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Rhein-Neckar/Metropolregion, 22. März 2011. Unser Gastautor Thorsten Hausen beschreibt die Gefahr von Naturkatastrophen im gar nicht so weit entfernten Gebiet der Eifel. Was viele nicht wissen: Auch die Metropolregion ist eine „Erdbebenzone“.
Von Thorsten Hausen
Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche, all das sind für uns Horrorszenarien aus weit entfernten Ländern, oder aus Hollywood. Bei uns kann so was nicht passieren. Das erklären Regierung und AKW-Betreiber derzeit gebetsmühlenartig. In der jetzt neu aufgeworfenen Diskussion um die Atomkraft werden solche Szenarien immer noch als weit hergeholtes kalkulierbares Restrisiko eingestuft.
Auch wir sitzen auf einem Pulverfass
So einfach ist die Sache indes nicht. Renommierte Wissenschaftler warnen bereits seit Jahren davor, die Eifel als erkaltetes Vulkangebiet aus dem Fokus zu verlieren. Die Eifel gilt in wissenschaftlichen Kreisen nach wie vor als aktives vulkanisches Gebiet. Im Zeitraum zwischen 1997 bis 1999 führte man deshalb unter Leitung der Universität Göttingen das internationale „Eifel-Plume-Projekt“[1] durch.
Forscher errichteten damals in der Eifelregion das dichteste Erdbeben-Messnetz Europas. Neben 84 bereits vorhandenen festen Erdbebenwarten registrierten 158 mobile Messstationen in den 2 Jahren die seismischen Wellen, die den Untergrund durchzogen.
Dabei stellte man eindeutige Anomalien fest. Man fand einen „heißen Fleck“ mit einem Durchmesser von rund 100 Kilometern. Er reicht von 70 bis 80 Kilometern bis mindestens 400 Kilometer in die Tiefe. Diesen anomalen Bereich interpretieren die Wissenschaftler als aufsteigendes Mantelmaterial, das rund 150 Grad Celsius heißer als seine Umgebung ist. Vermutet wird in diesem -€˜heißen Fleck-€™ eine schlauchförmige Magmakammer, die vom Vulkanfeld in der Osteifel bei Koblenz in Richtung Trier verläuft und in der zwischen 1000 und 1400 Grad Celsius herrschen.[2]
Weit weg von der tektonischen Plattengrenze
Über viele Jahre ging man davon aus, dass Erbeben und Vulkanausbrüche sich vornehmlich an der Rändern der tektonischen Platten ereignen. Von solchen Rändern liegt unsere Region verhältnismäßig weit (etwa 1000 Kilometer) entfernt. Das unsere Region trotzdem am Rande eines gigantischen Vulkangebietes liegen erklärt sich aus einer geologischen Besonderheit, die auch für den amerikanischen Yellowstone Nationalpark zutrifft. Es handelt sich um einen sogenannten Hot-Spot-Vulkan. [3]
Dabei steigt eine Blase glutflüssigen Gesteins aus dem Erdmantel empor. Vulkanologen sprechen dann von „Plumes“ (nach dem französischen Wort für Feder). Das Magma steigt entweder direkt zur Erdoberfläche auf oder sammelt sich unter ständig wachsendem Druck in einer Kammer in der unteren Erdkruste. Vor 13 000 Jahren endete in der Eifel eine ganze Reihe von Ausbrüchen die ihren Anfang vor etwa 700 000 Jahren nahm. Nach geologischem Verständnis also etwa gestern. Bei dem letzten großen Knall entstand übrigens der Laacher See.
Es blubbert an vielen Stellen
Das es sich bei diesen Überlegungen nicht um Science Fiction handelt zeigt die Ausgasung von Kohlendioxid invielen Bereichen der Eifelregion. Das Gas steigt aus der tiefen Magmakammer empor und blubbert zusammen mit Schwefeldioxid auch aus dem Laacher See. Über 350 Eruptionsstellen sind in der Eifel bekannt.
Der Vulkanologe Ulrich Schreiber von der Universität Essen erklärte bereits 2009 ein solches Szenario in Fokus und Spiegel als realistisch: „Bevor ein neuerlicher Ausbruch beginnt, müssen sich Bruchzonen in der Erdkruste bilden, durch die das Magma aufsteigen kann. Sie öffnen sich durch Spannungen im Gestein, wie sie im Zug der Plattentektonik auftreten. Anhand der Erdbeben in der Eifel, der Nieder- und Mittelrheingegend wird deutlich, dass die Spannungen groß genug sind, um derartige Brüche hervorzurufen.“[4],[5]
Expect the unexpected oder die Frage nach dem verantwortbaren Restrisiko
Wie realistisch ein derartiges Szenario letztlich wirklich ist, spielt keine Rolle. Die Geschichte der letzten Jahre zeigte uns mit zahlreichen Ereignissen, dass einst undenkbare Szenarien schneller Realität werden können als uns lieb ist. Dieses Lehrstück elementarer Naturkräfte gipfelte vorläufig mit dem schweren Erdbeben in Japan, ein Ende ist nicht zu erwarten. Wir müssen lernen mit allem zu rechnen. Das bedeutet, das Eifel und der Rheingraben mit seinen AKW-€™s längst nicht so sicher sind, wie man hofft.
Ob das Vulkangebiet in der Eifel in 20 oder in 20 000 Jahren ausbricht spielt also keine Rolle. Vielmehr stellt sich heute die Frage, ob man derartige Szenarien in die Sicherheitsdiskussion mit einfließen lassen möchte, oder nicht. Vergessen sollten wir nicht, dass wir diesen Planeten Menschen hinterlassen die wir im Regelfall mehr lieben als unser eigenes Leben – unseren Kindern.
Also müssen wir uns aus meiner Sicht auch mit der Frage beschäftigen, ob wir insbesondere in der Frage der Energieversorgung unserer Verantwortung gerecht werden wollen, oder ob wir die Warnungen renommierter Wissenschaftler in den Wind schlagen und mit den paar blubbernden Blasen in der Eifel als unkalkulierbarem Restrisiko leben möchten, getreu dem Motto: Et hätt noch ever jut jejange – oder ob wir uns entscheiden und sagen: No Atomstrom in my Wohnhome!
Quellennachweis:
[1] Suche nach dem Eifelkplum http://www.spektrumverlag.de/artikel/824811
[2] Erste Ergebnisse http://vulkanismus.de/magma/_mantel10.htm
[3] Yellowstone Supervulkan http://de.wikipedia.org/wiki/Yellowstone_%28Vulkan%29
[4] Focus http://www.focus.de/wissen/wissenschaft -€¦ 45393.html
[5] Spiegel http://www.spiegel.de/wissenschaft/natu -€¦ 51,00.html
Lesen Sie zum Thema auch: In der Metropolregion steht die Atomgefahr im Vorgarten
Anmerkung der Redaktion:
Thorsten Hausen ist Mitarbeiter bei http://www.solinger-bote.de, einem Placeblog für Solingen und Umgebung. Der Solinger Bote ist wie das Rheinneckarblog Mitglied beim Journalisten-Netzwerk istlokal.de.