Mannheim/Karlsruhe/Eppelheim, 14. August 2017. (red/pro) Nachdem dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) die Anträge der Streitparteien vorliegen, wird der 1. Senat in Kürze über den Antrag auf Zulassung einer Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe entscheiden. Das Verfahren könnte mit der Entscheidung zu Ende sein oder fortgehen. Klar ist: Der VGH entscheidet in einer wichtigen Angelegenheit und wird voraussichtlich eine Grundsatzentscheidung fällen.
Zunächst wird der 1. Senat des VGH prüfen, ob die Zulassung der Berufung bestätigt oder abgelehnt wird. Dies erfolgt ohne mündliche Verhandlung. Wird die Berufung abgelehnt, ist kein Rechtsmittel auf dem Verwaltungsklageweg mehr möglich. Dann käme nur noch eine Verfassungsbeschwerde in Betracht.
Sollte der 1. Senat, der für verschiedene Bereiche wie Polizeirecht, Kommunalrecht oder eben Wahlrecht zuständig ist, eine Berufung zulassen, wird es zu einer mündlichen Verhandlung kommen. Gegen ein dann gesprochenes Urteil bliebe der unterlegenen Seite noch der Gang vors Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Klagen gegen Wahlen sind an sich nichts Besonderes. Das kommt immer wieder vor,
sagt VGH-Sprecher Matthias Hettich. Er gehe davon aus, dass die Entscheidung zügig erfolge. Übersetzt: Vermutlich noch im August, spätestens Anfang September.
Hintergrund der Klage
Hintergrund der Klage ist die Auffassung eines Eppelheimer Bürgers, dass Wahlplakate der Wahlgewinnerin Patricia Popp im vergangenen Jahr, die nach einer Heirat nun Patricia Rebmann heißt, zu nahe an Wahllokalen angebracht waren und damit eine mögliche Wahlbeeinflussung habe stattfinden können.
Eigentlich hätte Frau Rebmann zum 1. Januar 2017 das Amt übernehmen sollen, tatsächlich ist aber Dieter Mörlein im Amt geblieben. Dieser bezieht sich auf die Gemeindeordnung und hat angekündigt, das Amt solange zu verwalten, bis der Rechtsstreit beendet ist.
Wir hatten mehrfach in der Sache teils exklusiv berichtet und unsere Einschätzung aus dem Frühjahr bestätigt sich nun: Wir hatten vermutet, dass ein Wechsel an der Verwaltungsspitze frühestens in diesem Herbst erfolgen wird.
Warum dauern Verfahren „so lange“?
Die lange Verfahrensdauer erklärt sich aus Fristen und deren Ausnutzung. Vereinfacht erklärt: Wird eine Klage eingereicht, dann muss eine Begründung erfolgen. Auf die Begründung können die involvierten Parteien wiederum mit Frist antworten, eventuell gibt es weitere Schriftsätze. Dann muss ein Verhandlungstermin gefunden werden. Ist jemand krank, ergibt sich eine neue Sachlage könnten weitere Termine notwendig werden.
Nach einem Urteil gibt es wieder Fristen, in denen man Berufungsanträge einbringen kann. Erfolgt dies, ist ein Urteil nicht rechtskräftig, sondern schwebt, wie aktuell das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe. So kann das durch mehrere Instanzen gehen. Nutzt eine Seite die Frist zur Begründung, meist vier Wochen aus, kann es vorkommen, dass eine Nachfrist beantragt wird, häufig nochmals vier Wochen. Dann prüft das Gericht und die Gegenseite erhält die Begründung und wiederum eine Frist von vier Wochen zur Antwort. Allein durch diesen Verfahrensgang sind dann bereits drei Monate verstrichen.
Insbesondere im Fall der Bürgermeisterwahl Eppelheim hat es in Social Media-Beiträgen und auch in Medienberichten eine teils heftige Kritik am Kläger und auch an der Gerichtsbarkeit gegeben. Kommentatoren sollten dabei beachten, dass jeder Bürger das Recht hat, seine Rechte auch wahrzunehmen, die vor ordentlichen Gerichten verhandelt werden. Entscheidungen der Gerichtsbarkeit sind als solche zu respektieren und häufig können mindestens für eine weitere Instanz Rechtsmittel eingelegt werden. Auch die Kritik, dass das das Verfahren sehr lange dauert, ist in diesem Fall nicht zutreffend.
Heikel ist die Angelegenheit, weil der Kläger vorträgt, dass die Stadtverwaltung Eppelheim bei der Landtagswahl 2016 ein oder mehrere Plakate der AfD angeblich entfernen ließ. Diese seien ähnlich nah wie die Wahlplakate der Bewerberin Patricia Popp bei der Bürgermeisterwahl angebracht gewesen. Sollte der VGH dem folgen, ergibt sich die Frage, wieso in einem Fall so gehandelt wurde und im anderen nicht. Ganz grundsätzlich interessiert aber die Frage, welche Mindestabstände wie gemessen einzuhalten sind.
Grundsatzcharakter
Der Fall Bürgermeisterwahl Eppelheim ist von besonderer Bedeutung, weil die Entfernungsregeln von Wahlplakate vor Wahllokalen bei kommunalen Wahlen noch nicht sehr eindeutig entschieden sind. Das begründete Urteil, egal ob als abgewiesener Berufungsantrag oder möglicherweise eine Entscheidung nach mündlicher Verhandlung, wir deshalb mit hoher Aufmerksamkeit rechnen können.
Insofern sollten Kritiker des Klägers einfach mal eine andere Perspektive wählen: Gerade durch die Klage werden möglicherweise künftige Streitigkeiten vermieden, weil ein größere Klarheit herrscht, was bei der Anbringung von Plakaten bei kommunalen Wahlen zu beachten ist. Denn die Klage wurde möglich, weil eben unklar ist, welche Abstände einzuhalten sind und der Fall nun einmal eingetreten ist. Rechtsfälle werden in Deutschland nicht nach Wünschen oder Gefühlen entschieden, sondern nach Gesetzen.
Im Anschluss an das Urteil ist möglicherweise der Gesetzgeber gefragt, die Gemeindeordnung anzupassen, um Entfernungsregeln klarer zu formulieren und künftige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.