Heidelberg/Rhein-Neckar, 14. Juli 2012. (red/la) Seit 2005 wird das Atomkraftwerk Obrigheim abgebaut. Doch auch das ist nicht ungefährlich: Radioaktiver Müll fährt über deutsche Flüsse, Brennelemente liegen in veralteten Zwischenlagern und die Betreiber versuchen die Kosten des Rückbaus auf den Steuerzahler abzuwälzen.
Rund 30 Kilometer liegen zwischen der Metropolregion Rhein-Neckar und dem Atomkraftwerk Obrigheim. Das ist seit 2005 abgeschaltet und wird abgebaut. Bis 2020 soll das dauern. Auf Fotos sah der Meiler schon immer wie eine Idylle aus. Hinter grünen Bäumen ragte die Kuppel empor. In den 60er waren solche Bilder Symbole des Fortschritts. Spätestens nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 waren sie ein Fanal. Nach Fukushima möchten fast alle die einstige „Fortschritts“- dann neu benannte „Brückentechnologie“ los werden.
Mit der Abschaltung ist die Atomruine Obrigheim aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hingegen bezeichnet das Kraftwerk als „das strahlende Erbe der Metropolregion“. Am Mittwoch informierten sie gemeinsam mit Anwalt Thomas Rahner und der Bürgerinitiative „Atomerbe Obrigheim“ über den Stand des Rückbaus.
Auch der Rückbau ist gefährlich
Auch wenn die Meiler keinen Strom mehr erzeugen: Sie strahlen nach wie vor. Es gibt Tonnen von radioaktivem Müll, dessen sichere Endlagerung ungeklärt ist. Dazu gehören vor allem die 300 Brennelemente. Diese liegen momentan in einem Nasslager direkt am stillgelegten Reaktor. Seit 2005 wird um dieses Lager herum der Meiler abgebaut. „Das birgt hohes Gefahrenpotenzial“, sagt Rechtsanwalt Thomas Rahner. Die Arbeiten können Systeme beschädigen, die für die Sicherheit des Zwischenlagers sorgen. Doch so genau weiß das keiner. Auch daher Rahner klagt unterstützt von Anti-Atomkraftinitiativen wie „Atomerbe Obrigheim“ für mehr Bürgerbeteiligung beim Rückbau.
Die Vorwürfe der Atomkraftgegner an die Betreiber und auch die Landesregierung Baden-Württemberg wiegen schwer. „Betreiberfirmen wollen da billig rauskommen und die Kosten sozialisieren“, sagt Matthias Weyland vom BUND Rhein-Neckar-Odenwald. Die Bürgerbeteiligung soll Öffentlichkeit herstellen und breit über den Zustand der Rückbauarbeiten und das geplante Vorgehen informieren. Eigentlich gibt es diese Bürgerbeteiligung bereits. Allerdings nur bei der ersten Stufe des Rückbaus. Für alle weiteren Stufen müsste das nicht mehr sein, argumentierte das Land.
Erster Erfolg: die „freiwillige Bürgerbeteiligung“
Doch der Druck führte bereits zu einem ersten Erfolg. Nun gibt es eine „freiwillige Bürgerbeteiligung“. Doch Freiwilligkeit reicht den Gegnern nicht. Sie wollen, dass die Bürgerbeteiligung bei jeder Stufe verpflichten wird. „Mit dem Abschalten ist nichts vorbei“, sagt Ingrid Behner, Sprecherin von „Atomerbe Obrigheim“. Dass nach dem Abschalten plötzlich „grüne Wiesen entstehen“ sei reine Propaganda.
Das zeige zum Beispiel das 1998 gebaute Zwischenlager in Obrigheim. Obwohl hier seit Jahren stark strahlende Brennelemente lagern, wurde es nie einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Ob es den aktuellen Sicherheitsstandards entspricht, ist unklar. Die Atomkraftgegner bezweifeln das. „Das Gebäude bliebe schon bei Absturz eines Kleinflugzeugs nicht stabil“, sagt Behnert. Ob es einem Erdbeben standhalten könne, wisse niemand. Die Brennelemente sollen das Zwischenlager verlassen. Das verstrahlte Lager selbst muss dann seinerseits entsorgt werden. Das Umweltministerium will aber keine Prognose abgeben, wann das sein soll.
Verstrahlte Mülltransporte fahren auf dem Rhein
Derzeit wird verstrahlter Müll aus Obrigheim per Schiff quer durch Deutschland nach Lubmin an der Ostsee verfrachtet. In Lubmin werden die Komponenten getrennt und dekontaminiert. Die verstrahlten Teile jedoch müssen wieder nach Obrigheim zurückgebracht werden. Ein Zwischenlager im Lubmin sei zwar da, wird aber noch nicht genehmigt. All das passiere kaum bemerkt von der Öffentlichkeit. „Die Schiffe trugen nur Spezialkennzeichnungen. Keine örtliche Behörde auf der Strecke wusste Bescheid, was da transportiert wurde“, sagte Behner. Einer Kollision mit einem anderen Schiff auf dem Rhein wäre für die Einsatzkräfte vor Ort gefährlich geworden. Sie wären in Kontakt mit radioaktiv verstrahlten Objekten gekommen. Von der Wasserverseuchung ganz zu schweigen.
BUND, Initiativen und Anwohner fordern weiterhin die größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen vor einer möglichen radioaktiven Verseuchung. Am 24. Juli findet um 18 Uhr im Informationszentrum des Atomkraftwerks Obrigheim die freiwillige Informationsveranstaltung zum Rückbau statt. Fragen und Bedenken zum Abbau den Atomkraftwerks und der Dritten Abbaugenehmigung können Interessierte per E-Mail stellen. Die Fragen werden bei der Informationsveranstaltung beantwortet. Zudem wird über den aktuellen Stand des Rückbaus informiert.
Die Informationen zur Informationsveranstaltung gibt es unter www.enbw.com/kwo-info eingestellt. Auch hier besteht die Möglichkeit Fragen per E-Mail zu stellen.