einmal die Einsätze in und rund um Flüchtlingsunterkünfte – davon brauche ich den Heidelbergern und Mannheimern ja nichts erzählen. Wenn es hier zu Massenschlägereien kommt, dann rücken nicht zwei Streifenwagen an, sondern fünf Mannschaftswagen. Da sind polizeiliche Kräfte im großen Maßstab gebunden und die fehlen dann natürlich an anderer Stelle. Eine andere Gefahr für die Innere Sicherheit ist der Terrorismus, der durch die Anschläge in Frankreich natürlich näher an uns herangerückt ist. Die Polizei braucht Verstärkung, sie braucht kurze Wege und sie braucht politischen Rückhalt. Dafür steht die CDU.
Das Modell „Haus des Jugendrechts“ muss gestärkt und ausgebaut werden.
Was in der Debatte fehlt: Bei der Diskussion um die Innere Sicherheit geht es meistens ausschließlich um die Polizei. Was ist denn mit der Staatsanwaltschaft und mit der Justiz? Wenn Täter gefasst werden, aber die Prozesse erst ein drei Viertel Jahr später laufen, dann dauert das einfach zu lange. Was kann die CDU hier leisten?
Wolf: Die Sorge ist völlig berechtigt. Die Strafe muss der Tat auf den Fuß folgen – das muss wieder verstärkt gelten, vor allem im Bereich der jungen Straftäter. Gerade Heranwachsende müssen unmittelbar im Anschluss an die Tat verurteilt werden. Deswegen haben wir in unserem Wahlprogramm eine Verstärkung und Ausweitung der Häuser des Jugendrechts, da gibt es gute Beispiele, in Stuttgart, in Mannheim. Dieses Modell muss gestärkt und ausgebaut werden. Aber auch über die Zielgruppe der Jugendlichen hinaus braucht es eine engere Verzahnung von Polizei, Justiz und Staatsanwaltschaft. Ich kann auch den Frust der Polizei verstehen, die mit hohem Einsatz Täter dingfest machen – um dann zu erleben, dass die Verdächtigen durch die Justiz relativ bald wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Es steht mir nicht zu, hier die richterliche Tätigkeit zu kritisieren. Aber ich kann den polizeilichen Frust erkennen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die weitere Arbeit. Ein starker Staat, den die Bürger zurecht erwarten, setzt nicht nur eine starke Polizei voraus, sondern ebenfalls eine – personell – starke Justiz, die die Ermittlungsergebnisse der Arbeit der Polizei zügig und konsequent verarbeiten kann.
Wir müssen die Rückführung straffälliger Personen aus den Maghreb-Staaten konsequenter durchsetzen.
In Mannheim war vor kurzem eine Gruppe Unbegleiteter Minderjähriger Ausländer unterwegs, hochgradig kriminell und straffällig. Von diesem Problem hört man auch aus anderen Gegenden, häufig kommen die Täter aus Maghreb-Staaten und sind nur in den seltensten Fällen abzuschieben, weil die Herkunftsländer sie nicht zurücknehmen wollen. Wie kann man damit umgehen?
Wolf: Wir müssen die Verfahren, gerade für Personen aus den Maghreb-Staaten, die straffällig geworden sind, beschleunigen und die Rückführung konsequenter durchsetzen.
Aber das können sie ja aus Baden-Württemberg heraus nicht so einfach entscheiden, oder?
Wolf: Moment! Wir können uns sehr wohl daran beteiligen, dass diese Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Das hat die Bundesregierung vorgeschlagen. Und die baden-württembergische Landesregierung hat die Möglichkeit im Bundesrat zuzustimmen. Wenn wir hier die notwendige Mehrheit zusammenbekommen, haben wir Grundlagen geschaffen. Und wenn Länder uns signalisieren, dass sie ihre Bürger, die hier bei uns straffällig geworden sind, nicht zurücknehmen wollen, dann müssen wir – mit Verlaub – auch darüber reden, diesen Ländern in der Folge Entwicklungshilfe zu geben oder eben nicht. Wir erwarten hier ganz klar Kooperationsbereitschaft.
Das Gefahrenpotenzial in unserem Land wird größer.
Deutschland ist jetzt in Verhandlungen mit der Türkei. Das ist nicht unbedingt ein Landesthema, aber wie ist Ihre Einschätzung: Sehen Sie schon einen Effekt, dass weniger Flüchtlinge kommen?
Wolf: Die Türkei hat durch ihre geographische Lage sicher eine Schlüsselposition. Die Kanzlerin ist aktuell in intensiven Gesprächen und wir müssen abwarten, was die in den nächsten Tage und Wochen bringen. Ich vertraue auf ihre Überzeugungskraft. Die Türkei erwartet natürlich finanzielle Unterstützung, wenn sie noch mehr Flüchtlingslager errichten soll. Das wäre sinnvoll und wichtig für uns, dann könnten wir von diesen Lagern aus womöglich eine europäische Kontingentierung erreichen.
In Mannheim kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Türken und Kurden. Wir haben schon vor zwei Jahren gewarnt, dass die Konstellation mit Türken, Syrern und Kurden uns hier vor Ort einholen wird. Sehen Sie hier große Herausforderungen für die Innere Sicherheit, was Kurden gegen Türken angeht? Gerade in Mannheim und Stuttgart – das sind ja beides große Türkenstädte – kann es da jederzeit knallen.
Wolf: Diese Gefahr ist latent vorhanden und wird immer wieder greifbar. Ich bin kein Politiker, der solche Konfliktsituationen herbeireden will. Aber man muss nur nüchtern bewerten und registrieren, was sich hier immer wieder abspielt. Das Gefahrenpotenzial in unserem Land wird größer. Und deswegen sind wir umso mehr gefordert, dem gerecht zu werden, was die Menschen von einem starken Staat erwarten: Nämlich, dass wir diejenigen, die unsere Freiheit missbrauchen, um Straftaten zu begehen, die klare Konsequenz, also die schnellstmögliche Rückführung in die Heimat, verdeutlichen.
Ich fordere Sachleistungen, weil ich Fehlanreize konsequent abbauen will.
Sie fordern Sachleistungen statt Taschengeld für Flüchtlinge. Warum? Es heißt, Sachleistungen kämen am Ende teurer.
Wolf: Mir erschließt sich nicht, weswegen Sachleistungen teurer sein sollten als ein Taschengeld. Aber ich fordere das auch gar nicht, weil es mir darum geht, dass man damit vielleicht günstiger davon kommt. Ich fordere das, weil ich Fehlanreize konsequent abbauen will. Wir wissen doch, dass viele Flüchtlinge das Taschengeld nutzen, um große Teile davon direkt in die Heimat zu geben. Wer wegen politischer Verfolgung zu uns kommt, dem muss das Existenzminimum gesichert sein. Das kann man durch Sachleistungen gewährleisten, auch wenn es in der Abwicklung sicher nicht immer ganz einfach ist. Aber wir sind jetzt gefordert, falsche Anreize konsequent abzubauen, um nicht weiter Menschen zu motivieren, sich nur deswegen zu uns auf den Weg zu machen.
Wir müssen dringend daran arbeiten, die Residenzpflicht zurückzubekommen. Jegliche politische Erwägungen sind dabei völlig sekundär.
Sie wollen außerdem die Residenzpflicht für Flüchtlinge wieder einführen. Wenn sich die Flüchtlinge frei bewegen können, zieht es sie vermutlich eher vom Land in die Städte als umgekehrt. Die Städte Baden-Württembergs tendieren eher in Richtung grün, das Land in Richtung schwarz. Könnte Ihnen das nicht zum Problem werden? Sollen die Flüchtlinge dann nicht eher in den Städten bleiben?
Wolf: Wir hatten die Residenzpflicht ja schon einmal und sie ist im September 2014 von Herrn Kretschmann wegverhandelt worden. Das war die Voraussetzung, damit er der Erklärung, weitere Balkanstaaten zu sichern Herkunftsländern zu machen, zustimmen würde. Herr Kretschmann hat sich damals gerühmt, das sei ein Mehr an Selbstbestimmung für die Flüchtlinge. Daran muss er sich heute messen lassen. Wir müssen dringend daran arbeiten, die Residenzpflicht zurückzubekommen. Jegliche politische Erwägungen sind dabei völlig sekundär. Für mich ist entscheidend, dass ein Flüchtling, der im Land ist, und für den ein Asylverfahren abgewickelt werden soll, jederzeit für die Behörden greifbar ist. Es kann nicht sein, dass etwa eine Anhörung stattfinden soll und wir überhaupt nicht wissen, wo er sich aufhält. Asylbewerber müssen an einen lokalen Einzugsbereich gebunden sein, damit das Verfahren zügig abgewickelt werden kann.
Viele hoffen den Mangel an Fachkräften mit Hilfe der Flüchtlingskrise bewältigen zu können. Nach unseren Recherchen funktioniert das nicht so einfach.
Wolf: Auch für mich ist da die Euphorie, die in den ersten Reaktionen erkennbar wurde, nicht sofort nachvollziehbar. Aber ich will auch nicht die Chance kleinreden. Es wird aus dem Kreis derer, die zu uns kommen, Menschen geben, die mit einem gewissen Aus- und Weiterbildungsaufwand für manche unserer Betriebe als Arbeitskräfte einsetzbar sind. Wer zu uns kommt, wer anerkannt wird und eine Bleibeperspektive bekommt, dem müssen wir auch nach Kräften Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt ermöglichen, damit er auch möglichst schnell auf eigenen Füßen steht. Aber die Erwartungen sind da und dort schon deutlich überzogen. Ich habe mich neulich mit Ausbildungsleitern und Rektoren verschiedener Schulen unterhalten. Und es werden mindestens zwei Drittel derer, die kommen, höchst schwierig zu integrieren sein. Allein die Sprachkenntnisse sind schon eine gewaltige Hürde. Der Aufwand, der hier betrieben werden muss, ist riesig.
Die CDU will den Unterricht wieder differenzierter und abgestimmt auf die Fähigkeiten der jungen Lernenden statt einer Gleichmacherei in der Bildungspolitik.
Wirtschaftlich steht Baden-Württemberg gut da. Wenn Sie die nächsten Jahre betrachten: Wird das so bleiben? Wo gibt es Entwicklungsperspektiven? Was muss das Land unterstützen und fördern?
Wolf: Aktuell ruhen sich Land und Regierung zu sehr auf dem Bestehenden aus. Mir fehlen die Impulse, die Innovationskraft, die Leidenschaft, in die Zukunft zu investieren. Gerade wenn ich die digitale Entwicklung anschaue, passiert in Baden-Württemberg zu wenig. Die Landespolitik muss jetzt Sorge tragen, dass alle Zugang zu schnellen Datenleitungen bekommen. Glasfaser darf keine Ausnahme bleiben, sondern muss zur Regel werden. Was für Wirtschaft und Fachkräfte ebenfalls ungemein wichtig ist, ist Bildung. Bessere Bildung.
Das heißt?
Wolf: Wir haben momentan ein Chaos an unseren Schulen. Der Ärger war auch zu unserer Regierungszeit nie ganz verstummt und auch hier gab es Kritik. Aber so groß, wie der Ärger im Moment ist, war er noch nie. Weil die Landesregierung ihre gesamte Aufmerksamkeit nur auf die Gemeinschaftsschule richtet. Bewährte Schulen, wie Realschulen oder Gymnasien, werden zweitrangig behandelt. Nach unserer Vorstellung müssen sie wieder in den Mittelpunkt gestellt werden und brauchen mehr Geld. Auch die Berufsschulen sind eine starke Marke Baden-Württembergs, die wir als solche erhalten wollen. Aber auch sie sind in Gefahr. Die CDU will den Unterricht wieder differenzierter und abgestimmt auf die Fähigkeiten der jungen Lernenden statt einer Gleichmacherei in der Bildungspolitik.
In der Wirtschaft hängt fast alles mit Energie zusammen. Bei uns in der Region ist Windkraft gerade ein Riesenthema. Was halten Sie von der grün-roten Energiepolitik?
Wolf: Auch die CDU hat Windkraft und ihre Potenziale in ihrem Energiekonzept – aber lange nicht in der Dimension wie etwa die Grünen. Ich halte es für völlig unrealistisch, davon auszugehen, dass der Anteil der Windenergie am Energiemix bis zum Jahr 2020 auf zehn Prozent erhöht werden kann, wie es die aktuelle Landesregierung vorhat. Baden-Württemberg ist kein Windland und wird auch nie eines werden. Es gibt ausgewählte Standorte, wo der Eingriff in Natur und Landschaft in einem gesunden Verhältnis zu Energieeffizienz und Ertrag steht. Dort macht Windkraft Sinn. Aber so viele Standorte dieser Art gibt es in Baden-Württemberg leider einfach nicht. Wir müssen das Thema Energie global angehen und Windkraft dort abholen, wo sie auch tatsächlich vorhanden ist.
Der Innenminister hat da und dort eine Politik gemacht, die wir mitbetrieben hätten.
Was hat die Landesregierung denn in den vergangenen Jahren gut gemacht?
Wolf: Ich finde gut, dass die Kommunen im Bereich der Kinderbetreuung mehr Mittel zur Verfügung gestellt bekommen haben. Das schafft Verlässlichkeit. Allerdings kritisieren wir die Art und Weise, woher Grün-Rot das Geld geholt hat, nämlich aus der Erhöhung der Grunderwerbsteuer um 1,5 Punkte. Ich würde dem Innenminister durchaus da und dort eine Politik bescheinigen, wie auch wir sie bereit gewesen wären, im Einklang mit ihm zu betreiben. In Summe hat Grün-Rot aber zu viel falsch gemacht und wir brauchen eine bessere Politik.
Ihr Wunschpartner für eine Koalition ist ja bekanntlich die FDP, nach den aktuellen Umfragen wird es aber nicht für eine Mehrheit reichen. Können Sie sich auch eine Koalition mit der SPD, den Grünen oder womöglich sogar beiden vorstellen?
Wolf: Was? Mit beiden gemeinsam? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
Ich will die AfD zwingen, Gesicht zu zeigen.
Eine Koalition mit der AfD ist ausgeschlossen?
Wolf: Mit der AfD machen wir nichts. Aber FDP, SPD und Grüne sind für mich potenzielle Koalitionspartner und da muss man den Tag nach der Wahl abwarten. Dann werden wir uns zusammensetzen und Überschneidungen prüfen.
Vergangene Woche war Frauke Petry in Mannheim. 450 Leute in einem Schützenhaus, 200 haben nicht mehr reingepasst. Wegen einer Krawall-Antifa waren 160 Polizisten im Einsatz. Die AfD zieht gerade Leute an in einem Maße, wie uns das sonst bei politischen Veranstaltungen nicht bekannt ist. Wie wollen Sie mit der AfD umgehen?
Wolf: Eines vorweg: Wenn ich als Redner auf CDU-Veranstaltungen auftrete, kommen teils auch 400 oder sogar 500 Menschen. Der Zuspruch für unsere Partei ist groß. Zum Umgang mit der AfD: Ich empfinde es als Arroganz der Macht, dass der Ministerpräsident dem SWR diktieren wollte, wer als Diskussionspartner eingeladen wird und wer nicht. So eine Einflussnahme ist ungeheuerlich. Und die Tatsache, dass es jetzt wieder anders ist, zeigt, dass SPD und Grüne offenbar erkannt haben, was für ein gravierender Fehler das war. Wir werden die Partei und ihre Positionen entlarven müssen. Ich will die AfD zwingen, Gesicht zu zeigen. Das halte ich für entscheidend. Wir dürfen denen nicht durchgehen lassen, nur mit plakativen Parolen zu werben. Wir müssen auch andere Problemfelder und Themen zur Diskussion stellen: Was sagt ihr denn zur Bildung? Wie wollt ihr die Verkehrsprobleme angehen? Wie soll die Innere Sicherheit denn konkret verbessert werden? Und dann wird sehr schnell erkennbar werden, dass diese Partei Emotionen und Ängste schürt, aber keine tragfähigen Antworten liefern kann.
Zur Person:
Guido Wolf, geboren am 28. September 1961 in Weingarten, Landkreis Ravensburg, ist Spitzenkandidat der CDU für die kommende Landtagswahl am 13. März.
Er ist seit 2015 Landtagsfraktionsvorsitzender der CDU Baden-Württemberg.
Seit 2006 ist er Landtagsabgeordneter. Von 2003 bis 2011 war er Landrat des Landkreises Tuttlingen und von 2011 bis 2015 baden-württembergischer Landtagspräsident.
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