Stuttgart, 01. Mai 2016. (red/ms) Keine Partei in Deutschland hat nach ihrer Gründung so schnell vergleichbare Wahlerfolge erzielen können, wie die AfD. Auf dem Programmparteitag in Stuttgart wird über die “Konsens-Parteien” gelästert – während man selbst den großen Konsens sucht. Der Bundesvorsitzende Prof. Dr. Jörg Meuthen spricht vom “Mut zur Wahrheit” und zieht vom Leder: Das Ziel sei ein neues Deutschland, “weg von dem links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland, von dem wir die Nase voll haben.” Mit dieser Wortwahl wechselt der Volkswirt ins ideologische Lager der populistischen Polemiker – und bekommt frenetischen Applaus. Das Ziel der AfD soll der “Nationalstaat in einer europäischen Völkergemeinschaft” sein.
Kommentar: Minh Schredle
Frenetischer Beifall und euphorische Standing Ovations für den Beitrag des Bundessprechers. Minutenlang skandieren die Mitglieder:
AfD! AfD! AfD!
Es ist eine Begeisterung, wie man sie nur selten auf parteipolitschen Veranstaltungen erlebt. Das Grußwort des Bundesvorsitzenden am Samstag dürfte für viele den Höhepunkt des Parteitages dargestellt haben – und es ist in vielerlei Hinsicht sinnbildlich.
Jörg Meuthen gilt innerhalb der AfD als gemäßigt und moderat. Als pragmatischer Denker, der erst analysiert und dann den Finger tief in die Wunde legt. Ganz sicher kein Schreihals, sondern einer, der seine Worte sorgfältig abwägt.
Herr Meuthen bleibt unter seinem Niveau
Mit dem gutbürgerlichen Auftreten und einer nüchtern-trockenen Rhetorik dürfte es Herrn Meuthen gelungen sein, einige Wähler in Baden-Württemberg zu mobilisieren, die beispielsweise einem Rechtsaußen wie dem Thüringer Björn Höcke wohl eher nicht folgen wollen würden.
Für viele enttäuschte früheren Wähler von CDU, SPD und Grünen dürfte Jörg Meuthen ein Hoffnungsträger sein. Doch die Art und Weise, wie sich der Bundessprecher aktuell auf dem Parteitag präsentierte, deutet darauf hin, dass Herr Meuthen gefährdet ist, sich zu dem zu entwickeln, was er bekämpfen zu wollen vorgibt: Einem manipulativen und polemischen Propagandisten.
Das ist selbstverständlich ein schwerer Vorwurf gegen jemanden, der mit dem Anspruch auftritt, den “Mut zur Wahrheit” zu leben. Doch wenn man einige Aussagen von Herrn Meuthen logisch zu Ende denkt, ergeben sich so viele Widersprüche, dass der Ernst, mit dem er sie vorträgt, an Realsatire grenzt: Der Kläger ist schuldig im Sinne seiner eigenen Anklage – und spricht sich selbst frei.
Die Daidalos-Flügel der AfD
Es fängt bei einigen selbstgefällig verblendeten Behauptungen an, die zwar den Reihen der Anhänger Jubelschreie entlocken, aber nüchtern betrachtet nicht mehr als dreist überzogener Mumpitz sind.
Dieser Populismus könnte für die AfD zu Daidalos-Flügeln werden: Indem er der Partei zunächst zu einem rasanten Aufstieg verhilft – und dann, wenn der Höhentaumel Größenwahn und Gier zu sehr begünstigt, ihren Untergang unausweichlich besiegelt.
Für was die AfD im Konkreten steht, lässt sich kaum benennen. Die Vorstellungen sind sehr verschieden und häufig diametral. Doch für viele Anhänger ist die Partei regelrecht ein Symbol der Hoffnung: In einer Parteienlandschaft des vermeintlichen Konsens regt sich endlich Widerstand gegen einen Kurs, der Deutschland an sich zu bedrohen gewähnt wird.
Die Partei ist ein Sammelbecken für Unzufriedene. Womit der Einzelne im Einzelnen nun konkret unzufrieden ist, ist ebenfalls schwer zu benennen: Es gibt eine breite Palette vom stumpfsinnigen Fremdenfeind bis zu intellektuellen Kritikern. Wer pauschal behauptet, die AfD sei überwiegend fremdenfeindlich oder antiislamisch oder sonstwie nur extremistisch, verkennt die Heterogenität der Anhängerschaft.
Vom Irrsinn des Abwegigen auf den Pfad der Vernunft
Was diese aber eint, ist der gemeinsame Glaube an die Notwendigkeit eines wie auch immer gearteten Widerstands, eine “So-kann-es-nicht-weiter-gehen-Mentalität”. Eine Ansammlung sittenkonservativer Systemkritiker, teils mit statthaften Argumenten, teils mit schrottiger Polemik.
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Die allermeisten beanspruchen für sich, die Politik vom Irrsinn des Abwegigen auf den Pfad der Vernunft zurückführen zu wollen. Doch die verschiedenen Vorstellungen von Irrsinn und Vernunft stehen sich häufig unvereinbar gegenüber – diesen Konflikt wird keine Alternative jemals auflösen können.
“Wir machen das besser”
Auf ihrem fünften Bundesparteitag will die AfD sich erstmals ein Grundsatzprogramm geben. Aber man will es besser machen als “die anderen”. Das Parteiprogramm sei zwar ein Rahmen, sagt Bundessprecherin Dr. Frauke Petry. Es solle aber nicht den Mitgliedern das eigenständige Denken abnehmen, sondern einen Grundkonsens definieren.
Parteivize Dr. Alexander Gauland führt dazu aus, man wolle in der AfD nicht “von oben herab” entscheiden, wofür die Mitglieder zu stehen hätten, “wie in anderen Parteien” – sondern basisdemokratisch die Mitglieder selbst entscheiden lassen.
Dafür hat die AfD weder Kosten noch Mühen gescheut und unter großem Aufwand einen Mitgliederparteitag in Stuttgart organisiert. Oder besser gesagt: Versucht zu organisieren. Der Ablauf war durch und durch chaotisch und weitgehend unproduktiv, eine ganz unkonservative Verschwendung so vieler Ressourcen. Die Zahl der “Geschäftsordnungsanträge” statt inhaltlicher Debatte war Legion.
Die eigentlich gute, ja lobenswerte Absicht, effektiv Basisdemokratie vorzuleben, scheiterte ebenso sehr an den Gegebenheiten der Realität wie eine naive Willkommenskultur. Rund 20.000 Mitglieder wurden eingeladen, für gut 2.000 ist Platz. 3.000 kommen. Was nun? Das Boot ist voll.
Ist das denn noch demokratisch?
Wie viel ist denn basisdemokratische Entscheidungsfindung wert, wenn gar nicht alle mitmachen dürfen? Darf man dann noch eine Stimmengleichheit unterstellen? Wäre das nicht verlogen? “Pseudo-demokratisch”?
Und ist das nicht absurd: Eine Beatrix von Storch spricht dem Europaparlament ab, eine demokratische Institution zu sein. Es gebe nämlich Länder, die mit mehr Abgeordneten repräsentiert sind, als ihnen gemäß der Bevölkerung proportional zustünden. Dadurch würde die Stimmengleichheit verfälscht.
Dass aber auf einem Bundesparteitag im deutschen Südwesten logischerweise verhältnismäßig mehr Mitglieder aus dem Südwesten anreisen, als aus dem Rest Deutschlands und damit Teile der Bundes-AfD demokratisch unterrepräsentiert sind, schien kaum jemanden zu stören. Zumindest wurden diese “unbequemen Wahrheiten” nicht öffentlich angeprangert. In Bezug auf diese kritischen Fragen fand keine kritische Debatte statt.
In Teilen weltoffen und pluralistisch
Im Gegenteil: Der Jubel der AfD-Mitglieder ist vor allem dann laut, wenn man sich selbst als weltoffen und pluralistisch bezeichnet – dann schlägt aber jemand vor, einen offenen Dialog mit muslimischen Verbänden zu suchen. Und wird ausgepfiffen.
Dass es widersprüchliches Wunschdenken in den Reihen der AfD gibt, ist genau genommen keine Nachricht wert – denn das ist in jeder Partei der Fall und somit tautologisch. Bedenklich ist es hingegen, wenn sich Repräsentanten der Partei unerträglich äußern.
Oft werden die Aussagen dabei medial überspitzt wiedergegeben und zum Aufreger um der Aufregungen willen stilisiert. Dann gibt es ebenso sehr offenkundig rassistische Äußerungen, wie die eines Björn Höckes über das Fortpflanzungsverhalten des Afrikaners.
Innerhalb der Partei herrscht eine enorme Polarität – die Spannung erzeugt Konflikte: Auf der einen Seite ist eine sittenlos aggressive, denunzierende und verleumderische Meute – auf der anderen Seite viel Intelligenz wie bei einem Herr Meuthen, von dem man bislang eigentlich eine nüchterne, sachliche und pragmatische Argumentation gewohnt war.
Anklang einer Hetz-Rede
In seinem Grußwort am Samstag schlug Herr Meuthen hingegen ganz andere Töne an – und riss damit die Mitglieder von den Stühlen. Bei dem Parteitag gehe es um die langfristige Ausrichtung der Partei, sagte er. Um “so etwas wie unsere DNA”. Es wäre traurig und suspekt, wenn man darüber nicht streiten würde:
Mein Gruselbild eines Parteitag schlechthin ist eher so etwas wie der CDU-Parteitag vom Dezember letzten Jahres in Karlsruhe.
Dafür gibt es den bis zu diesem Zeitpunkt lautesten Applaus des Parteitages. Die AfD wolle keinen “reinen Jubelparteitag mit vorbestelltem, zehn Minuten langen Applaus für die Parteivorsitzende”, die “alleine die sogenannte Linie der Partei” vorgebe “und noch dazu eine so desaströse.” Der Jubel wird noch lauter. Dann ruft Herr Meuthen:
Wir sind doch keine CDU-Duracell-Klatschhäschen.
Jetzt kreischt und johlt das Publikum euphorisch auf – und klatscht begeistert… wie AfD-Duracell-Klatschhäschen.
“Ich distanziere mich von niemandem”
Man pflege den offenen, demokratischen Diskurs, sagt Herr Meuthen. “Nicht wie die anderen”. Dazu gehöre notwendigerweise auch Streit, bevor man sich auf eine gemeinsame Linie einigen könne:
Das ist gelebte Demokratie – und es ist das, was wir hier praktizieren.
Wieder begeisterter Beifall. Es dürfe niemanden stören, wenn der AfD immer wieder Zerstrittenheit vorgeworfen werde, setzt Herr Meuthen fort. Man müsse aber trennen, zwischen “Medienberichten, die den Teufel an die Wand malen” und “den eigentlichen Vorgängen”:
“Von wem soll allein ich mich im Laufe dieses Monats nicht alles distanziert haben? Von Frauke Petry. Von Beatrix von Storch. Von Alexander Gauland. Von Björn Höcke. Von all denen habe ich mich angeblich distanziert. Und das stimmt alles nicht.
Es gebe “hin und wieder Meinungsverschiedenheiten”, aber mit “Zerstrittenheit und Distanzierung” habe das “nicht das mindeste zu tun”.
Fürs Protokoll, denn deutlicher kann es kaum werden: Trotz aller bekannten Äußerungen im öffentlichen Raum, bezeichnet der als gemäßigt geltende Meuthen, in einer Rede, die er sicher sorgsam vorbereitet haben wird, unterschiedliche Ansichten lediglich als “Meinungsverschiedenheiten” – er distanziert sich demnach explizit nicht von Björn Höcke und offenen Rassisten in den eigenen Reihen:
Lassen sie sich von der Presse nicht irritieren, wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Wir stehen vielmehr zu dem breiten Meinungsspektrum, das es in unserer Partei bekanntermaßen gibt.
Laut Herrn Meuthen müsse man das wieder und wieder wiederholen, damit klar werde, dass “dieses ganze Bild der Ausländerfeindlichkeit, das man uns anzuheften versucht, nichts ist als schiere Lüge und Mumpitz”.
Selbstreflexion?
Wieder frenetischer Applaus. Einige Stunden später wird eine Mehrheit der Mitglieder entscheiden, dass der saarländische Landesverband aufgelöst wird, weil dieser zu eng mit der NPD und anderen rassistischen Vereinigungen zusammengearbeitet habe.
Ausländerfeindlichkeit in der AfD also “nichts als schiere Lüge und Mumpitz”? Herr Meuthen beschönigt die Wahrheit zugunsten einer selbstgefälligen Darstellung und dafür gibt es einen Ausdruck: Propaganda.
Ob in den Reihen der AfD wohl jemand den Mut hat, das anzuprangern? Oder wird lieber vor Autoritäten und Obrigkeit gekuscht? Halten die angeblich so kritischen und mündigen Mitglieder etwa die Klappe, weil der Zweck die Lüge heiligt? Wenn ja: Was unterscheidet dann die eigene Arbeit von dem, was man den verhassten “Altparteien” unterstellt?
“Es ist falsch, sein Land nicht zu lieben”
Bundessprecherin Frauke Petry klagt ihr Leid über eine üble “Pinocchio-Presse” und “verlogene Politiker”, die die AfD und ihre Mitglieder “dämonisieren” und “entmenschlichen” – gleichzeitig “entmenschlichen” und “dämonisieren” die AfD und ihre Mitglieder “verlogene Politiker” und die “Pinocchio-Presse”. Seit neuestem auch der als moderat geltende Jörg Meuthen, der wie ein wandelnder Widerspruch auftrat.
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So spielt er sich als Verfechter einer pluralistischen Meinungsvielfalt auf, um im nächsten Satz doch tatsächlich zu sagen:
Es ist falsch, sein Land nicht zu lieben.
Herr Meuthen lässt offen, was mit denen geschehen solle, die dazu nicht bereit sind. Wird das womöglich eine “Gesinnungspolizei” überprüfen?
Polemik beiseite, denn es trägt nur zur Zuspitzung von Konflikten bei, jemandem unausgesprochene Forderungen in den Mund zu legen. Fest steht aber, dass Herr Meuthen ein absolutes Werturteil über die Notwendigkeit von Patriotismus ausspricht. So viel zur “konsequenten Freiheitlichkeit”, die sich die AfD auf die Fahne schreiben will, während unliebsame Positionen lautstark ausgebuht werden.
Eine Meinung als Tatsache zu verkaufen, ist nun bei Weitem nicht das dramatischste, was sich Politiker in der öffentlichen Debatte geleistet haben. Doch abgesehen davon, dass der Versuch, damit zu täuschen und zu manipulieren, ehrenlos und unaufrichtig ist, hat sich Herr Meuthen noch mehr zu Lasten kommen lassen, als eine bloße Belehrung, was moralisch absolut und uneingeschränkt verwerflich sein soll (mangelnder Patriotismus).
“Vergewaltigung der Sprache”? Bitte was?
Moderner Konservativismus sei laut Herrn Meuthen offen für Neuerungen – dieser behalte aber stets im Blick, was bereits gut sei und was es für künftige Generationen zu bewahren gelte. Etwa die “unglaublich schöne und vielfältige deutsche Sprache”:
Womöglich wird man uns noch zwingen, Montagmorgens nicht mehr zum Bäcker, sondern zum Backenden zu fahren oder was für ähnliche Absurditäten denen noch einfallen. Das ist Sprachvergewaltigung, die hier geschieht. Dem sollten wir uns alle in einem Akt des Zivilen Ungehorsams widersetzen.
Was soll das nun für ein Bild vermitteln? “Sprachvergewaltigung”? Ernsthaft? Liegt die arme deutsche Sprache etwa schutzlos am Boden und wird schonungslos vom Genderwahn geschändet? Und all die armen Patrioten werden gezwungen mitzumachen? Von wem denn? Und wie?
In jedem Fall ist es sicher ganz besonders heroisch, sich diesem “Zwang” zu “widersetzen”. Oder aber es geschieht ganz unauffällig und ohne jede Aufregung – wie etwa in diesem Artikel. Bis jetzt wurde die Redaktion noch nicht für diesen “Zivilen Ungehorsam” zur Rechenschaft gezogen. Habe ich etwa eine Anklage wegen “des Verdachtes der Missachtung der verbindlichen Verordnung zum gendergerechten Sprachgebrauch” zu erwarten?
Kalkulierte Manipulation
So eine Verordnung gibt es gar nicht? Wie ärgerlich. Ob Herr Meuthen das auch weiß? Unabhängig davon wird ihm sicherlich klar sein, welche Assoziationen er mit Begriffen wie “Sprachvergewaltigung” weckt. Wie sehr er damit der geschätzten deutschen Sprache und realen Vergewaltigungsopfern genüge tut, soll er selbst beurteilen.
Spannend ist aber, dass Herr Meuthen überhaupt zum Zivilen Ungehorsam aufruft – schließlich fordert er unter großem Applaus ebenfalls (in Bezug auf den Islam und Religionsfreiheit) wortwörtlich eine “vollständige, unbedingte, durch nichts zu relativierende Einhaltung unserer Gesetze”. Wo bleibt da Platz für Widerstand? Was, wenn die Gesetze irgendwann vorschreiben, man dürfe kein Patriot mehr sein?
Doch Herr Meuthen manipuliert nicht bloß – er wird polemisch, beleidigend und entmenschlichend, während er sich selbst und die AfD auf Kosten der Diffamierten erhöht. Ein großer Teil der AfD-Mitglieder tut es ihm gleich. Gegen Ende seines “Grußwortes” kommt Herr Meuthen auf Justizminister Heiko Maas (SPD) zu sprechen – und die bloße Erwähnung des Namens reicht für verächtliche Buh-Rufe eines Großteils der Anwesenden.
“links-grün-rot verseuchtes 68-er Deutschland”
Belustigt und süffisant fährt Herr Meuthen nach seinem Kalkül fort: “Ich verstehe das gar nicht – dieses eine Mal, und nur dieses eine Mal, hat Herr Maas nämlich recht.” Kurz wird es ruhiger im Saal, ein paar lachen höhnisch. “Das erstaunt sie,” sagt Herr Meuthen: “Aber dem werden Sie sicher beipflichten können.” Einen Moment ist es ganz still:
Heer Maas hat gestern verlautbaren lassen, unser Parteiprogramm sei ein Fahrplan in ein anderes Deutschland.
Herr Meuthen muss seine Rede daraufhin für einige Sekunden unterbrechen – denn der Applaus beruhigt sich nicht. Erste stehen auf für Standing Ovations. “Liebe Parteifreunde, wo der Mann recht hat, hat er recht,” sagt Herr Meuthen, schnaubt belustigt und fügt schließlich hinzu:
Und zwar in ein Deutschland weg von dem links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland, von dem wir die Nase voll haben.
Unter johlenden Jubelschreien reißt es die Mitglieder von den Stühlen. Sie feiern den Bundesvorsitzenden für diese Polemik. Herr Meuthen lächelt zufrieden. Mehrmals versucht er, seine Rede fortzusetzen – doch er muss sich gedulden, bevor der brausende Beifall sich wieder beruhigt hat. Dann setzt er nach:
Wir wollen weg von einem links-rot-grün verseuchten 68-er Deutschland – und hin zu einem reifen, souveränen, einem zugleich friedlichen und wehrhaften, sicheren und starken Nationalstaat in der Völkergemeinschaft Europas und in der Welt.
Diese Rhetorik ist neu, zumindest für Herrn Meuthen – und dürfte allen, die sich eine “echte” Alternative für Deutschland gewünscht haben, sauer aufstoßen lassen. Der Parteitag ist sinnbildlich: Alles, was die AfD etablierten Parteien vorwirft, trifft auch auf sie selbst zu. Im Sinne der Wahrheit wollen sie Propaganda mit Propaganda bekämpfen.
Große Fallhöhe
Laut Herrn Meuthen sei es seine tiefe Überzeugung, dass die AfD keinen weiteren Spaltungsparteitag erleben werde wie beim Bundesparteitag 2015 in Essen. Wie weitere Zersetzung vermieden werden soll, bleibt nach dem Parteitag allerdings offen. Die Diskussionen sind voller Gift und Streitsucht.
Das viel gepriesene Meinungspektrum in der AfD könnte ihr zum Verhängnis werden: Weil gegenläufige Positionen gleichermaßen gültig sein sollen, wird der unklare Kurs die Unzufriedenheit der Unzufriedenen auf Dauer nur weiter anwachsen lassen, bis die Klugheit schließlich vollends nachgibt. Soll das der Fahrplan für ein anderes Deutschland sein?
Aktuell wähnt sich die Partei im Höhenflug – doch sie könnte dem Absturz bereits näher sein, als sie wahrhaben will.
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