Mannheim/Rhein-Neckar, 17. Juni 2014. (red) Der Gewaltausbruch einer Massenschlägerei, die in den S-Quadraten begonnen und sich in den Jungbusch verlagert hatte, erschreckt. Noch mehr allerdings die rassistischen Reaktionen. Insbesondere über Facebook ziehen Nazis und sonstige Fremdenhasser vom Leder – beim Mannheimer Morgen wurde ein Post gut 250 Mal kommentiert. Viele Einträge gehen über eine Meinungsäußerung weit hinaus – den Zeitungsjournalisten ist das egal. Sie lassen die rassistische Hetze als „harten Schlagabtausch der Meinungen“ zu – frei nach dem Motto: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“.
Von Hardy Prothmann
Wir Journalisten arbeiten ständig mit Meinungen. Seit einigen Jahren bieten die sozialen Netzwerke gute Möglichkeiten, Nutzer von Medien mit eigenen Kommentaren zu Themen einzubinden. Nicht mehr nur wir Journalisten äußern uns und lassen Politiker, Menschen aus Wirtschaft, Kultur und Sport zu Wort kommen – auch die Mediennutzer können sich beteiligen. Das ist grundsätzlich eine gute Sache.
Was früher der Leserbrief war, ist heute der Kommentar – ob zu Artikeln auf einer Medienseite oder als Facebook-Post oder Tweet. Selbstverständlich sind Kommentatoren für ihre Kommentare selbst verantwortlich – doch wir Journalisten können die Verantwortung nicht darauf abschieben, wenn auf der eigenen Seite Meinungen geäußert werden, die die Würde von Menschen verletzen oder offen zu Hass und Gewalt aufrufen.
Doch es gibt ein Dilemma – je emotionaler und aufgebrachter sich Menschen zu einem Thema äußern, umso mehr Kommentare erhält ein Thema. Umso mehr „Aufmerksamkeit“ wird erreicht – und wir Journalisten wollen ja gerade Aufmerksamkeit erreichen. Doch zu jedem Preis? Als verantwortlicher Journalist achtet man selbstverständlich darauf, auch Kommentare zuzulassen, die nicht der eigenen Meinung entsprechen, aber auch Kommentare zu löschen oder Kommentatoren zu sperren, deren Anliegen es nicht ist zu argumentieren, sondern die nur hetzen wollen.
Der Mannheimer Morgen agiert in einer widerlichen Art vollständig verantwortungslos. Man lässt Dutzende von hetzerischen Kommentaren zu und reibt sich die Hände. Natürlich reagieren andere Facebook-Nutzer entsetzt und schreiben gegen die Hass-Kommentare an – es entwickelt sich ein „harter Schlagabtausch“ und die Zeitung ist dafür verantwortlich, weil keine oder kaum Moderation stattfindet.
Dass man die Hetze damit „legitimiert“, indem man das Forum gibt, sie zu äußern, nimmt man in Kauf. Und die Scheinheiligkeit kennt keine Grenzen:
Nach dem mit dem Stadtteil in Verbindung gebrachten Mord an der Studentin Gabriele, nach der Vergewaltigung einer weiteren Studentin jetzt eine Massenschlägerei, bei der scharf geschossen wird – armer Jungbusch!
So kommentiert beispielsweise der stellvertretende Lokalchef Peter W. Ragge die Schlägerei. Wer bitte hat den Stadtteil immer wieder mit dem Mord in Verbindung gebracht? Er selbst. Wer hat eine Debatte über den Zuzug von Südosteuropäern in Zusammenhang mit dem Jungbusch gefordert? Er selbst. Wer thematisiert ständig eine „unsichere Lage“ und kritisiert die Polizei? Der Mannheimer Morgen. Wer pushte die Vergewaltigung im Jungbusch unnötig? Der Mannheimer Morgen. Wer zitierte den CDU-Vorsitzenden Claudius Kranz ungeprüft, dass angeblich Überfälle nicht von der Polizei verfolgt würden? Der Mannheimer Morgen.
So sorgt die Zeitung nicht für hintergründige Berichte, sondern hetzt die Menschen grundlos aufeinander.
Dazu bedient man sich des fremdenfeindlichen Mobs und fühlt sich fein raus. Dabei ist man Brandstifter.
Über einige in der Berichterstattung geschürten Gerüchte klärten heute Nachmittag die Staatsanwaltschaft und das Polizeipräsidium Mannheim in einer gemeinsamen Pressemitteilung auf: Die Ausschreitungen von vergangenem Freitag stünden nicht im Zusammenhang mit einem „Bandenkrieg“, in welchem sich „rivalisierende Gangs“ gegenseitig bekämpfen. Der Ausgangspunkt für die Schlägereien in der Mannheimer Innenstadt sei nach derzeitigem Stand der Ermittlungen in Geldforderungen zu sehen und nahm ihren Anfang bei einer Auseinandersetzung in den S-Quadraten. Dass die Konfrontation im Stadtteil Jungbusch ihren Höhepunkt fand sei darauf zurückzuführen, dass Bekannte, Freunde und Verwandte einer der beiden Streitparteien dort wohnen. Auch waren weder Bulgaren noch Rumänen daran involviert. Entgegen dieser kursierenden Gerüchten handelt es sich bei den beteiligten Personen um Angehörige türkischer beziehungsweise türkischstämmiger Familien, so die Mitteilung.
Viele Kommentare der Facebook-Nutzer sind heftig: In ihnen wird zu Gewalt und Straftaten aufgerufen und sie sind fremdenfeindlich und menschenverachtend. Der Mannheimer Morgen lässt sie zu. Wir dokumentieren einige von ihnen:
Andreas K. am 14. Juni, 08:10 Uhr:
„Die könne froh sein das sie im Jungbusch wohnen dürfen. In ihrem land haben sie in Lehmhüten gewohnt und scheissen in ein erdloch!! Die Gesellschaft soll das problem sein!!?? Raus mit dem dreckspack , die gehen nie im leben schaffe und kriegen geld von den Deutschen. Ich würd es wie andre Länder machen und das pack garnet mehr reinlassen und was da ist ganz schnell wieder entsorgen!!“
Rolf L. am 14. Juni, 08:33 Uhr:
„Bei sowas braucht man die polizei nur um das gebiet abzusperren : Staßen dicht und die Boys das einfache selbst regeln lassen , irgendwan steht keiner mehr und kein Polizist wird verletzt und har noch seinen spass beim zuschauen .“
Bernd G. am 14. Juni um 07:57 Uhr:
„Packt sie alle ein und verfrachtet sie dahin wo sie her gekommen sind!
Thomas R. am 14. Juni um 08:51 Uhr:
„Warum schreitet man überhaupt ein ? Wer sich bekämpfen will, warum auch immer, will das ja. also: großräumig absperren, warten bis die fertig sind, den Rest festnehmen und alle entstandenen Schäden durch die Festgenommenen bezahlen lassen. Krankenversicherung übernimmt die Kosten für die Behandlung der Verletzungen nicht. Eine solche Vorgehensweise würde vielleicht etwas bewirken. Natürlich würde es wohl auch Unbeteiligte treffen, aber das kann man ja sowieso kaum verhindern.“
Amine D. am 14. Juni um 00:37 Uhr:
„Diese vergeudeten Steuergelder hätte man auch in mich investieren können. Sollen sie sich doch alle totschlagen. Unverschämtheit, das in einem Gastland! Undankbares Gesindel! Pfui Teufel sach ich da! Wohlgemerkt, habe einen Migrationshintergrund.“
Alisha L. am 14. Juni um 01:49 Uhr
„Alle die hier grad so rassistisch gegen Ausländer sind Euch gehört allen eine Kugel in den Kopf !!!!“