Rhein-Neckar/Mannheim, 17. Juni 2020. (red/pro) Nur zwei Tage nach der Nachricht, dass der überaus beliebte Gitarrist, Sänger, Komponist und Produzent Stephan Ullmann im Alter von nur 52 Jahren unerwartet verstorben ist, gibt es eine Spendenaktion. Zwei der Zeichner sind Armin Rühl und Alfred Kritzer, bekannt als langjährige Mitglieder der Band von Herbert Grönemeyer. Der dritte im Bunde ist Till Kaestner, ein Internet-Unternehmer. Sie wollen Geld einsammeln, um „Sein Werk zu bewahren und an seine Kinder weiterzugeben. Das sind vor allem die Rechte an seinen Songs.“ Was das bedeuten soll, ist völlig unklar. Klar dürfte sein, dass diese Rechte von wem auch immer angegriffen werden.
Bitte beachten Sie unsere Folgeberichterstattung: „Wem gehört „Wenn die Blätter fallen im Regen“?„
Von Hardy Prothmann
Die Nachricht von Stephan Ullmanns Tod hat Kollegen und vor allem seine vielen Fans absolut erschüttert. Es gibt kaum einen Künstler in der Region, der so beliebt war wie Stephan Ullmann.
Seine Energie, seine Lebensfreude und vor allem seine Bodenständigkeit waren genauso wichtig für diese hohen Sympathiewerte wie sein musikalisches Können und seine Freude an Projekten.
In einem Facebook-Post bieten die langjährigen Mitglieder der Grönemeyer-Band, Armin Rühl und Alfred Kritzer sowie der Internet-Unternehmer Till Kaestner um Spenden, um „Sein Werk zu bewahren und an seine Kinder weiterzugeben. Das sind vor allem die Rechte an seinen Songs.“
Warum die Kinder als Erben nicht selbstverständlich die Rechte an den Songs haben sollten, wird nicht erklärt. Die vermutlich einzige Erklärung ist, dass es eine oder mehrere Personen gibt, die diese Rechte streitig machen. (Anm. d. Red.: Dem RNB liegen Hinweise vor, wer das sein könnte.)
Weiter wird mitgeteilt, dass der Familie die Mittel fehlen, diesen Rechtsanspruch durchzusetzen: „Dies ist allerdings nur mit einem finanziellen Aufwand möglich, den die Familie alleine nicht stemmen kann.“ Das bedeutet vermutlich übersetzt, dass es kein wesentliches Vermögen als Erbe gibt, aus dem teure Rechtsstreitigkeiten bezahlt werden könnten.
Was die Gründe dafür sind, wird nicht genannt. Stephan Ullmann war ein umtriebiger Künstler, aber möglicherweise kein guter Geschäftsmann, was ihn nicht unsympathischer macht, sondern einen Konflikt darstellt, den viele Künstler haben.
Erstaunlich ist, dass Stephan Ullmanns Schwester zunächst per Facebook-Post dessen Tod am vergangenen Sonntag bekannt gegeben hatte – offenbar ohne jede professionelle Beratung.
Und nur zwei Tage später folgt der Spendenaufruf – obwohl Stephan Ullmann vermutlich noch nicht einmal beerdigt worden ist.
Durch zwei Profimusiker und einen Internet-Marketing-Unternehmer mit dem Hinweis, dies sei „mit der Familie abgestimmt“. Gezeichnet wird aber nicht durch die Familie oder die gesetzlichen Erben, sondern nur durch diese drei Personen.
Am Ende des Posts heißt es: „Bitte respektiert, dass die Familie Ruhe braucht für diesen schweren Weg.“ Die Familie braucht Ruhe und drei Personen sammeln Geld ein, das mutmaßlich für Rechtsstreitigkeiten gebraucht wird? Wie geht das zusammen? Die Rechte liegen, sofern diese niemand streitig macht, unzweifelhaft bei Stephan Ullmann und nach seinem Tod bei seinen Erben.
Eine Information, weshalb die Familie Geldspenden benötigt, gibt es nicht, sondern nur den lapidaren Hinweis: „In Abstimmung mit der Familie möchten wir Euch aus dem engsten Freundeskreis helfen, die Situation rund um den plötzlichen Tod von Stephan Ullmann besser zu verstehen.“
Gleichzeitig „informiert“ der Poster Till Kaestner über die Todesumstände von Stephan Ullmann und bestätigt die in der Szene und bei den Fans befürchtete Erwartung, dass es sich um einen Suizid gehandelt hat: „In einer Zeit, die bereits herausfordernd für Stephan war, hat Corona ihm das alles genommen. Wenn so einem besonderen Menschen die Energie und die Perspektiven ausgehen, kann auch der Lebenswille erlöschen. Stephan hat für sich entschieden, unsere Welt zu verlassen.“
Verantwortungsloser kann man eigentlich nicht agieren – Stephan Ullmann war ein „Hero“, einer, den man nicht nur mochte und liebte, sondern schätzte und bewunderte. Wenn so jemand den „Lebenswillen“ verliert – was ist mit allen, die nicht so weit gekommen sind wie er? Sollen die alle „unsere Welt verlassen“?
Diese Kommunikation ist vollständig unverständlich und hochgradig gefährlich für alle Künstler, denen es in Corona-Krise-Zeiten ebenfalls nicht gut oder sogar sehr viel schlechter geht.
Es geht so kryptisch weiter: „Daher ruft der engste Freundeskreis euch nun auf, gemeinsam mit uns die Mittel aufzubringen und einen Beitrag zu leisten auf diesem letzten Weg von und für Stephan. (…) Mit Eurer Unterstützung möchten wir der Familie Ullmann ermöglichen, Stephans Schaffen für uns alle weiterleben zu lassen. Da wo es hingehört.“
Was soll das heißen? „Auf dem letzten Weg“ oder „Da, wo es hingehört“?
Sie als Leserin und Leser verstehen meine Kritik bitte nicht falsch.
Ich kannte Stephan Ullmann seit gut 38 Jahren und ich biedere diese lange Zeit nicht an.
Wir waren keine Kumpels oder enge Freunde, aber jeder Kontakt in dieser Zeit (oft mit jahrelangen Zwischenräumen) war immer herzlich, direkt und ehrlich interessiert.
Als ich vor drei Jahren über fünf Stunden das längste Gespräch „ever face to face“ mit ihm geführt habe, habe ich einen tiefen Einblick in sein Leben und sein Denken erhalten und war mit großem Respekt erfüllt, weil er oft gelacht hat und vor Energie sprühte, aber oft auch sehr leise war, nachdenklich, melancholisch. Gerade das hat mich für ihn sehr eingenommen – kein Star, kein „Pumper“, sondern ein sehr nachdenklicher Mensch.
Dabei hatte ich den Eindruck gewonnen, dass dieser Stephan Ullmann grundehrlich ist – so ehrlich, wie Menschen halt sein können und trotzdem Fehler machen können.
Wenn es nun einen Rechtsstreit um die Rechte an seinen Songs gibt – und das ist mehr oder weniger offensichtlich – dann muss das transparent geschehen.
Da müssen „Ross und Reiter“ genannt werden, wer welche Rechte beansprucht und welche Argumente es dafür gibt und welche statthaft sind und welche nicht.
Fakt ist: „Alles anders“, seine erste CD, die 2017 herauskam, wurde seit einiger Zeit nicht mehr verkauft.
Ende Januar 2020 habe ich mit Stephan telefoniert und habe nachgefragt, was denn da los ist und ob es zutrifft, dass xy ihn verklagen wolle oder verklagt habe. Er meinte, dass sei eine sehr persönliche Sache, die ihn schwer belaste und über die er nicht am Telefon reden wolle, das sei alles so negativ, damit wolle er sich nicht belasten, eigentlich gar nicht reden wolle, aber wir sollten uns dazu mal auf einen Kaffee treffen.
Dazu ist es nicht mehr gekommen. Mit persönlich – und das entscheidet einen Blog „klassisch“ von angeblich objektiven Medien, geht der Tod von Stephan Ullmann nicht nur persönlich nach, sondern auch beruflich, was ich hiermit eingestehe. Ich hatte ein ungutes Gefühl, habe ihn einige Tage vor seinem Tod versucht, telefonisch zu erreichen, um mal beim Kaffee miteinander zu reden, habe mich gewundert, dass er nicht, wie sonst üblich, schnell zurückgerufen hatte und dann kam die Nachricht, dass er tot ist. Hätte ich was tun können? Nein.
Was ich mich frage, ist, wer etwas tun hätte können, um diesen Tod abzuwehren? Darauf habe ich keine Antwort und weiß auch nicht, ob ich jemals eine finde. Vielleicht niemand, vielleicht jemand.
Auch das mache ich transparent – ich habe mich schriftlich an die Schwester gewandt, deren Namen ich nicht nenne (andere Journalisten hatten damit keine Probleme) und habe ihr unentgeltlich „mediale“ Hilfe angeboten. Warum? Weil ich den Stephan nicht nur über die lange Zeit des Kennens, als Teil des Publikums, sondern eben auch als „Profi“ sehr lieb gewonnen habe und als „Profi“ weiß, wie schwer Angehörige an solchen „Schicksalsschlägen“ leiden müssen – das ist auch eine explizite Kritik an Stephan. Es ist völlig unklar, ob er sich bewusst war, welches Leid er durch seine einsame Entscheidung ausgelöst hat. Sie muss einsam gewesen sein, sonst hätte sie niemanden „überrascht“.
Klarheit wieder herzustellen, ist damit das Gebot der Stunde.
Der Spendenaufruf, dem viele Menschen folgen, stellt überhaupt keine Klarheit dar, sondern thematisiert einen Konflikt, den es offensichtlich gibt und über den keinerlei Informationen bekannt sind. Wenn am Ende herauskäme, dass die Konfliktpartei, wer auch immer das ist, Recht bekäme, wäre das Andenken von Stephan Ullmann massiv beschädigt wie auch die Herzensgüte aller, die gespendet haben.
So macht man das nicht, auch, wenn die Familie das Recht hat, ihre „ererbten“ Rechte zu prüfen
Ich hoffe vor allem für Stephan, dass das nicht in einem Desaster endet. Dass er nicht Inhaber seiner Rechte ist, kann und mag ich mir nicht vorstellen. Aber als Profi checke ich Fakten und muss „Emotionalitäten“, so schwer das ist, immer unabhängig aushalten.
Der Spendenaufruf hat ein Fass aufgemacht, dass gefüllt werden muss. Die entscheidende Frage lautet: Wer hat Zweifel daran, dass das „Lebenswerk von Stephan Ullmann“ nicht ihm und nach seinem Ableben seinen Erben gehört?
Wer?
Und welche Beweise führt „Wer“ an, statt es gut sein zu lassen, denn ganz sicher hat Stephan Ullmann keine Millionen gescheffelt, sonst wäre seine Familie nicht auf Spenden angewiesen, um seine Rechte und übertragen auf sie, deren Rechte zu verteidigen.
Dabei geht es übrigens nicht nur um Geld – sondern auch um das Recht der Aufführung. In meinem Porträt zu seinem Album „Alles anders“ habe ich verschiedene Videos auf Youtube verlinkt – diese Videos sind allesamt gelöscht.
Dieser „Wer“ hat also mutmaßlich dafür gesorgt – was durchaus „rechtens“ sein kann – dass die Auftritte von Stephan Ullmann nie mehr zu sehen sein werden.
Wer ist dieser oder diese wer? Oder wie viele sind es?
Ich habe oben schon geschrieben – verstehen Sie mich nicht falsch.
Ich bin selbst Urheber und werde meine Rechte immer verteidigen. Mal hart, wenn es jemand hart braucht, meist vernünftig, weil es immer einen Weg gibt, sich zu einigen, wenn man daran Interesse hat. Ich habe alle Streitigkeiten zu meinen Urheberrechten hart oder vernünftig regeln können.
Ich kann für mich selbst nur sagen, dass ich Urheberrechte anderer immer respektiere und noch niemals in meinem Leben einen anderen Urheber vorsätzlich beklaut habe. Mein „Lebenswerk“ gehört mir und daran gibt es keinen Zweifel.
Im Show- und Musikgeschäft sieht man oft nur den „Glamour“ – hinter den Kulissen geht es aber ab ohne Ende. Neid, Missgunst, Hass bis aufs Blut und Gier sind da keine Seltenheit. Alles das kann ich mir bei Stephan nicht vorstellen, sehr wohl aber bei anderen.
Ist Stephan daran zerbrochen? Das weiß ich nicht, aber ich kann mir das gut vorstellen. Hat er Fehler gemacht? Das kann sein, das kann ich mir bei jedem Menschen vorstellen. Wollte er sich widerrechtlich bereichern? Das kann ich mir bei Stephan vom Gefühl her nicht vorstellen, aber ich kann es ohne eindeutige Informationen auch nicht ausschließen.
Fakt ist, dass der aktuelle Facebook-Post von Till Kaestner, der von Armin Rühl und Alfred Kritzer laut Posting mitgezeichnet wurde, ein Fass aufgemacht hat, dass das Andenken an Stephan Ullmann nicht in Frieden ruhen lassen wird.
Was ist das Problem mit seinem „Lebenswerk“? Warum sollte sein „Schaffen nicht weiterleben können“? Wo „gehört es hin“? Seit wann gibt es das „Problem“? Wie ist Stephan damit bis zu seinem Tod umgegangen?
Das sind Fragen, die auf der Hand liegen – durch dieses kryptische Posting. Irgendeine Antwort auf eine der Fragen gibt es bislang nicht.
Für diese Art und Weise des Ablaufs habe ich als „Profi“ keinerlei Verständnis. So macht man das nicht.
Man lässt der Familie Ruhe, statt Unruhe zu erzeugen. Man bringt den Verstorbenen in allen Ehren unter die Erde, ermöglicht es der Familie und allen, denen sie gestattet teilzunehmen, in Trauer, aber auch im Frieden Abschied zu nehmen, statt zwei Tage nach der Todesmeldung bereits Spenden einzusammeln und Konflikte zu raunen.
Unklar ist auch, ob die Familie wirklich von diesen drei Personen „vertreten“ werden will und diese wirklich im Namen der Familie handeln.
Meine letzte persönliche Anmerkung an alle da draußen – ob allseits bekannt, mittel bekannt, wenig bekannt oder gar nicht bekannt: Facebook wäre für mich nach meinem Ableben nicht der Ort, wo sich Menschen über mich „austauschen“ sollten. Ich wünschte mir, dass die Menschen persönlich über mich reden, zur Not am Telefon oder per email, per Brief. Aber nicht öffentlich über Facebook – das ist würdelos.
Vielleicht – und das ist jetzt nur ein instiktives Gefühl, aber auch ein abwägender Gedanke, hat Stephan das auch „den Rest geben“.
Einer, der die Bühne und hier den Kontakt zum Publikum nicht nur liebte, sondern wie kaum ein anderer quasi hautnah suchte, musste zuletzt auf leerer Bühne mit Abstand ohne Publikum Geisterkonzerte geben. Daran kann, wenn das Herz für das Publikum schlägt, dieses auch schnell und abrupt stehenbleiben.
Denkt mal drüber nach, bevor Ihr mich zerreißt.
Wenn Sie Zweifel haben, ob das Leben noch lebenswert ist und darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie unbedingt, mit jemandem darüber zu sprechen – egal, ob Familie, Freunde oder Menschen, die sich auf diese Themen spezialisiert haben.
Schnelle Hilfe bieten: Telefonseelsorge (0800 111 0 111), Nummer gegen Kummer (116 111), im Notfall Polizei (110) oder Rettungsdienst (112) anrufen!
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