„Jeder hat seinen eigenen Horizont“

Mannheim/Rhein-Neckar, 23. September 2016. (red) Bei „Ihre Meinung“ haben wir unsere Leser gefragt, wie sie zur Verschleierungs-Debatte stehen. Das Ergebnis: ein Fließtext, in dem 40 Lesermeinungen eingearbeitet sind. Nun haben wir einen dieser Leser gefragt, warum er mitgemacht hat und wie er das Ergebnis findet.

Interview: Hardy Prothmann

Herr Hergesell, Sie haben nicht anonym an unserem Format „Ihre Meinung“ zur Verschleierung teilgenommen. Warum haben Sie mitgemacht?

David Hergesell: Weil ich das neue Format interessant finde – vor allem, wie meine Meinung im Umfeld im Text steht. Ich erkenne das, was ich geschrieben habe, natürlich sofort wieder.

Und? Haben wir etwas verändert?

David Hergesell; Foto: Privat

Hergesell: Nein – meine Meinung steht 1:1 im Text. Wie angekündigt.

Wie finden Sie sich denn mit Ihrer Sicht im Umfeld der anderen Meinungen wieder?

Hergesell: Das ist sehr interessant – man merkt, dass jeder seinen eigenen Horizont hat. Unter den verschiedenen Meinungen gibt es Gemeinsamkeiten, aber auch klare Abgrenzungen. Sicher ist das Formt nicht repräsentativ, aber es erweitert den eigenen Horizont um den der anderen.

Gab es Meinungen, die so gar nicht Ihrem Horizont entsprechen?

Hergesell: Ja – beispielsweise die Behauptung, der Islam sei eine totalitäre Ideologie. Das ist mir viel zu pauschal. Viele Muslime sehen im Islam einfach nur eine Religion, mit der sie leben wie Christen mit dem Christentum.

Starkes Format für aktuelle Debattenthemen

Sie sind in der FDP aktiv – wie beurteilen Sie aus Parteisicht unser Experiment?

Hergesell: Hier möchte ich betonen, dass ich als Privatmensch, Bürger und Leser des Rheinneckarblog teilgenommen habe. Ich habe meine Meinung aufgeschrieben, ohne eine Parteilinie wiederzugeben oder einen entsprechendes politisches Ziel zu verfolgen. Wenn ich den Parteihut aufziehe, bin ich natürlich sehr interessiert, wie die anderen sich äußern – das ist natürlich auch politisch sehr interessant. Die FDP setzt sich ja für Pressefreiheit und plebiszitäre Elemente ein und deswegen gefällt mir „Ihre Meinung“ sehr gut, weil das ein Element ist, um Meinungsfreiheit zu stärken.

Wir experimentieren noch – was denken Sie, wie oft sollten wir „Ihre Meinung“ anbieten? Regelmäßig, nur zu Debattenthemen?

Hergesell: Ich glaube, regelmäßig würde sich abnutzen. Aber zu aktuellen Debattenthemen ist das ein starkes Format. Die Verschleierung wurde ja bundesweit diskutiert – hier gibt es kaum jemanden ohne eine Meinung. Das passt das perfekt.

Das hohe Niveau hat mich positiv überrascht

Sie haben natürlich als „Mitmeinungsmacher“ den Text gelesen. Das sind 40 Meinungen – funktioniert der Text in der Länge?

Hergesell: Für mich absolut. Im Unterschied zu Artikeln, die einen „roten Faden“ und damit einen klaren Aufbau haben, ist dieser Patchworktext natürlich anders. Ich hätte nicht gedacht, dass es 40 Meinungen sind. Viel länger sollte solch ein Text nicht sein – diese Länge fand ich noch in Ordnung.

Haben Sie die Meinungen auseinanderhalten können? Was denken Sie insgesamt über die Antworten?

Hergesell: Manchmal kann man klar erkennen, wo eine Meinung aufhört und die andere anfängt, manchmal gar nicht. Sehr spannend. Was mir sehr positiv aufgefallen ist, ist das überwiegend hohe Niveau der Äußerungen, das hat mich positiv überrascht.

Zur Person:
David Hergesell (25) ist Pressesprecher des Kreisverbands FDP Mannheim, Bezirksbeirat in Neckarau und Ortsverbandsvorsitzender der FDP „LiANe“ (Lindenhof, Almenhof, Neckarau).

Hier unser erster Aufruf