Bammental, 04. Juli 2017. (red/pro) Als der Pflegedienst kündigt und nicht mehr kommt, bricht für Karl Zeidler (71) seine Welt zusammen. Er ist auf Assistenz rund um die Uhr angewiesen. Seit dem 01. Juli haben seine Frau und sein Sohn, der in Köln studiert, die Hilfen übernommen, die er braucht. Doch das ist nur eine Notlösung. Über Facebook ruft er nach Hilfe – und möglicherweise erhält er diese auch bald wieder.
Von Hardy Prothmann
Karl Zeidler merkte schon als junger Bub, dass er krank ist. Ab acht Jahren fiel ihm das Laufen immer schwerer, er brauchte mehr und mehr Betreuung. Die Ärzte diagnostizierten eine spinale Muskelathrophie – immer mehr Nervenzellen degenerieren und können keine „Befehle“ mehr an die Muskeln senden. Die Muskeln funktionieren – aber sie können nicht gesteuert werden.
Seit er 31 Jahre alt ist, braucht er rund um die Uhr Betreuung, weil er nichts mehr selbst kann. Wenn es irgendwo juckt, muss ihn jemand anderes kratzen. Er muss gefüttert werden. Wenn er Durst hat, braucht er jemanden und nachts muss er alle drei Stunden im Bett gewendet werden.
Was er kann, ist seine Stimme zu benutzen und seine Bedürfnisse äußern.
Ich führe trotzdem ein normales und gutes Leben,
sagt er am Telefon. Und weiter:
Mit der Assistenz meiner Helfer konnte ich reisen und die Welt erleben. Mein Leben ist für mich dann die Hölle, wenn ich keine Assistenz habe, denn ich bin absolut darauf angewiesen.
Früher, als es noch Zivildienstleistende gab, betreuten ihn die jungen „Zivis“, mal besser, mal schlechter. Aber es waren immer genug da. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes fielen diese Helfer aus. Nun braucht er die Hilfe von professionellen Pflegediensten. Die Kosten übernehmen die Pflegekasse und das Sozialamt.
In seiner Not schildert er auf Facebook, dass er dringend einen Pflegedienst braucht oder möglicherweise auch Arbeitgeber werden könnte. Dann erhält er ein Budget über das Sozialamt und muss die Assistenten selbst beschäftigen:
Das wäre die letzte Lösung und eine sehr unsichere. Als Arbeitgeber müsste ich viel wissen, das ganze Arbeitsrecht kennen. Was, wenn jemand krank wird, wie den Urlaub überstehen? Das ist eine letzte Möglichkeit, aber eine voller Risiken.
Sein Facebook-Hilferuf wurde innerhalb von 24 Stunden über 12.000 Mal geteilt und fand Gehör. Es meldete sich heute am Morgen eine Dame, die einen Pflegedienst leitet:
Das wäre eine so glückliche und schnelle Fügung,
freut sich Herr Zeidler.
Meine Frau und mein Sohn sind für mich da, aber das möchte ich denen nicht zu lange zumuten und mein Sohn muss doch studieren und sein eigenes Leben führen können.
Beeindruckend ist, wie lebensfroh und zuversichtlich Herr Zeidler im Telefonat ist. Die Stimme ist brüchig, die Krankheit wirkt sich auch hier aus, aber er ist ingesamt gut zu verstehen, formuliert sehr gewählt und kommt ohne böse Worte gegen den Pflegedienst aus, der ihm gekündigt hat:
Wissen Sie, ich habe ja überhaupt kein Interesse an Streit. Deswegen nenne ich auch den Namen nicht. Ich brauche Assistenz, um normal leben zu können. Die haben ich verloren und mit etwas Glück habe ich bald wieder diese Hilfestellung.
Für die Betreuung rund um die Uhr braucht es mit Krankheit, Urlaub, Schichten realistisch fünf Personen, die sich abwechselnd um Herrn Zeidler kümmern.
Anm. d. Red.: Wir bleiben dran und informieren nach, ob Herr Zeidler wieder gut durch Assistenten versorgt wird.