Mannheim, 02. November 2016. (red/me) Der aktuell gewählte Gemeinderat in Mannheim trat am 22. Juli 2014 erstmals zusammen und hat seitdem die Zahl von 1.000 Anfragen und Anträgen überschritten. Insgesamt 246 Anfragen und 756 Anträge stellten die 48 Stadträtinnen und Stadträte seit Beginn ihrer Amtsperiode, die nun etwa zur Hälfte vorbei ist. Die quantitative Auswertung der Zahlen bringt sehr überraschende Erkenntnisse über die Arbeitsschwerpunkte des Mannheimer Gemeinderates, die wir exklusiv aufbereitet haben. So sind die Freien Wähler/Mannheimer Liste offenbar grüner als die Grünen und obwohl „Flüchtlinge“ ein Mega-Thema sind, gibt es dazu nur wenige politische Aktivitäten des „Souveräns“. Das Top-Thema Sicherheit & Ordnung kommt im politischen Gremium gar nur auf Platz 3, zusammen mit Umwelt & Energie. Handelt der Gemeinderat also im Bürgerinteresse?
Von Mathias Meder
Bis zum 26. Oktober 2016 gingen bei der Stadtverwaltung Mannheim insgesamt 1.002 Anfragen und Anträge durch die Mitglieder des Gemeinderates ein. Ein Blick auf diese Zahl zeigt jedoch längt nicht die stark unterschiedliche Arbeitsweise der Gemeinderatsmitglieder und die Konzentration auf inhaltliche Schwerpunkte. Eine Zusammenfassung der Anfragen und Anträge zu den wichtigsten Themengebieten und die entsprechende Analyse lassen jedoch einige Rückschlüsse zu.
So gibt es bei Anträgen und Anfragen eine starke Konzentration auf die vier großen Parteien des Mannheimer Gemeinderats, lediglich bei der Anzahl der Anfragen spielt auch ALFA eine größere Rolle. Die Arbeit der Einzelstadträte Helmut Lambert (parteiunabhängig, zuvor AfD), Julien Ferrat (Familienpartei, zuvor Die Linke) und Christian Hehl (NPD) lässt sich bei der Zahl der Anfragen noch in gesamt 32 Anfragen ablesen, bei den Anträgen hingegen sind es gerade noch 17 und damit nur noch 2 Prozent aller Gemeinderatsanträge.
Die kleineren Gruppierungen Die Linke und FDP sind auch bei der Anzahl ihrer Anfragen und Anträgen zahlenmäßig schwächer aufgestellt als die vier größeren Fraktionen.
Anfragen informieren und Anträge gestalten
Die unterschiedliche Arbeitsweise der Fraktionen und Gruppierungen wird bei der unterschiedlichen Gewichtung der Anträge und Anfragen deutlich. So sind die Grünen mit 70 Anfragen Spitzenreiter und mit 172 Anträgen auch nur knapp an zweiter Stelle hinter der SPD mit 184 Anträgen. Bei CDU und Freien Wählern-Mannheimer Liste (FW/ML) hingegen zeigt sich, dass Anfragen nur knapp über 20 mal gestellt wurden, während die Zahl der Anträge bei über 140 Anträgen liegt.
Über das Instrument der Anfrage können die Stadträte Informationen einholen und so auch Missstände öffentlich machen. Anträge dagegen haben gestaltenden Charakter, da hierbei normalerweise politische Anliegen und Ziele mit konkreten Projekten umgesetzt werden sollen.
TOP-Themen sind: Verkehr, Soziales und Gesundheit, Sicherheit und Ordnung
Insgesamt 52 Prozent aller Anträge und Anfragen entfallen jeweils auf die fünf Bereiche Verkehr, Soziales & Gesundheit, Sicherheit & Ordnung, Umwelt & Energie, Schule & Bildung.
Am wenigsten Anträge und Anfragen gibt in den Themengebieten zur Bundesgartenschau, Frauen, Integration, Tiere und LSBTIQ (=Lesbisch, Schwul, Bi, Trans, Inter, Queer), die daher in den Grafiken auch zu Sonstige zusammengefasst wurden. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch die Themengebiete Flüchtlinge oder Wirtschaft sich nur auf den hintersten Plätzen der Anträge befinden. Hier stellen selbst die beiden großen Parteien CDU und SPD am wenigsten Anträge.
Radverkehr wichtiges Verkehrsthema
Sowohl bei den Anfragen, als auch bei den Anträgen hat sich in der Auswertung der Zahlen gezeigt, dass innerhalb des Großthemas Verkehr die Situation der Radfahrer bei allen Parteien eine ähnlich hohe Bedeutung besitzt, wie das Thema Finanzen. Eine ähnlich starke Untergliederung konnte sonst bei keinem anderen Themengebiet identifiziert werden. Erwartungsgemäß ist das Thema Radverkehr insbesondere bei den Grünen eines der TOP-Themen ihrer politischen Arbeit.
Die meisten Anträge aus dem Bereich Verkehr werden jedoch durch die CDU eingereicht. Dieses Themengebiet stellt deutlich die Hauptaktivität der CDU dar, gefolgt vom Thema Sicherheit & Ordnung. Bei der CDU wird auch deutlich, dass das Thema Immobilien eine stärkere Beachtung findet als bei den anderen Parteien mit Ausnahme der FW/ML.
Umweltpartei sind die Freien Wähler/ Mannheimer Liste
Prozentual und auch in absoluten Zahlen ausgedrückt am meisten Anträge aus dem Bereich Umwelt & Energie werden von der FW/ML eingereicht. Mit 18 Anträgen stellt dies ein TOP-Thema der bürgerlichen Fraktion dar. Dagegen rangiert der Bereich Umwelt & Energie bei den Mannheimer Grünen nur auf Platz 3 hinter verkehrspolitischen Themen und Soziales & Gesundheit.
Die umweltpolitischen Anträge der FW/ML sind geprägt von Baum-Themen und Bezügen zu den Stadtparks. Für beide Bereiche zeichnet die grüne Dezernentin Felicitas Kubala (Grüne) verantwortlich. Bei den Grünen als traditionelle Umweltpartei dagegen spielten Sicherheit & Ordnung eine ähnlich schwache Rolle wie Themen aus den Bereichen Finanzen oder Frauenpolitik.
Sozialdemokraten stark bei sozialen Themen
Spitzenreiter mit 14 Prozent der Anträge der Sozialdemokraten ist der Bereich Soziales & Gesundheit, gefolgt von Kultur, Verkehr und von Sicherheit & Ordnung. Insbesondere die große Anzahl kulturpolitischer Anträge durch die SPD ist jedoch prägend für die Arbeit der Fraktion und ihrer Stadträtinnen und Stadträte.
Dagegen sind Anträge aus den Bereichen Kinder, Jugend, Schule, Bildung, Bauen & Wohnen eher geringer vorhanden gewesen, obwohl die SPD in diesen Bereichen mit Frau Dr. Freundlieb (SPD) und Lothar Quast (SPD) die Dezernenten stellt und eben gerade nicht in den von Bürgermeister Grötsch (CDU) verantworteten Bereichen Kultur und Soziales.
ALFA fragen viel nach und beantragen wenig
Den 46 Anfragen der ALFA (vormals AfD), die hauptsächlich aus den Themengebieten Flüchtlinge, sowie Sicherheit und Ordnung stammen, folgten jedoch nur 30 Anträge. Dabei stammte kein einziger Antrag aus dem Bereich Flüchtlinge und nur zwei aus dem Bereich Sicherheit und Ordnung. Die überwiegende Anzahl der Anträge hingegen hatte die Themengebiete Finanzen und städtische Immobilien zum Inhalt.
Für einen Zwischenstand der aktuellen Amtsperiode des Gemeinderats dürften die vorliegenden Zahlen somit in allen Fraktionen und Gruppierungen für Gesprächsstoff sorgen. Sind sie doch zugleich ein Spiegelbild der politischen Arbeit ihrer Stadträtinnen und Stadträte.
Was diese Zahlen leider nicht darstellen können, ist neben der Quantität der Anträge auch deren Qualität und die Erfolgsquoten bei der Umsetzung. Doch bekanntlich ist Politik stets das Bohren dicker Bretter – aber wo die einzelnen Parteien besonders viel bohren und wo weniger, kann man den Zahlen durchaus entnehmen.
Die Frage, ob die Gemeinderatsarbeit die Interessen der Bürgerinnen und Bürger angemessen spiegelt, darf also hinterfragt werden. Und ebenso, was ein Prozent aller Aktivitäten für das Thema Wirtschaft bedeuten…
Anm. d. Red.: Die von uns analysierten Zahlen basieren auf Anfrage von uns an die Stadt Mannheim, die uns eine Übersicht zur Verfügung gestellt hat, die von uns ausgewertet worden ist.
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