Weinheim/Rhein-Neckar, 30. Juni 2015. (red) Ab August werden weitere 80 Flüchtlinge in Weinheim im “ehemaligen Hotel GUPS” untergebracht. Verkündet wird dies per Akklamation. Verhandelt wird nichts. Es werden Fakten geschaffen und alle, die sich bislang eingebracht haben, um “Flüchtlinge willkommen zu heißen”, stehen vor einem Scherbenhaufen. Verantwortlich ist Stefan Dallinger (CDU), Landrat des Rhein-Neckar-Kreises, wenngleich er seinen Ersten Landesbeamten Joachim Bauer vorschickt, um die Botschaft zu verbreiten. Verantwortlich ist auch der Weinheimer Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD), der abermals an der Bevölkerung vorbei “Notlagen des Landrats” anerkennt.
Kommentar: Hardy Prothmann
Mit Verlaub – alle ehrenamtlichen Kräfte, die sich in Weinheim für eine “Willkommenskultur” einsetzen, dürfen sich, um das deutlich zu sagen, “verarscht” vorkommen.
Erst klüngeln der Landrat Stefan Dallinger (CDU) und der Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) einen Deal aus, der 200 Flüchtlinge an der Heppenheimer Straße unterbringen soll. Der Gemeinderat wurde ebensowenig wie andere vor dieser Entscheidung informiert.
Dann hagelt es Protest. Dann folgen viel Arbeit und vor allem Lob und Respekt gegenüber den BI Heppenheimer Straße, die anfängliche “Ängste” über Bord wirft und gestaltend mitwirkt. Die Bewohner dort entwickeln und verhalten sich vorbildlich.
Landratsamt und Oberbürgermeister versuchen die Deutungshoheit zu behalten und reflektieren nicht ein einziges Mal massive Fehler in der Vorgehensweise und der Kommunikation. Geschenkt. Es geht um die Zukunft und nicht darum, sich mit sturen, selbstherrlichen Verwaltungsbürokraten anzulegen.
In der Stadt wurde als “wahr” genommen, dass man der Pflicht zur Aufnahme nachkommt und erst 200 Personen gefordert wurden, dann 240 daraus wurden und dass man nicht noch mehr “Belastung” bekommt. Was interessiert die Bürokraten ihr Geschwätz von gestern?
Aus 3×80 wird 4×80 – wird 5×80, 6×80….?
Die 3×80 Lösung gilt galt als Erfolg. Weinheim kommt seiner Pflicht nach, Menschen in Not aufzunehmen. Alles super. Vor allem die Bürokraten feiern sich und buchen den Erfolg für sich. Jaja, danke fürs Mitwirken und so.
Und jetzt kommen nochmal 80 Flüchtlinge drauf. Nicht verhandelbar? Tatsache geschaffen? Was sagt der Weinheimer OB?
Es ist sehr bedauerlich, dass durch den wachsenden Zustrom von Flüchtlingen der Kreis so vorgehen muss, wie er nun vorgeht. Aber wir erkennen die Notlage des Kreises an.
Wer ist wir? Wen hat Oberbürgermeister Heiner Bernhard gefragt, bevor er als “wir” Fakten schafft?
Wer ist eigentlich in Not?
Selbstverständlich müssen alle Gemeinden im Kreis mitwirken, um Flüchtlinge unterzubringen. Selbstverständlich werden die allermeisten Bürger dies verstehen und mittragen. Aber selbstverständlich geht es um Menschen in Not und nicht um eine “Notlage” des Landratsamts, das offenbar seit langer Zeit vollkommen überfordert ist, seinen Pflichten nachzukommen und “Notlagen” zu Lasten der Akzeptanz von Flüchtlingen schafft und damit Fremdenfeindlichkeit schürt.
Ob bewusst oder unbewusst.
Ist Landrat Dallinger noch tragbar?
Man muss mittlerweile klar die Frage stellen, ob der Landrat Stefan Dallinger im Amt noch tragbar ist oder nicht. Er schürt seit geraumer Zeit, ob selbst, über seine Pressestelle oder seinen Ersten Landesbeamten Zwietracht und Zorn in der Bevölkerung. Durch “unverhandelbare” Verdikte von oben. Seine Rhetorik und die seiner Mitarbeiter richtet sich gegen Flüchtlinge und schafft eine “Bedrohungslage” durch “Flut”, “mit dem Rücken zur Wand” und ähnlichen Formulierungen.
Ehrlichkeit und Transparenz sind seine Sache nicht – er feiert lieber mit großen Presseankündigungen “Ruhestandsabschiede” für Mitarbeiter seiner Behörde und sonstige Events. Ein Grüßonkel vor dem Herrn.
Der Kreistag und die Gemeinden sind aufgerufen, sich von Herrn Dallinger lückenlos darlegen zu lassen, was er angeblich mit “größter Mühe” unternommen hat, um seit geraumer Zeit Raum für die wachsende Zahl von Flüchtlingen zu schaffen. Seit wann, mit welchen Zielen – wir haben das schon oft kritisiert und berichtet. Doch die politischen Vertreter schweigen und fügen sich.
Dazu gehören im Landtagswahlkreis Weinheim klar benannt die Abgeordneten Hans-Ulrich Skerl (Grüne), Gerhard Kleinböck (SPD) und Georg Wacker (CDU).
Bis diese Fragen nicht gestellt und zufriedenstellend beantwortet sind, muss die Frage erlaubt sein, ob Herr Dallinger seinen Pflichten nur “notgedrungen” nachkommt. Und die Frage muss erlaubt sein, ob die politischen Kräfte so einen “Notnagel” tatsächlich nochmals wählen wollen. Bekanntermaßen wird der Landrat nicht durch das Volk, sondern vom Kreistag gewählt. Hier haben konservative Parteien die Mehrheit.
Insbesondere vor steigenden Aktivitäten von Rechtsradikalen in der Stadt, “Unwahrheiten” vor Gerichten durch den OB Heiner Bernhard, muss man Sorge haben, ob Weinheim in naher Zukunft bundesweit Schlagzeilen macht.
Dokumentation der Pressemitteilung des Landratsamts:
“Ehemaliges Hotel GUPS in Weinheim wird voraussichtlich ab August 2015 80 Flüchtlinge beherbergen
Der Zustrom an Flüchtlingen in den Rhein-Neckar-Kreis reißt nicht ab. Angesichts von monatlich zwischen 200 und 300 im Kreisgebiet neu ankommenden Asylbewerbern, muss der Kreis mittlerweile jede sich bietende Gelegenheit nutzen, damit die Neuankömmlinge zur Vermeidung von Obdachlosigkeit nicht in Sporthallen oder Zelten untergebracht werden müssen. Die vorhandenen Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber und Flüchtlinge im Rhein-Neckar-Kreis reichen nicht mehr aus, um den Unterbringungsbedarf zu decken. „Aufgrund der neuen Zugangsprognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird sich die Lage bei uns im Landkreis auch auf absehbare Zeit nicht entspannen“, so der Stellvertreter des Landrats Joachim Bauer. Statt der zunächst prognostizierten 250.000 Flüchtlinge geht die BAMF bundesweit nun von 450.000 Flüchtlingen inklusiv Folgeantragstellern aus. Für den Rhein-Neckar-Kreis bedeutet dies einen jährlichen Zugang von rund 3.000 Personen, die im Kreisgebiet untergebracht und betreut werden müssen.
Die untere Flüchtlingsaufnahmebehörde im Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis hat bereits in den vergangenen Jahren mehrere neue Gemeinschaftsunterkünfte in Betrieb genommen, zuletzt eine Unterkunft mit 240 Plätzen in Wiesloch. Weitere Gemeinschaftsunterkünfte befinden sich derzeit in Planung. Um seiner Aufnahmeverpflichtung gegenüber dem Land weiterhin nachzukommen zu können, hat der Rhein-Neckar-Kreis darüber hinaus eine Vielzahl von Wohnungen angemietet und ist weiter auf der Suche nach geeigneten Wohnobjekten. „Wir wollen die Flüchtlinge und Asylbewerber menschenwürdig unterbringen“, so Bauer, „deshalb kommt eine Unterbringung in Sporthallen und Zelten nur im äußersten Notfall in Betracht“. Das bedeutet aber auch, dass „wir geeignete und kurzfristig verfügbare Objekte nutzen müssen um die Zugangsspitzen abzufangen.“
Ab Anfang August 2015 werden daher in das ehemalige Hotel GUPS, Eisleber Straße 3, Weinheim bis zu 80 Asylbewerber einziehen. Darüber informiert jetzt der Erste Landesbeamte Joachim Bauer, die Öffentlichkeit. „Über die bereits beschlossenen Standorte für Asylbewerberunterkünfte in der Heppenheimer Straße, Stettiner Straße sowie in Sulzbach hinaus kann der Rhein-Neckar-Kreis aktuell in dem ehemaligen Hotel GUPS neue Unterbringungskapazitäten für zehn Jahre anmieten, die bereits recht kurzfristig für die vorläufige Unterbringung von bis zu 80 Flüchtlingen zur Verfügung stehen“. Den für die Umnutzung in eine Gemeinschaftsunterkunft notwendigen Bauantrag hat der Bauherr in den vergangenen Tagen bei der Stadtverwaltung Weinheim gestellt. Baurechtlich ist die Unterbringung von Flüchtlingen an diesem Standort zulässig. Der Rhein-Neckar-Kreis hat die Stadtverwaltung Weinheim über die Anmietung des Hotels und die dort geplante Unterbringung der Asylbewerber im Juni 2015 informiert.
„Das bis vor kurzem noch in Betrieb befindliche Hotel ist als Gebäude für die Unterbringung von Flüchtlingen sehr gut geeignet“, so Stefan Becker, Leiter des Ordnungsamtes des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis, der für die Unterbringung der Flüchtlinge und Asylbewerber verantwortlich ist. Sanitäre Anlagen befinden sich durchweg in den einzelnen Zimmern, Küchen zur gemeinschaftlichen Nutzung werden noch eingebaut und auch Räume für Verwaltung und Betreuung sind vorhanden, so Becker weiter. Er betont auch: „Für Fragen und Befürchtungen aus der unmittelbaren Nachbarschaft und der gesamten Bevölkerung haben wir immer Verständnis und ein offenes Ohr.“ Deshalb stehen er und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unteren Flüchtlingsaufnahmebehörde auch persönlich für Gespräche mit den Anwohnern vor Ort zur Verfügung.
Als untere Aufnahmebehörde ist das Landratsamt nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz für die Aufnahme und vorläufige Unterbringung der zugeteilten Personen verantwortlich. Die Betreuung der vorläufig untergebrachten Asylbewerber erfolgt ebenfalls durch den Rhein-Neckar-Kreis. Das in Weinheim außerordentlich gut organisierte Netzwerk der ehrenamtlichen Helfer wird kurzfristig zur Unterstützung des Kreises aktiviert werden müssen. „Gerade diesbezüglich ist in Erwartung der geplanten Unterbringung von bis zu 240 Flüchtlingen in neu zu errichtenden Gemeinschaftsunterkünften hervorragende Vorarbeit geleistet worden“, lobt Joachim Bauer das ehrenamtliche Engagement in Weinheim.
“Es ist sehr bedauerlich, dass durch den wachsenden Zustrom von Flüchtlingen der Kreis so vorgehen muss, wie er nun vorgeht”, erklärte Weinheims Oberbürgermeister Heiner Bernhard, “aber wir erkennen die Notlage des Kreises an”. Die Stadt müsse nun ihrerseits reagieren und ihre Aufgaben wahrnehmen, wie zum Beispiel die Aufnahme von Kindern in Schulen und Kindertagesstätten sowie durch eine ergänzende Integrationsarbeit durch haupt- und ehrenamtliche Kräfte.”