Mannheim, 21. Oktober 2013. (red/ld) Fünfzehn Jahre lang hat Morice Lipsi meditiert. Dann war die Idee des Lipsi-Rads geboren. Der Höhepunkt seines Schaffens, wie er selbst sagte. Ursprünglich sollte das Rad zusammen mit einem Lipsi-Brunnen vor der damaligen Carl-Diehm-Halle – heute Sporthalle am Herzogenried – aufgestellt werden. Nach einigen Ortswechseln steht das Rad seit 1975 am Eingang der Augustaanlage.
Von Lydia Dartsch
Ein Steinrad. Na und? Auf den ersten Blick ist es kaum zu glauben, dass jemand 15 Jahre braucht, um sich ein Rad aus Stein einfallen zu lassen und es zu meißeln. Dieser Gedanke ist so unglaublich, dass man unbedingt ein zweites Mal hinschauen muss: Auf dieses Rad mit den Rissen. Ein Loch in der Mitte, durch das man entweder den Wasserturm oder das Carl-Benz-Denkmal sieht, wenn man nah genug heran geht. Spätestens dann können Betrachter erkennen, was den Bildhauer Morice Lipsi so lange umgetrieben hat, bis er sein Kunstwerk fertig erdacht hatte: Feine Kanten ziehen sich in schneckenförmigen Bahnen von der Innenseite des Rades nach außen. Nur angedeutet durch feine Kanten.
Morice Lipsi stammt ursprünglich aus Lodz in Polen, wo er 1898 geboren wurde. Mit 14 Jahren zog er nach Paris „La Ruche“ – dort, wo Persönlichkeiten wie Marc Chagall, Chaim Soutine, Amedeo Modigliani und Ossip Zadkine lebten und arbeiteten. Er studierte an der Ecole des Beaux Art. Seine erste eigene Ausstellung wird im Jahr 1922 in der Galerie Hébrard in Paris eröffnet. Ab den Sechziger Jahren erhält er viele öffentliche Aufträge für Skulpturen und Monumente aus Frankreich, Japan, Israel, Tschechoslowakei, Island und Deutschland. Im Jahr 1986 stirbt Morice Lipsi im schweizerischen Küsnacht-Goldbach bei Zürich. Einige seiner Werke sind heute im Musée Morice Lipsi im französischen Rosey zu sehen.
Das Rad hat die Stadt Mannheim im Jahr 1964 aus Lipsis Ausstellung in der Kunsthalle gekauft. 60.000 DM hatte es gekostet. 1965 wurde es erst an der Carl-Diehm-Halle – der heutigen Sporthalle am Herzogenried – aufgestellt und bekam von den Mannheimern den Namen „Mühlrad“ verpasst.
Eines Tages, vier Jahre später lag es da: Von seinem Sockel gestoßen und in vier Teile zerbrochen. Ein Lastwagenfahrer hatte das Werk übersehen und es mit seinem Fahrzeug gerammt. Eine Versicherung hatte die Stadt nicht abgeschlossen. Morice Lipsi schätzte die Reparaturkosten auf 2.000 DM. Die Hälfte des Geldes spendeten Mannheimer Bürger. Seitdem gibt es die Bruchstellen im Rad, die auch heute noch gut zu sehen sind.
Nach der Reparatur wird das Rad an der Kunsthalle aufgestellt; dort, wo früher einmal Sitzbänke waren. Seinen heutigen Platz hat es erst 1975 bekommen – gegen den Protest von Mannheimer Bürgern, die um das Blumenbeet trauerten, das vorher hier stand. Den Vorschlag für die Umsetzung hatte der Mannheimer Künstler und Fotograf Robert Häusser gemacht. Vermutlich hatte auch ihn, den Fotografen, die Perspektive auf den Wasserturm und das Carl-Benz-Denkmal durch das Loch des Rades fasziniert.
Anmerkung der Redaktion: Herzlichen Dank an Silvia Köhler von den Mannheimer Künstlernachlässen. Im Rahmen der Berichterstattung zu der Ausstellung der Künstlernachlässe im Rathaus hatte sie die Idee, die Kunstwerke im öffentlichen Raum in einer Serie vorzustellen.