Rhein-Neckar, 04. August 2015. (red) Im Lidl Kirchheim haben die Diebstähle zugenommen? Stimmt das oder ist das falsch? Auf dem Friedhof pinkeln Asylbewerber gegen Grabsteine? Stimmt das oder nicht? Die Zahl der Einbrüche hat in Kirchheim zugenommen. Ist das so oder ist die „Information“ falsch? Es gibt jede Menge „Geschichten“ – tatsächlich stellen sich die meisten als haltlose Gerüchte heraus, wie unser Faktencheck zeigt. Ohne Zweifel gibt es aber harte Fakten, die „nicht gefallen“.
Von Hardy Prothmann
Wir haben das Unternehmen Lidl angefragt, ob es zutrifft, dass die Zahl der Ladendiebstähle mit der Unterbringung der Asylsuchenden im Patrick Henry Village (PHV) zugenommen hat. Eindeutige Antwort von der Unternehmenszentrale zur Lage in Heidelberg-Kirchheim:
Wir können keine signifikante Zunahme der Diebstahlsdelikte in unserem Hause feststellen. Jeder Diebstahl führt zur Anzeige.
Der Mannheimer Morgen berichtet am 30. Juli 2015 von „180 Hausverboten“ und benennt als „glaubwürdige Quelle“ Jörn Fuchs – Jurist und Vorsitzender des Stadtteilvereins Kirchheim, der „weiß, wovon er spricht“:
Gerüchteküche vs. Fakten
Seltsam – es dauert zwar etwas, aber uns antwortet das Unternehmen Lidl. Unsere Anfrage an die Zentrale, ob es schon mehrere Dutzend Hausverbote in Kirchheim gegeben habe, Mitarbeiter sich nicht zu helfen wüssten und die Vermüllung zunehme oder sonstige Auffälligkeiten festzustellen seien, wird so beantwortet:
Es gibt keine Auffälligkeiten wie Vermüllung außerhalb der Filiale und keine Zunahme an Beschwerden. Der Einsatz von Security ist nicht geplant und auch keine weiteren personellen Veränderungen. Zudem wurden von uns auch keine Hausverbote ausgesprochen.
Herr Fuchs „weiß“ also laut Mannheimer Morgen „wovon er spricht“. Nach unserem Faktencheck wird deutlich, Herr Fuchs weiß überhaupt nicht, wovon er spricht und die einzige „Vermüllung“ die stattfindet, sind falsche Gerüchte, die die Zeitung verbreitet.
Diese sind geeignet, bösartige Vorurteile in der Bevölkerung zu schüren. „Vermüllt“ wird also vor allem die „öffentliche Meinung“.
Angebliche Vergewaltigungen
Auf Facebook waren zuletzt verschiedene Kommentare zu finden, die von zwölf (!) Vergewaltigungen „berichten“, seit in Weinheim asylsuchende Männer ins Hotel Gups eingezogen sind.
Antwort der Polizei: Es gab keine einzige Vergewaltigung, auch keine Versuche.
Ein Kommentator war so „clever“ und meinte, die Polizei würde das „verheimlichen, um keine Missstimmung aufkommen zu lassen“. Das ist, mit Verlaub, purer, gemeingefährlicher Rassismus.
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Die Polizei verschweigt überhaupt keine Vergewaltigung, schon gar nicht ein Dutzend. Möglicherweise werden aus „ermittlungstaktischen Gründen“ Vorfälle erst später gemeldet – wir wissen von unseren sehr guten Polizeikontakten, dass das nicht der Fall ist.
„Angepinkelte“ Grabsteine
Weiter geht es mit den Gerüchten: Der Friedhof in Kirchheim werde zugemüllt und Asylsuchende pinkelten gegen Grabsteine.
Antwort der Polizei: Es liegen dazu genau keine Anzeigen oder sonstige Informationen vor. Und selbst wenn die Vorfälle „wahr“ wären – wo ist der Beweis, dass es „die Asylanten“ waren und nicht etwa übermütige deutsche Jugendliche aus bestem Hause oder Nazis, die „falsche Spuren“ legen wollen oder einfach jemand, der mal musste und keinen Anstand hat?
Die Straßenbahnhaltestelle am Friedhof sei vermüllt und Fahrerinnen würden belästigt und wollten auf der Linie 26 keinen Dienst mehr machen.
Die ehrliche Antwort der vrn Rhein-Neckar geht auch in Richtung „subjektiv“:
Die Situation in Kirchheim hat dazu geführt, dass auch das subjektive Sicherheitsempfinden unserer Fahrerinnen und Fahrer beeinträchtigt ist. Wir nehmen die Belange unserer Belegschaft natürlich sehr ernst und setzen daher im Bereich der Haltestelle Kirchheim Friedhof verstärkt Servicepersonal ein, um unseren Kolleginnen und Kollegen etwaige Sorgen zu nehmen.
Es gibt keine „Übergriffe“, sondern ein „subjektives Sicherheitsempfinden“ und „etwaige Sorgen“ – also pures Kopfkino. Wie bei so vielen, die sich vorstellen, „was alles passieren könnte“. Unabhängig davon, was passiert.
Fakt: Enorme Belastung für Polizei und Rettungskräfte
Fakt ist und das sind keine Gerüchte: Insbesondere im Patrick Henry Village (PHV) ist die Belastung für Polizei und Rettungskräfte enorm hoch. Dr. Georg Belge, Kommandant der Berufsfeuerwehr Heidelberg sagt:
Seit PHV in Betrieb ist, sind unsere Einsätze enorm angestiegen. Seit einigen Wochen rund um die Uhr und nachts auch bis zu fünf oder sechs Einsätze. Selbstverständlich ist es unsere Aufgabe, diese ernst zu nehmen und für die Sicherheit der Menschen zu sorgen, aber die Fülle der mutwilligen Fehlalarme ist enorm und das belastet uns.
Die Heidelberger Feuerwache ist rund um die Uhr mit 18 Mann besetzt. Aktuell sei man dabei, in Abstimmung mit dem Betreiber European Homecare „Maßnahmen“ zu ergreifen, um beispielsweise über Brandschutzhelfer vor Ort zu prüfen, ob ein Fehlalarm vorliegt.
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Auch die Polizei berichtet von nächtlich durchgehend vielen Einsätzen – nicht immer geht es um gravierende Vorfälle. Auch „Ruhestörung“ gehört dazu – nicht der Einheimischen, sondern von Asylsuchenden im Lager durch andere Asylsuchende.
Gewalt? Ja, gibt es, vor allem in den Lagern
Tatsächlich gibt es auch immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen. Aktuell gab es auch in Mannheim im Benjamin Franklin Village heute einen großen Polizeieinsatz. Im Schwetzinger Containerlager soll es aktuell eine Messerstecherei gegeben haben – gesicherte Informationen liegen noch nicht vor.
Andere Medien berichten von „spektakulären Massenschlägereien“ auf PHV. Tatsache ist: Man weiß nicht, ob die „spektakulär“ waren – bis die Polizei eintrifft, haben sich die meisten Beteiligten „verflüchtigt“ und man weiß nicht, ob es „richtig“ zu Sache ging oder es bei Tumulten und Drohszenarien blieb. Medienvertretern ist der Zutritt außerhalb von „offiziellen“ Terminen in Begleitung von Mitarbeitern des Regierungspräsidiums verboten.
In der Nacht von Sonntag auf Montag ging es zur Sache: Zwei verletzte Asylsuchende und ein leicht verletzter Sicherheitsdienstmitarbeiter waren das „Ergebnis“. Doch auch hier waren die meisten „Beteiligten“ weg, bis die Polizei eingetroffen war. Zeugen? Gibt es fast nie. Die meisten Asylsuchenden kommen aus Ländern, in denen man der Polizei nicht vertraut.
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Lesetipp – Beobachtungen am Tatort nach einer Schießerei – 120.000 Mal aufgerufen
Ich bin fassungslos – krass geht anders
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Faktenlagen kompakt
Faktenlage Einbruchdiebstahl: Die Polizei hat durch verschiedene Maßnahmen die lange vor der Belegung von PHV gestiegenen Einbruchsdiebstähle zurückdrängen und deren Aufklärung steigern können. PHV ist kein Schwerpunkt.
Faktenlage Diebstahl: Die Polizei verzeichnet eine „wahrnehmbare Zunahme“. Aber nicht in Lebensmittelmärkten, sondern vor allem im Bereich Kleidung und beim Taschendiebstahl. Die meisten Straftaten passieren in der Innenstadt. Und hier ist nicht die deutsche Bevölkerung im Fokus der Diebe, sondern vor allem Touristen und hier vor allem Asiaten. Äußerst interessant: Nach unseren Informationen hat die Polizei hier Täter gefasst, die eigentlich in Nordrhein-Westfalen als Asylsuchende registriert sind, wegen der fehlenden Residenzpflicht aber offenbar herumreisen und ihre Straftaten „professionell“ begehen.
Faktenlage Drogen: Bei einer Drogenrazzia vor einigen Wochen in vielen Asylbewerberheimen hat die Polizei zwei Dutzend Haftbefehle vollstreckt – die Ermittlungen laufen aber gegen mindestens 140 Personen. Bis auf wenige ist dies ein Drogenhändlerring von Gambianern. Überwiegend junge Männer zwischen 18 und 30 Jahre alt. In Mannheim hatte sich in der Innenstadt ein Drogenschwerpunkt gebildet, in Heidelberg beobachtet ebenfalls „Aktivitäten“ – auch hier im innerstädtischen Bereich.
Faktenlage Raub: Hier sind bislang keine besonderen Vorkommnisse feststellbar, die einen Zusammenhang zwischen gestiegenen Flüchtlingszahlen und räuberischen Handlungen erkennen lassen.
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Lesetipp:
Reportage „Bedarfsorientierte Erstaufnahme“ auf Franklin
“Hier stirbt bald einer”
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Faktenlage Gewaltverbrechen: Es gibt laut Polizei keine außergewöhnlichen Vorkommnisse.
Faktenlage Kriminalität insgesamt: Schwere Kriminalität ist in Zusammenhang mit den Asylsuchenden ebenfalls bislang nicht erkennbar. Einen Anstieg gibt es bei Diebstahlsdelikten und „Erschleichung von Leistungen“, also „Schwarzfahren“. Insbesondere, was „gewalttätige Auseinandersetzungen“ angeht, spielen sich diese zwischen den Flüchtlingsgruppen ab und betreffen die deutsche oder einheimische Bevölkerung so gut wie gar nicht. Während es Einheimische gibt, die sich „subjektiv“ belastet fühlen, ist die objektive Belastung vor allem für die Polizei- und Rettungskräfte enorm gestiegen.
Gerüchte und „die Wahrheit“
Nicht die Bevölkerung ist also belastet, sondern vor allem Polizei und Rettungskräfte. Hier steigt der Frust, weil man sich von der Politik und der Verwaltung verlassen fühlt – nicht kommunal, sondern vor allem vom Land und vom Bund. Im Land regiert grün-rot, im Bund schwarz-rot.
Tatsache ist: Die Mehrheit der echten Asylsuchenden ist belastet – durch die Zustände in ihren Heimatländern, die Flucht, die unklaren Zustände hier vor Ort und eine Minderheit von „Krawallos“, die die Sicherheitslage in den Lagern gefährden und die Menschen dort in Notsituationen bringen. Und durch „Asylsuchende“, die keiner tatsächlichen politischen Verfolgung ausgesetzt sind, sondern vor Elend und Armut fliehen.
Und durch solche, die hier in Deutschland angeblich Asyl suchen, tatsächlich aber nur kriminellen Machenschaften nachgehen. Wer wer ist, ist schwer zu unterscheiden und die Politik hat über Jahre zu wenig getan, um hier klare Regeln und klare Verfahren aufzustellen.
Die Kritik der Bevölkerung muss man ernst nehmen – aber man muss nicht jeder Hysterie und schon gar nicht falschen Gerüchten folgen.
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