Mannheim, 26. April 2017. (red/pro) Am ersten Prozesstag gegen den Beschuldigten Algerier Mohammed B. wegen besonders schwerer Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung hörte das Gericht heute Zeugen und Gutachter an. Im Sommer vergangenen Jahres soll der Algerier eine 26-jährige Frau mehrmals vergewaltigt und mit Schlägen und Tritten schwer verletzt haben. Der Angeklagte hat sich bislang nicht zur Sache eingelassen – um so überraschender war seine Altersangabe, danach ist er kein Jugendlicher und kein Heranwachsender mehr und wird nicht nach Jugendstrafrecht behandelt, was im Ergebnis bei einer Verurteilung eine längere Gefängnisstrafe bedeutet.
Von Hardy Prothmann
Der erste Prozesstag war für die Öffentlichkeit unterbrochen worden, weil das Opfer per Video nicht-öffentlich befragt worden ist. Der Grund: Eine Konfrontation mit dem Tatverdächtigen könnte erhebliche psychische Probleme auslösen. (Zum Tatvorwurf lesen Sie diesen Artikel: „Erst Selfie, dann Schläge, Tritte, Vergewaltigung.)
Die Tatnacht
Am Morgen des 22. Juli 2016, gegen 04:20 Uhr, war die damals 26 Jahre alte Frau über die Kurpfalzbrücke in Richtung Käfertaler Straße auf dem Nachhauseweg. Am frühen Abend war sie mit anderen zum Picknick am Neckar, erzählt eine langjährige Freundin, die das Opfer als liebenswert und aufgeschlossene Persönlichkeit beschreibt.
Später ging es in den Jungbusch. Dort feierte man weiter mit Freunden. Ein anderer Zeuge erzählt von einem Baraufenthalt, man habe Tischkicker gespielt und etwas getrunken. Die Vorsitzende Richterin Becker sowie die Verteidigerin Andrea Combé interessierten sich mit Nachfragen sowohl an die Freundin wie den jungen Mann zum Trinkverhalten des Opfers. Warum, wurde nicht klar – die Frau wurde massiv zusammengeschlagen und vergewaltigt, da erscheint es nicht von Belang, ob sie nüchtern, angetrunken oder betrunken war.
Zwei weitere Zeugen, Anwohner der Neckarpromenade, berichteten von ihren Beobachtungen nach der Tat. Beide hatten die Frau und ihren Peiniger am Neckarufer auf einer Bank gesehen, beziehungsweise als er sich entfernte.
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Der ältere Herr, ein rüstiger Rentner, 1935 geboren, war kurz vor sieben Uhr zum Joggen draußen, als der Mann mit nackten Oberkörper und einem Hemd in der Hand an ihm vorbeigeeilt sei. Auf Nachfrage beschreibt er eine eilige, aber unauffällige Schrittweise – Anzeichen auf ein Torkeln habe er nicht wahrnehmen können:
Er ging schnell, aber sicher. Ich habe dann über mein Handy den Rettungsdienst verständigt. Das Mädchen war in einem so erbärmlichen, mitleiderregendem Zustand. Sie sah so schlimm aus.
Bericht einer Ärztin
Das bestätigt auch eine Ärztin, die umfangreich über die Verletzungen der jungen Frau berichtete. Es wurden eine Augenhöhlenfraktur, ein gebrochenes Schlüsselbein, zwei gebrochene Rippen sowie vielfältige, starke Hämatome, Verletzungen im Mund- und Genitalbereich sowie Abschürfungen festgestellt.
Da der Kopf massiv verletzt war, wurde sicherheitshalber ein Neurologe hinzugezogen. Außerdem hatte sich durch die massiven Tritte ein Lufteinschluss im Körper gebildet, der glücklicherweise klein blieb und von selbst ausheilte – nur zufällig war dieser nicht größer und hätte in ernster Konsequenz zu einem Zusammenfallen des Lungenflügels führen können.
Die „Büglerin“ sagt aus
Auch in Gerichtsverhandlungen zu ernsten Straftaten kann es zu Situationskomik kommen. Als die Vorsitzende Richterin eine Zeugin nach ihrem Beruf fragt, versteht das Gericht: „Bürgerin“, und fragt nochmals nach. Die Zeugin äußert sich dann klarer: „Büglerin. Ich bin ausgebildete Büglerin. Das war früher mein Beruf.“
Sie schildert in breitem Mannheimisch, dass sie Täter und Opfer zunächst für ein Paar hielt, ebenfalls die Verletzungen bemerkte und zum Täter gesagt habe: „Sowas macht man doch nicht.“ Der Mann habe darauf „gonz verdaddert“ reagiert und sei dann „iwwer de Buckel abgehaue“.
Beide Anwohner werden merkwürdigerweise nicht gefragt, ob sie den Beklagten als die Person identifizieren können, die sie beobachtet haben wollen.
In die Kriminalität hineingeboren
Ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe Karlsruhe berichtete von seinem Interview mit dem Beklagten und dessen „Lebensweg“. Danach sei seine Mutter schwanger geworden ohne verheiratet gewesen zu sein, was als große Schande gegolten hätte. Deshalb habe seine Mutter eine geringe Wertschätzung erfahren. Sie und der Vater mussten heiraten, trennten sich aber, als der Beklagte ein Jahr alt war. Die Mutter lebte dann – unverheiratet – mit einem anderen Mann zusammen, mit dem sie zwei weitere Kinder, eine Tochter und einen Sohn hat. Der Kontakt zur Mutter sei schwierig und zu beiden Eltern habe er keinen Kontakt mehr, seit er elf Jahre alt war.
Der Beklagte wurde zur Großmutter gegeben, wo er aufwuchs. Mit sechs Jahren wurde er eingeschult, sei aber im Alter von acht Jahren von seinem Onkel aus der Schule genommen worden, damit er diesem beim Verkauf von Haschisch und Marihuana helfen musste. Der Onkel sei sehr streng gewesen und habe ihn oft gezüchtigt.
Auf Glückssuche nach Europa
Das Leben habe er auf der Straße verbracht und sich durchgeschlagen. Um sein Leben zu verbessern, machte er sich mit anderen auf eine Schiffsreise in die Türkei. Am 23. November 2009 sei man in Istanbul angekommen. Rund drei Wochen später ging es nach Izmir und von dort aus einige Zeit später mit einem Boot mit rund 60 Personen zum griechischen Samos, wo er nach der Ankunft verhaftet und in ein Flüchtlingslager gekommen sei.
Dort gibt er einen falschen Namen und ein falsches Geburtsdatum an – wie seine Mitreisenden in der Gruppe. Er behauptet, aus Palästina zu kommen, was die Dolmetscherin wegen des Dialekts nicht glaubt. Als Herkunftsland wird deshalb Israel eingetragen.
Von Griechenland aus ging es weiter nach Athen in ein Araberviertel. Dort habe er die nächsten Jahre verbracht. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit Diebstählen verschiedenster Art. Das sei wie ein „Spiel“ gewesen – die Herausforderung war, nicht erwischt zu werden, was im Alter von 13 Jahren allerdings der Fall war.
Er zog weiter nach Ungarn – für 950 Euro. Von dort aus ging es für 350 Euro nach Italien und von dort aus 2012 nach Paris, wo er im Arabermilieu lebte und mit Drogen handelte. Im Mai 2015 flog er auf und verließ Frankreich in Richtung Österreich und dann Deutschland. Er kam in eine Flüchtlingsunterkunft in Deggendorf.
Verurteilung wegen massiver Autoeinbrüche und Diebstahl
Hier setzte er seine kriminelle Karriere fort, handelte mit Drogen und beging zahlreiche Diebstähle. Das Amtsgericht Chemnitz verurteilte ihn im Januar zu einem Jahr und zwei Monaten Haft wegen des Einbruchs in mindestens 16 Fahrzeuge, bei dem Sachschaden im Bereich von mehreren tausend Euro entstand. Teils erbeutete er dabei nur Kleinstbeträge von 1,5 Euro. Dazu kamen Ladendiebstähle. Die Straftaten beging er bis Oktober 2015. Zum Prozess im Januar war er von der Justizvollzugsanstalt Karlsruhe nach Chemnitz verbracht worden. Das Amtsgericht kam am 17. Januar zum Schluss:
Es ist nicht zu erwarten, dass er ein straffreies Leben führt.
Ein Gutachter trug die Erkenntnisse zum Alter des Beklagten vor. Nach verschiedenen Untersuchungen, beispielsweise der Schlüsselbeine, Zähne, Zustand des Körpers, der Genitalien kommt der Gutachter zu dem Schluss, dass das angegebene Geburtsdatum 29. April 1989 am ehesten zutrifft. Der Beklagte hatte unter mehreren Identitäten gelebt und dabei auch Geburtsdaten für die Jahre 1992, 1994 und 1998 angegeben. Letzteres schloss der Gutachter mit Sicherheit aus.
Keine Regung bis auf Gähnen
Der Beklagte Mohammed B. verfolgte die Verhandlung ohne sichtbare Gefühlsregung, mehrfach gähnte er und saß meist mit vor dem Bauch verschränkten Armen regungslos da. Auffällig – der bestellte Dolmetscher kam seiner Dienste nur schleppend nach. Mehrmals übersetzte er lange Passagen aus den Vorträgen des Gutachters sowie des Chemnitzer Urteils nicht. Ob der Beklagte so der Verhandlung ausführlich folgen kann, dürfte fraglich sein.
Zunächst war er in Mannheim inhaftiert – dort soll es zu Gewalttätigkeiten unter den Häftlingen gekommen sein. Deshalb wurde er nach Karlsruhe verlegt, wo er nach Aussage der Jugendgerichtshilfe unauffällig einsitzt und im Arbeitsdienst Kartons klebt. Vermutlich die erste richtige Arbeit seines Lebens. In Freiheit hat er nicht nur Drogen verkauft, sondern auch selbst konsumiert – auch Kokain und MDMA. In der Justizvollzugsanstalt erhält er Schlaftabletten.
Kriminelle Reise durch mehrere Länder
Wir können natürlich einem Urteil nicht vorgreifen – vermuten aber, dass die Strafe deutlich zweistellig ausfallen wird. Der Lebensweg des Beklagten scheint perspektivlos und überwiegend durch kriminelle Handlungen geprägt zu sein.
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Unabhängig von der Verhandlung zeigt der Lebensweg des Beklagten nicht nur dessen persönliches Chaos auf, sondern auch, wie frei und unkontrolliert sich Armutsflüchtlinge in Europa und Deutschland bewegen können. Und das durchweg kriminell. Jahre in Griechenland, Station in Ungarn und Italien, Jahre in Paris, dann in Deutschland und auch Belgien. Wie viele Straftaten der Mann in all den Jahren begangen hat, weiß niemand – da er keine Ausbildung hat und keiner ordentlichen Arbeit nachgegangen ist, kann man sich das Ausmaß nur vorstellen.
Das arabische Parallelgesellschaft steht und überall gibt es Anlaufstationen, wie die Straftaten im Bezirk des Amtsgerichts Chemnitz zeigen, die brutale Vergewaltigung der Frau in Mannheim und letztlich die Festnahme des Tatverdächtigen in Hamburg.
Deutsch spricht der Beklagte nicht – die Kenntnis der deutschen Sprache ist also keine zwingende Notwendigkeit, um sich in Deutschland „zurecht zu finden“.
Zur Sache hat sich der Beklagte nicht eingelassen. Seine Verteidigerin hat ihm angeraten, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.
Der nächste von insgesamt fünf Verhandlungsterminen ist am 03. Mai, 09:00 Uhr.
Anm. d. Red.: Der Beklagte hat keine Fotos von sich erlaubt. Über den Inhalt der Befragung des Opfers wurde nichts mitgeteilt. Obwohl der Fall damals für Entsetzen und eine hohe Aufmerksamkeit gesorgt hatte, waren nur etwa ein Dutzend Zuschauer im Raum – darunter drei Journalisten und nach deren Aussage zwei Zeugen. Damals gab es viele Gerüchte – lesen Sie dazu auch unsere Recherche, was davon stimmte und was nicht.
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