Mannheim, 18. August 2015. (red) Erst haben Mediendienste unseren Bericht über die „menschenverachtende Misshandlung“ des Sexualmordopfers Gabriele Z. aufgenommen, nun auch stern.de. Wir bekommen für die Thematisierung dieses Missbrauchs eines Opfers durch die Redaktion des Mannheimer Morgen ganz überwiegend Zustimmung – aber auch Kritik. Nicht nur die posthume Schändung der Studentin macht fassungslos – sondern ebenfalls Vorwürfe, denen wir nicht ansatzweise folgen können.
Von Hardy Prothmann
Unser Bericht vom Samstag über den posthumen Missbrauch des Sexualmordopfers Gabriele Z. als „Rätselspaß-Element“ hat bundesweit zehntausende Leser gefunden. Das Bildblog, eine medienkritische Website, die über Verfehlungen in Medien berichtet, hatte das Thema ebenso wie die Branchen-Dienste meedia.de und turi2.de aufgegriffen. Aktuell hat auch Stern.de übernommen.
Wir sind den Kollegen dankbar dafür, weil so eine absolut widerwärtige redaktionelle Fehlleistung weiter publik gemacht wird und andere Redaktionen, die vielleicht „mit Gedanken spielen“, in der Abwägung zwischen Aufmerksamsgeilheit und Seriosität von der Nachahmung abgehalten werden.
Journalismus ist ein „Verstehen“-Beruf – wir arbeiten uns in vielfältige Themen sorgfältig ein, müssen oft zwischen vielen Interessen abwägen. Aber irgendwann ist auch Schluss mit Verständnis – das gilt für die Politik, die Wirtschaft, den Sport und andere Gebiete und eben auch für Medien.
Ebenso für Mediennutzer. Die geschätzte Kollegin Panorama-Moderation Anja Reschke hat gerade bundesweit Aufmerksamkeit geschaffen für „kritische Nutzer“, in diesem Fall bösartige Rassisten, die das Netz mit ihren Hassposts fluten. Anja und ich kennen uns über das Netzwerk Recherche und sie macht eine sehr gute Arbeit.
Was sich manche Kommentatoren zusammenfantasieren
Auch wir erhalten oft Kommentare, wo es mit einem „Verständnis“ schnell zu Ende ist. Nicht alle unsere Leser/innnen sind in Facebook – wir präsentieren ein paar auf den ersten Blick noch „harmlose“ Beispiele:
Was will uns Herr Eisenhuth mit seiner Ironie beweisen? Implizit unterstellt er, dass Hardy Prothmann „einen an der Klatsche“ hat. Der Kommentar wurde nicht gelöscht – die Facebook-Nutzer dürfen sich selbst ein Bild über die innere Haltung des Herrn Erwin Eisenhuth machen.
Jenny Regnet wirft uns implizit vor, wir hätten das Thema nur aufgegriffen, um „Abonnenten zu fischen“. Blöd nur, dass wir keine Abonnements verkaufen – wieso sollten wir dann Abonnenten fischen? Sie dreht die Sache um – unsere Kritik am widerlichen Missbrauch der toten Gabriele Z. durch den Mannheimer Morgen ist für diese Kommentatorin mit einem Male unser Fehler, ein „Trauerspiel“. Unser Fazit: Das Trauerspiel findet im Kopf der Jenny Regnet statt.
Der Kommentator Samuel Serna wirft uns eine „altbekannte Fehde“ vor und eine ausschließliche Instrumentalisierung des Themas, um diese weiterzutreiben. Nur – welche Fehde soll das sein? 21 Jahre später? Ich habe als junger Student 1991-1994 für den Mannheimer Morgen gearbeitet. Seitdem habe ich mit der Zeitung nichts mehr zu tun. Hier wird versucht, die Berichterstattung zu einer „persönlichen Abrechnung“ zu machen – das ist natürlich Quatsch. Folgt man der Logik des Herrn Serna sind wir alle mit allen in einer Fehde verbunden, die wir kritisch betrachten. Erstaunlich ist die Empathielosigkeit des Kommentators – aus dem widerlichen Missbrauch der toten Gabriele Z. wird für ihn „ein Fehler“ und gut ist. Vorwurf: Wir nutzen plötzlich diesen „Skandal“ – dass dieser ohne unseren Bericht nicht bekannt geworden wäre, übersieht der Kommentator. Weiter unterstellt er nur niedere Motive – dass andere Medien unsere Berichterstattung aufnehmen, weil auch sie einen handfesten Skandal sehen, interessiert nicht. Und plötzlich stehen wir „auf dem Sarg des Opfers“. Uff. Auch darüber darf sich jeder selbst seine Meinung bilden.
A propos „Meinungsfreiheit“ – kennt jeder Artikel 5 Grundgesetz? Da steht:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten – das bedeutet keine qualitative Beschränkung. Jede Meinung – sofern sie nicht gegen andere Gesetze verstößt, ist erlaubt, von der intelligenten bis zur vollständig blöden.