
10-15.000 Menschen demonstrierten in Biblis gegen die Atomkraft.
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Rhein-Neckar, 26. April 2011 (red) An zwölf Standorten von Atomanlagen in Deutschland hatten zahlreiche lokale Aktionsbündnisse am Ostermontag anlässlich des Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Protestkundgebungen aufgerufen. Heute vor 25 Jahren kam es in der Ukraine zum Super-Gau. Mobilisiert durch die jüngsten Ereignisse in Fukushima folgten weit mehr Demonstranten dem Aufruf als ursprünglich erwartet. In dem kleinen hessischen Ort Biblis herrschte der „Ausnahmezustand“.
Von Christiane Eisele
Am Ostermontag platzte der 9000-Seelen Ort Biblis aus allen Nähten. Aus dem gesamten Rhein-Neckar-Raum reisten tausende Teilnehmer zum „Sternmarsch nach Biblis“- zu dem das lokale Aktionsbündnis „AKWende“ aufgerufen hatte.
Drei Sammelpunkte rund um Biblis hatten die Veranstalter eingerichtet. Aus Nord (Riedsee), Süd (Pfaffenau) und West (Darmstädter Straße, in Sichtweite des AKWs) sollten die Teilnehmer zum Sternmarsch nach Biblis aufbrechen.
Als allerdings klar wurde, dass aufgrund der aktuellen Ereignisse in Fukushima weit mehr als die zu Beginn der Planungen erwarteten 2-3000 Menschen anreisen würden, wurde das Programm kurzerhand geändert. Am Sammelpunkt Süd wurden ebenfalls eine Bühne und die obligatorischen Versorgungsstände und Toilettenhäuschen aufgebaut und der Marsch aus dieser Richtung entfiel.
Die meisten der dort mit dem Bus oder Auto angereisten Menschen wollten es sich allerdings nicht nehmen lassen mitzumarschieren und begaben sich zu Fuß an einen der anderen beiden Sammelpunkte. Ebenso die Menschen, die mit dem Zug oder mit Fahrrädern angereist waren.
Überall wehten Fahnen, zeigten die Teilnehmer selbstgebastelte Schilder und Kostüme, lärmten mit Rasseln, Pfeifen und Trommeln.
Gegen 12 Uhr mittags setzten sich die beiden langen Demonstrationszüge lautstark in Bewegung. Während der Zug aus Nord in die Innenstadt zur Hauptbühne an der Kirche führte, endete der Zug aus West am „Gräberfeld“, eine große freie Wiese mit einer Bühne.
Dort wurden selbstgebaute Kreuze zum Gedenken an die Toten der Reaktorunfälle in die Wiese geschlagen, auf diese Weise entstand nach und nach ein eindrucksvolles Gräberfeld.
Auf der Bühne wurde zu jeder vollen Stunde eine Andacht gelesen und einer der Tschernobyl „Liquidatoren“ berichtete von seinen Erfahrungen am explodierten Reaktor.
Laut wikipedia wurden über 400.000 Menschen umgesiedelt, rund 50.000 Menschen sollen bis 2065 direkte und „indirekte“ Todesopfer der Katastrophe sein. Die Zahl der Erkrankungen und Behinderungen durch den Super-Gau insgesamt ist unbekannt.
Wikipedia dokumentiert Biblis folgendermaßen:
„Das Kraftwerk ist für die wirtschaftliche Situation des Ortes (Biblis) von zentraler Bedeutung. Das Medium Spiegel Online verwendete den Ort im September 2010 als Beispiel für eine mit der Kernkraft verbundene wirtschaftliche Macht und die auf dieser begründete Abhängigkeit und Loyalität einer Region zur Atomenergie.“
In Biblis selbst leben vermutlich kaum noch Atomkraftgegner. Sie sind weggezogen – auch wegen des Drucks der von der Kernkraft abhängigen Bewohner und das sind die meisten. Einen „Grünen“-Ortsverband hat die Gemeinde nicht. Das Schicksal der Gemeinde ist ebenfalls unklar, wenn die Meiler bald abgeschaltet werden. Vermutlich bleiben noch einige Jahre für den „Rückbau“ – was dann aus Biblis wird, weiß niemand.
Mittels Lautsprecherdurchsagen bat die Polizei die Demonstranten, die sich am und um das Gräberfeld aufhielten, nicht durch die Unterführung unter dem Bahnhof zur Hauptbühne an der Kirche in die Innenstadt von Biblis zu gehen.
Dort sei es völlig überfüllt und es sei nicht zu verantworten, dass noch mehr Menschen in die verstopften Straßen strömten. Rund um die Kirche war kein Durchkommen mehr, dicht an dicht drängten sich die Menschen.
Erst gegen 16.00 Uhr entspannte sich die Lage langsam, viele Teilnehmer begaben sich wieder an ihre Sammelpunkte und machten sich mit Auto, Bus, Bahn und Fahrrad auf den Heimweg.
Die Polizei hatte etwa 10.000 Teilnehmer gezählt, die Veranstalter gaben 15.000 Teilnehmer an. Es gab keinerlei Vorkommnisse, Rainer Müller von der Polizei Südhessen sprach von überaus kooperativen, friedlichen Teilnehmern.
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