Mannheim/Rhein-Neckar, 13. Februar 2014. (red/jsc) Wie bringt man pfiffige Ideen zu schwierigen Problemen in den öffentlichen Raum? Indem man kreativ ist und mal was Neues probiert. Student/innen des Berufskollegs Grafik-Design der Akademie für Kommunikation in Mannheim haben 42 Plakate zum Thema Alkoholmissbrauch gestaltet – im Auftrag der Stadt und verschiedenen Unterstützern wie AOK, rnv, AWO und City-Events. Der Fachbereich Gesundheit der Stadt Mannheim hat am Mittwoch das Gewinner-Plakat vorgestellt. Statt Vollrausch ein Volltreffer.
Von Julia Schmitt
In der Faschingszeit feiern die Menschen frei und ausgelassen. Das ist gut so. Doch Alkohol bringt nicht nur Spaß – er ist auch gefährlich. Vor allem für junge Menschen. Dass sich diese an den „tollen Tagen“ eben nicht bis zum „Umfallen“ betrinken, darauf möchte der Fachbereich Gesundheit der Stadt Mannheim aufmerksam machen. Wie dies gelingen kann? Mit einer gewitzten und vor allem zielgruppennahen Plakatkampagne. Der zuständige Fachbereich Gesundheit der Stadt Mannheim beauftragte keine Werbeagentur, sondern fragte bei der Akademie für Kommunikation Baden-Württemberg an. Die dortige Abschlussklasse der Grafikdesigner machte sich begeistert ans Werk.
42 Plakate waren das Ergebnis dieser Aktion. Doch nur eines konnte gewinnen. Ein Eyecatcher sollte es sein und aufmerksamkeitsheischend, dabei aber nicht abstoßend sein. Und natürlich die Botschaft in den Vordergrund stellen.
„Das ist sozusagen die Quadratur des Kreises“, scherzt Bürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb. Dass dies wunderbar geklappt hat, zeigt sich an den Resultaten. Alle von den Schülern gestalteten Plakate sind originell und vor allem zielgruppengerecht. Es gibt verschwommene Cocktailgläser, die doppelt abgebildet sind, betrunkene Mädels, die doch erheblich an Attraktivität eingebüßt haben oder Entwürfe von Facebookseiten mit peinlich bis abstoßenden Fotos von Alkoholleichen.
Mit jedem Schluck aus der Flasche ein bisschen tiefer in die Knie
„Die Auswahl war nicht die Allerleichteste“, erklärte Frau Dr. Freundlieb. Larissa Scherer (20) machte das Rennen. Unter dem Titel „Mach Dich nicht zum Affen“ zeigt es einen Evolutionsablauf – rückwärts. Vom aufrechten Menschen, über viele Schlucke aus der Pulle zum „Affen“. (Die Affen dieser Welt werden die Diskriminierung entschuldigen…)
Kontrolliere deinen Alkoholkonsum.
Die Ansprache ist eindeutig. Das Design macht den Betrachter direkt auf das Problem aufmerksam. Man versteht es sofort. „Die Idee dahinter war, dass Menschen, die zu viel Alkohol trinken, ihre Motorik verlieren und sich zurückentwickeln. Da kam mir die Idee von der Evolution. Vom Menschen zum Affen zurück.“ Sie hatte gehofft, dass es der Stadt Mannheim gefällt. Das hat es.
Über 300 dieser Plakate werden in der Zeit vom 15. Februar bis zum 07. März in Straßenbahnen, Bussen und an Mannheimer Littfasssäulen prangen. Zudem sind sie zwischen dem 25. Februar und den 06. März in allen Stadtteilen Mannheims zu sehen, sagte Dr. Timo Kläser, Beauftragter der Suchtprophylaxe. Einen Erfolg wird man nur schwer messen können – der Weg erscheint plausibel.
Zbigniew Osterczyk ist Dozent für Grafik-Design an der Akademie und erzählt: „Das Projekt wurde spontan in den Unterricht eingebaut.“ Obwohl für die Abschlussklasse bald Prüfungen anstehen, haben sich die Schüler begeistert an die Arbeit gemacht. „Der Termin war knallhart. Das war eine gute realistische Übung für die Schüler“, sagt Osterczyk. Nach einem kurzen Briefing, ging es für die Schüler an die Arbeit. Zwei Wochen später war Abgabe. „Ich habe rund sechs Stunden daran gearbeitet“, sagt Larissa Scherer: „Am Anfang hatte ich gar keine Idee, dann kam sie mir und ich habe sie sofort umgesetzt. Es war ein Geistesblitz.“ Als Dankeschön bekommt die ganze Klasse jetzt einen Erlebnistag im Mannheimer Hochseilgarten und der Siegerin einen Kreativ-Ideengutschein. Die Schüler haben ihr Plakat nicht vergebens gestaltet. „Das fließt in die Abschlussnote mit ein“, erklärt der Dozent. Larissa Scherer kann sich ihrer Note 1 schon einmal sicher sein.
Sensibilisierung statt Verbote – denn Komasaufen ist ein zunehmendes Problem
Die Plakatkampagne findet im Rahmen des Präventionsprojektes „HalT – Hart am Limit“ statt. Das wurde 2007 gestartet und hat zum Ziel vor riskantem Alkoholkonsum zu warnen und Jugendlichen beratend zur Seite zu stehen. Bürgermeisterin Dr. Freundlieb geht es aber nicht um ein Verbot, sondern um Sensibilisierung, Beratung und Unterstützung: „In Mannheim hat sich dies extrem gut entwickelt.“ Dem stimmen auch die Kooperationspartner des Projektes zu. Einer der Kooperationspartner der Suchtprävention Mannheim ist die AOK Rhein-Neckar-Odenwald.
Stephanie Wirth, Leiterin der Gesundheitsförderung bei der AOK in Mannheim, beobachtet steigende Zahlen beim so genannten „Komatrinken“. Die AOK Baden-Württemberg erfasst alle Krankenhauseinweisungen von Jugendlichen mit der Hauptdiagnose akuter Rausch. Waren es im Jahr 2000 noch rund 9.500 alkoholbedingte Krankenhauseinweisungen von Jugendlichen zwischen zehn und und zwanzig Jahren in Baden-Württemberg, hatte sich die Zahl 2012 schon auf rund 26.700 erhöht. (Die Zahlen sind von 2012 und beziehen sich nur auf AOK-Versicherte).
Wegen einer lebensbedrohlichen Alkoholvergiftung wurden 2012 landesweit 1.200 Jugendliche (unter 20 Jahren) in ein Krankenhaus gebracht. In Mannheim wurden 157 Menschen im Jahr 2012 wegen einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus gebracht (106 Männer und 51 Frauen). Davon Betroffene zwischen 15 und 19 Jahren waren es 16, also zehn Prozent der Gesamtzahl. Im Landesdurchschnitt sind dies rund 16 Prozent nach Angaben der AOK:
Das zeigt, dass Präventionsarbeit in Mannheim Früchte trägt,
sagt Stephanie Wirth. Ziel sei die Jugendlichen zu sensibilisieren und auf den Alkoholmissbrauch hinzuweisen, erklärt sie weiter: „Wir können und wollen es niemandem verbieten an Fasching zu trinken. Aber wir appellieren daran dies vernünftig zu tun.“
Steigender Alkoholpegel führt nicht zu Umsatz, sondern zu Ärger
Die Idee, dass man sich an Fasching nicht zum Affen machen soll, findet auch Unterstützung von den Festveranstaltern. Thomas Sprengel von City-Events Mannheim ist durch seine Arbeit von eventuellen Alkoholmissbrauch direkt betroffen. „Ich bin sehr froh, dass man hier vor einigen Jahren einen Weg gefunden hat, damit umzugehen.“ Er erzählt, dass seit ehrenamtlich Engagierte von HalT beispielsweise beim Stadtfest unterwegs sind, die Polizei „ein entspanntes Wochenende“ hat. Auch für die Brauereien und Standbetreiber ist der reine Umsatz an Alkohol nicht alles, versichert der Veranstalter:
Die Initiative wird sehr gut anerkannt und darauf sind wir in Mannheim auch stolz. So ist die Veranstaltung wieder familienorientiert. Wenn der Alkoholpegel steigt, hat man auch keinen Umsatz mehr, sondern Ärger.
Die rnv-Mitarbeiter werden das Plakat wohl am häufigsten sehen… und sie wissen, um was es geht: „Für uns ist das an jedem Wochenende Thema“, sagt Bereichsleiter Franz-Wilhelm Coppius. Ihm gefällt das Motiv und die Aktion: „Das Plakat ist klasse.“ Er hofft jedoch auf weitere Ideen, da Alkoholmissbrauch von Jugendlichen nicht nur die Faschingszeit betrifft. Für Larissa Scherer ist das glücklicherweise nicht der Fall. Die 20-Jährige hat ein gesundes Verhältnis zum Alkoholkonsum: „Ich trinke nicht so viel Alkohol. Weil es mir keinen Spaß macht betrunken zu sein.“