Mannheim/Rhein-Neckar, 22. Juli 2014. (red/ms) Mit Christian Hehl wurde am 25. Mai diesen Jahres ein mehrfach vorbestrafter Hooligan-Schläger und Neonazi in den Mannheimer Gemeinderat gewählt. Wie geht man mit so einem Menschen um? Gestern Abend fand vor etwa 400 Zuschauern eine Kundgebung am Paradeplatz statt. Mehrere Mannheimer Stadträte und Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz stellten klar: Ab einer gewissen Grenze ist ein „normaler“ Umgang nicht mehr möglich – es wird keinerlei Kooperationen mit der NPD geben.
Von Minh Schredle
Ob männlich oder weiblich, Punk oder Anzugträger, Student oder Rentner – wie verschieden sie auch scheinen mögen, in einem Punkt gleichen sie sich alle: Diese Menschen wollen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen.
Etwa 400 Menschen haben sich am Paradeplatz versammelt, wo eine Kundgebung des Bündnis‘ „Mannheim gegen Rechts“ stattfindet. Anlass dafür ist das Ergebnis der vergangenen Gemeinderatswahl: Erstmals seit den 1970er Jahren wird die NPD in Mannheim einen Stadtrat stellen: Christian Hehl.
Bei Herrn Hehl handelt es sich um einen mehrfach vorbestraften Volksverhetzer und Hooligan-Schläger. Seine Bestrafungen hat er verbüßt. Er ist trotzdem ein Neonazi geblieben – Einsicht sieht anders aus. Aber er wurde demokratisch gewählt. Also muss man Wohl oder Übel damit leben, dass er die nächsten fünf Jahre im Gemeinderat sitzt. Viel entscheidender ist jetzt die Frage: Wie geht man mit ihm um?
Um diese Frage zu klären, redeten gestern Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, sowie amtierende oder ehemalige Stadträte aus den Fraktionen der SPD, CDU, den Grünen und der Linken. Aus den Reihen der Mannheimer Liste, FDP oder AfD war niemand anwesend – auch nicht erkennbar im Publikum.
Unter den Zuschauern fanden sich allerdings die Bürgermeisterinnen Felicitas Kubala (Die Grünen) und Dr. Ulrike Freundlieb (SPD), der Landtagsabgeordnete und Stadtrat Wolfgang Raufelder (Grüne) sowie der Bundestagsabgeordnete Stefan Rebmann (SPD).
Der Oberbürgemeister machte den Anfang und fand sehr deutliche Worte:
Feinden der Freiheit muss man keine Freiheit einräumen – das ist ein großes Missverständnis. Es wird keinen Diskurs mit einer menschenverachtenden Ideologie geben. Wenn eine gewisse Grenze überschritten ist, ist ein normaler Umgang einfach nicht mehr möglich.
Er betonte außerdem ausdrücklich, dass die NPD ihr Wahlergebnis im Vergleich zu den Vorjahren nicht verbessert hat, „auch wenn sie das gerne so darstellt“. Bei den Wahlen am 25. Mai wurden die Sitze anders verteilt als es bislang üblich war: Vom D’Hondt-Verfahren wurde auf das Sainte-Laguë-Verfahren umgestellt.
Durch diese Neuerung werden Kleinstparteien bevorzugt: Im Mannheimer Gemeinderat sind 48 Sitze zu vergeben. Damit das Wahlergebnis repräsentativ wiedergespiegelt wird, bräuchte eine Partei somit eigentlich 2,08 Prozent pro Sitz. Mit dem Verteilungsverfahren nach Saint-Lague reichten der NPD jedoch gerade einmal 1,1 Prozent, um in das Gremium einzuziehen.
Für diese 1,1 Prozent könne man „kein Verständnis“ haben. Es sei „notwendig, Anhängern der NPD mit gesellschaftlicher Ächtung zu begegnen“:
Es darf niemandem Verständnis entgegengebracht werden, der in Kenntnis unserer Geschichte diese Partei wählt. Wir grenzen radikale Gedanken aus, aber keine Menschen. Wer sich von einer menschenverachtenden Ideologie verabschiedet, mit dem kann und sollte wieder geredet werden.
Der Bürgermeister traf genau den Ton, den die 400 Zuschauer hören wollten – sie bedachten seine Worte mit frenetischem Applaus und Jubelrufen. Sein Parteikollege Ralf Eisenhauer, Fraktionsvorsitzender der SPD, trat ebenfalls als Redner auf, erwähnte aber keine neuen Inhalte.
Regina Trösch war seit 1991 Stadträtin der CDU. Bei den vergangenen Kommunalwahlen lies sie allerdings sich nicht mehr als Kandidatin aufstellen. Sie fasste sich am kürzesten, da der Oberbürgermeister „schon fast alles Erwähnenswerte“ gesagt hätte:
Was mich am meisten schockiert ist nicht dieser eine Mensch – Hehl oder wie er auch heißt. Sondern die Menschen, die ihn gewählt haben. Die machen mir Angst.
Dirk Grunert ist der neue Fraktionsvorsitzende der Grünen. Er wirkte unter allen Rednern am nachdenklichsten. Es sei „ein wirklich sehr schwieriges Thema“, wie man mit einem demokratisch gewählten Rechtsradikalen umgehen soll:
Für uns ist klar: Wir gewähren einem Gemeinderat alles, was zur Ausführung seiner Arbeit notwendig ist. Darüber hinaus werden wir Herrn Hehl kein einziges Zugeständnis machen.
Er verwies darauf, dass auch die NSDAP damals „das innerparlamentarische System, das sie verachtet, schamlos ausgenutzt“ hat – „das darf sich unter keinen Umständen wiederholen“.
Zuletzt redete Stadtrat Thomas Trüper (Die Linke). Er nahm sich mit deutlichem Abstand am meisten Zeit:
Die NPD will Missstände nicht durch soziale Gerechtigkeit beheben, sondern durch die Beseitigung bestimmter sozialer Gruppen. Das darf nicht geduldet werden.
Er nutzte die Gelegenheit auch, „seine Empörung über den Mannheimer Morgen und das Verhalten des neuen Lokalchefs, Dirk Lübke, zum Ausdruck zu bringen“. Am 19. Juli hat die Zeitung dem Neonazi auf einer gesamten Seite ein Porträt gewidmet.
Der Artikel ist miserabel recherchiert, holt ausschließlich konservative Meinungen ein und ignoriert vollkommen die breite Masse, die ein Zusammenleben mit Zuwanderung befürwortet und sich aktiv gegen Nazis einsetzt.
Es sei unter keinen Umständen zu rechtfertigen, einem Neonazi so viel Raum für seine menschenverachtenden Botschaften zu geben. Die angeblichen Probleme würden sehr einseitig dargestellt und die unterschwellige Botschaft des Berichtes laute:
Die Asylanten und Zuwander müssen weg – und nicht wie normale Menschen behandelt werden.
In der Berichterstattung des Mannheimer Morgens von heute über die Kundgebung findet sich natürlich kein Wort – geschweige denn eine Stellungnahme – zu der geäußerten Kritik von Herrn Trüper. Beim Publikum vor Ort kam die Kritik allerdings sehr gut an: Offensichtlich sprach er vielen mit diesen Worten aus der Seele. Viele machten lautstark klar: Auch bei ihnen löste die „Berichterstattung“ Empörung aus.
Einen freute der Artikel jedenfalls – und zwar Christian Hehl. Der kommentierte auf seiner Facebook-Seite:
Heute stehen wieder die wirklich wichtigen Dinge im Vordergrund und somit in der Zeitung! Deshalb muss ich mich beim Mannheimer Morgen bedanken, der mir heute eine ganze Seite gewidmet hat, mit schöner Zeichnung. Eine bessere Werbung gibt es nicht.
Gegen Ende seiner Rede erklärte Herr Trüper, dass die NPD mit ihren 1,1 Prozent ja „fast eine zu vernachkässigende Größe“ wäre – wenn sich der Rassismus nicht bereits „bis in die Mitte der Gesellschaft“ ausgebreitet hätte:
Ich sehe auch die AfD als möglichen Gefahren Herd für populistische Mobilisierungen. Von dieser Partei geht vielleicht eine viel größere Bedrohung aus. Allerdings wird sich das erst noch zeigen. Ich werde die Stadträte der AfD in verschiedene Gremien wählen, so wie es ihnen nach dem Anteil ihrer Wählerstimmen zusteht und ich fordere meine Kollegen auf, es mir gleich zu tun – denn das ist Demokratie.
Zum Abschluss der Kundgebung wies der Moderator, Mathias Kohler von „Mannheim gegen Rechts“ darauf hin, dass Christian Hehl und andere Neonazis ihre Gleichgesinnten dazu aufgerufen haben, zur heutigen Gemeinderatsitzung um 16 Uhr zu erscheinen. Herr Kohler forderte dazu auf, dem „etwas entgegenzusetzen“.
Anm.d.Red.: Wir distanzieren uns deutlichst von den rechtspopulistischen Inhalten, auf die hier verlinkt wurde. Die Verlinkungen dienen der Transparenz, dass sich Leser selbst eine Meinung von den Sachverhalten bilden können und die erwähnten Inhalte nicht selbst suchen müssen.

Stadtrat Thomas Trüper (Die Linke) bekam viel Applaus für seine Empörung über den Mannheimer Morgen, der dem Neonazi Christian Hehl eine ganze Seite widmete.

Auch Dirk Grunert (Grüne) fand deutliche Worte: Keine Zusammenarbeit mit Nazis.

Regina Trösch (CDU) ist schockiert über die Wähler der rechtsextremen NPD.

SPD-Fraktionschef Ralf Eisenhauer vertritt ebenfalls die Null-Toleranz-Linie.

Souverän: Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz wendet sich nicht gegen Menschen, dafür aber gegen menschenfeindliche Ideologien.

Mathias Kohler (SPD) vom Bündnis gegen Rechts.