Mannheim/Heidelberg, 21. September 2015. (red/sl) Mit den vielen Asylsuchenden bekommt Deutschland eine Chance, den demographischen Knick abzumildern und fehlende Arbeitskräfte anzuwerben. Seit November 2014 dürfen Asylsuchende laut Gesetz bereits nach drei Monaten Aufenthalt einer Beschäftigung nachgehen – vorausgesetzt, sie erfüllen gewisse Bedingungen. Was müssen Asylsuchende für eine Arbeit in Deutschland mitbringen? In welchen Branchen besteht Nachfrage? Und wo liegen die Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung? Wir haben bei den Arbeitsagenturen Mannheim und Heidelberg nachgefragt.
Von Sandra Ludwig
Die beiden Arbeitsagenturen Heidelberg und Mannheim unterscheiden sich in ihren Aufgaben hinsichtlich Asylsuchender im Arbeitsmarkt stark. In Heidelberg sind viele Asylsuchende längerfristig untergebracht, außerdem ist das Arbeitsamt auch für die Kommunen Schwetzingen, Wiesloch, Weinheim und Sinsheim zuständig. Man musste deshalb auf die steigenden Zuwanderungszahlen reagieren: Seit Juni arbeiten beim Arbeitsamt Heidelberg zwei weitere Fachkräfte, die speziell für die Vermittlung von Asylbewerbern eingestellt wurden.
Anders die Situation in Mannheim: Da die Stadt das Erstaufnahmelager Benjamin Franklin Village betreibt, werden ihr inzwischen keine Asylsuchenden zur längeren Unterbringung mehr zugewiesen. Die Migranten halten sich in der Regel weniger als drei Monate in der Stadt auf und sind in dieser Zeit nicht arbeitsberechtigt.
Laut Ulrich Manz, dem Leiter der Arbeitsagentur Mannheim, versorgt sein Haus lediglich eine geringe Anzahl an Kontingentflüchtlingen aus Syrien, die die Bundesrepublik seit März 2013 aufgenommen hat. Außerdem gibt es noch Migranten, die die Stadt vor der Einrichtung der Erstaufnahmestelle aufgenommen hat – das sind circa 500 Personen.
Bis Anfang 2015 durften sich Asylbewerber nur in den Bundesländern aufhalten, in dem sie registriert worden waren. Diese Residenzpflicht wurde zum Jahresbeginn gelockert. Seitdem können sich Asylbewerber nach drei Monaten Aufenthalt mit geringeren Auflagen durch die Bundesrepublik bewegen.
Seitdem erreichen die Mannheimer Arbeitsagentur auch Anfragen aus anderen Kommunen – wie viele beantwortet die Arbeitsagentur auf Anfrage unserer Redaktion nicht. Auch die Arbeitsagentur Heidelberg konnte uns keine Angaben zu Vermittlungszahlen machen.
Viele Hindernisse bis zur Arbeitsstelle
Um Arbeit in Deutschland anzunehmen, muss ein Migrant einige Hürden überwinden. Er muss sich volle drei Monate in Deutschland aufhalten – mit dem Status als anerkannter Flüchtling oder mit rechtmäßigem, gestatteten und geduldeten Aufenthalt. Erst dann kann er eine Arbeitsgenehmigung beantragen. Außerdem muss ein Vermittler der Arbeitsagentur eine günstige Integrationsprognose abgeben – dabei spielen berufliche Qualifikation und Deutschkenntnisse mit hinein. Laut Arbeitsagentur Heidelberg prüft man jeden Fall individuell.
Der Zugewanderte kann nun Arbeit suchen – allerdings nicht einfach so. Interessiert ihn eine Stelle, führt die zuständige Arbeitsagentur eine sogenannte Vorrangsprüfung durch. Damit stellen die Arbeitsagenturen sicher, dass die Stelle nicht von einem deutschen Staatsbürger ausgeführt werden kann. Die oft zitierte Behauptung “Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg” trifft allein schon deshalb nicht zu. Im Gegenteil: Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Asylsuchende ist durch die Vorrangsprüfung stark eingeschränkt.
Im Verhältnis zu Mannheim ist die Heidelberger Arbeitsagentur stärker in die Vermittlung von Asylsuchenden eingebunden. Die beiden neu eingestellten Vermittlungskräfte gehen direkt in die Unterkünfte und sind somit gut erreichbar. Sie helfen beim Ausfüllen wichtiger Dokumente, führen Erstgespräche.
Das sind noch keine klassischen Beratungsgespräche, aber erste Schritte des Vermittlungsprozesses. Laut eigenen Angaben arbeitet das Arbeitsamt Heidelberg hier mit Ehrenamtlichen zusammen – konkretere Beschreibungen wurden uns gegenüber jedoch nicht gemacht. Auf unsere Anfrage konnten auch keine Zahlen zu arbeitssuchenden Asylbewerbern in Heidelberg angegeben werden.
Hoher Bedarf in Gastronomie sowie Bau- und Handwerksbranche
Asylsuchende in Mannheim kommen laut Ulrich Manz meist in der Gastronomie oder in der Reinigungsbranche unter – viele übernehmen Helferaufgaben und arbeiten als 450 Euro-Kraft. Weiterhin besteht in der Pflegebranche Bedarf. Auch die Arbeitsagentur Heidelberg vermittelt Asylbewerber häufig in die Gastronomie. Nur die Bau- und Handwerksbranche stellt dort mehr Asylsuchende ein – zum Beispiel als Gas-Wasser-Installateure.Viele Arbeitgeber kommen auf der Suche nach ausländischen Fachkräften selbst auf das Heidelberger Arbeitsamt zu.
Ulrich Manz betont allerdings, dass das Amt die Stellen sehr genau kontrollieren muss, die Asylsuchenden angeboten werden.
Nicht selten herrschen fragwürdige Arbeitsbedingungen,
sagt er. Im Bereich der Arbeitsstunden werde mitunter gemauschelt, so dass der Asylbewerber in manchen Fällen ein Stundenlohn von vier Euro erhalte.
Geringe Anerkennung von Ausbildungen
Oft verhindert der Mangel an Sprachkenntnissen und Qualifikationen die Vermittlung. Von den 500 Flüchtlingen in Mannheim können nur 20 Prozent eine Ausbildung nachweisen. Und nur die Ausbildungen von zwei Prozent sind in Deutschland anerkannt. Es stellt sich die Frage, inwieweit hier die oft geforderte Entbürokratisierung im Umgang mit Flüchtlingen Sinn machen würde.
Asylsuchende haben aber die Möglichkeit, sich durch ein Praktikum fortzubilden,
ergänzt Ulrich Manz. Sie erhalten in dem Fall jedoch keinen Mindestlohn. Auch ein Praktikum ist jedoch keine Garantie für eine Stelle. Ulrich Manz kann von einem eriträischen Migranten berichten, der während eines Praktikums einen sehr guten Eindruck beim Arbeitgeber hinterließ. Die Arbeitsagentur entschied jedoch, dass er noch weitere Qualifikationen erwerben müsste, bevor er angestellt werden könnte.
Die Arbeitsagenturen und die Arbeitgeber müssen also in die berufliche Qualifizierung ihrer ausländischen Arbeitskräfte investieren. Schulpflichtige Asylsuchende kommen zunächst in Orientierungsklassen – dort wird erkundet, welche Ausbildungen für sie in Frage kommen. Wenn die Ausländerbehörde zustimmt, können junge Asylsuchende eine Ausbildung aufnehmen.
Um das Potential Asylsuchender in den Arbeitsmarkt einzubinden, braucht es einen längeren Atem,
fasst Ulrich Manz die Lage zusammen. Dies trifft sicher auch für arbeitswillige Asylsuchende zu.
Die Ausländerbehörden sind auch im Bereich Sprachkompetenzen in der Pflicht. Tatsächlich hat das Land Baden-Württemberg mehr Geld für Grundlagenkurse in Deutsch bereitgestellt – einzig an Unterrichtsangeboten fehle es noch, berichten Mitarbeiter der Arbeitsagentur Mannheim.
Die Stadt Mannheim sei ideal für die Integration ausländischer Arbeitskräfte, so Ulrich Manz. Es bestünde eine gute Vernetzung zwischen der Stadtverwaltung, verschiedenen Vereinen und der Arbeitsagentur.
Außerdem verfügt Mannheim aufgrund seiner Zuwanderungsgeschichte über eine gute Grundatmosphäre,
sagt der Leiter der Arbeitsagentur Mannheim. Einige Mitarbeiter der Mannheimer Arbeitsagentur haben selber eine Einwanderungsgeschichte – interkulturelles Verständnis sei somit verbreitet, berichtet Martina Gürkan, Beauftragte für Chancengleichheit und Migration. Allerdings sei man auch weniger belastet als andere Kommunen. Eine Einschätzung der Situation durch Mitarbeiter der Heidelberger Arbeitsagentur haben wir leider nicht erhalten.