Mannheim, 12. März 2019. (red/pro) Die Lokalzeitung Mannheimer Morgen hat ein “objektiv falsches Zitat” eines namentlich nicht genannten Aufsichtsrats der MWSP veröffentlicht und bislang nicht korrigiert. RNB hat die Aufsichtsräte dazu angeschrieben – fünf haben geantwortet, einer nicht. Durch das falsche Zitat sind alle Aufsichtsräte potentiell in Verruf geraten, die Quelle für das falsche Zitat zu sein – es sei denn, Chefredakteur Dirk Lübke hat es einfach erfunden.
Von Hardy Prothmann
Am 06. März 2019 berichtete der Mannheimer Morgen im Artikel “Turley – und die biegsamen Worte” wie folgt:
„Über den aktuell bekannten Stand der Veränderung auf der Eigentümerseite wurde zuletzt im Aufsichtsrat der MWSP am 10. Dezember berichtet.“ So lautet die Antwort eines Stadtsprechers auf eine Anfrage dieser Zeitung vom Montag dieser Woche. Die Aussage entspricht jedoch so gar nicht dem, was aus dem Aufsichtsrat kommt. „Nein, da wurde gar nichts besprochen, und wir wurden auch nicht informiert; auch nicht in Sitzungen vorher“, heißt es aus Kreisen des Gremiums, das über das Tun der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft (MWSP) zu wachen hat.
Mittlerweile ist klar: Das waren Fake News. Die MWSP teilte am Montag mit, dass über das Thema in der Aufsichtsratssitzung vom 10. Dezember 2018 insgesamt 32 Minuten lang über alle wesentlichen Punkte gesprochen worden war: Den Verkauf der Bauflächen IV und V auf Turley sowie über Gerüchte über die Höhe des Kaufpreises. Zum anonymen Zitat schreibt die MWSP: “Objektiv falsch.”
Der Aufsichtsrat besteht aus Vertretern der Fraktionen, für die SPD Prof. Dr. Heidrun Kämper, Reinhold Götz, für die CDU Claudius Kranz, Konrad Schlichter, für die Grünen Raimund Fojkar und für die Mannheimer Liste/Freie Wähler Roland Weiß sowie natürlich dem Vorsitzenden Dr. Peter Kurz (SPD). Wir haben folgende Fragen an die Mitglieder gerichtet:
- Haben Sie als Aufsichtsrat der MWSP über Inhalte der Aufsichtsratssitzungen mit Medienvertretern gesprochen?
- Welche Informationen haben Sie bezüglich des Verkaufs der Baufelder IV und V an Investoren mitgeteilt?
- Haben Sie gegenüber Medienvertretern behauptet, es habe keine Informationen im Aufsichtsrat über einen Verkauf gegeben?
- Ist der Aufsichtsrat nach Ihrer Einschätzung noch in der Lage, seinen Aufgaben nachzukommen?
Die Antworten dokumentieren wir in der Reihenfolge des Eingangs bei uns:
Claudius Krank, CDU-Fraktionsvorsitzender:
Ich habe keine Informationen mitgeteilt, außer der Tatsache, dass ich im AR am 10.12.2019 hierzu bereits Fragen gestellt habe. Weiter habe ich nur weitere offene Fragen formuliert und darauf hingewiesen, dass die CDU Fraktion am Montag darüber beraten wird, welche Fragen sie stellt und wie sie sich zum Antrag der ML verhält. Der Aufsichtsrat kann seinen Aufgaben nachzukommen, er wird jetzt zur Klärung offener Fragen vielleicht etwas mehr Zeit brauchen.
Als Zusatzfrage wollten wir wissen, ob die CDU einem ML-Antrag auf einen Akteneinsichtsausschuss zustimmen werde. Hier verwies Herr Kranz auf die montägliche Fraktionssitzung, wo darüber beraten werde. Das Ergebnis ist RNB noch nicht bekannt.
Roland Weiß, Fraktionsgeschäftsführer der Mannheimer Liste/Freie Wähler:
Herr Weiß wies zur Beantwortung der ersten drei Fragen auf einen Bericht im Mannheimer Morgen vom 04. März 2019 hin. Dort heißt es:
“Roland Weiß (Freie Wähler) wies auf eine Ratsvorlage vom Dezember 2018 hin, in der es um Bebauungsplanänderungen auf Teilen des Turley-Areals geht. Zu diesem Zeitpunkt sei auch der MWSP-Aufsichtsrat über den Weiterverkauf der Grundstücke durch Tom Bock informiert worden. In der Vorlage (V744/2018) findet sich ein Satz, den man als Hinweis auf die Bodenspekulationen interpretieren könne. Dort steht: „Aufgrund der fortschreitenden Aufsiedlung und der damit verbundenen Weiterveräußerung des Eigentums besteht die Gefahr, dass unkoordiniert oberirdische Stellplätze errichtet werden und damit die Wohnqualität im Quartier leidet.“ Weiß will vor einer Bewertung erst die MWSP hören: „Es mag Gründe geben, dass man so vorgeht“, sagte er. Dann müsse die Stadt das Risiko, das sie eingegangen ist, wohl oder übel tragen. Unklar bleibe, ob die MWSP möglicherweise auch gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer, also der Bundesanstalt für Immobilien (BImA), für die entgangene Wertsteigerung haften müsse.
Weiter teilt er mit: “Ich denke der AR bzw. der GR müssen den Versuch unternehmen, den Sachverhalt aufzuklären.”
Als Zusatzfrage wollten wir wissen, ob man mit Zustimmung zu einem ML-Antrag auf einen Akteneinsichtsausschuss rechne. Herr Weißt teilte mit: “Es liegen keine konkreten Zusagen vor.”
Reinhold Götz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender SPD:
Gegenüber dem MM weder schriftlich noch telefonisch. Am 06.03.2019 bestätigte ich gegenüber RNZ und SWR , dass der AR in seiner letzten Sitzung am 10. 12.2018 über die Weiterveräußerung der Grundstücke Baufeld IV und V von Tom Bock an die Projektentwicklungsgesellschaft Fortoon informiert wurde. Ich habe bestätigt, dass der AR seit 10.12.2018 Informationen über den Verkauf hatte.
Zur Frage, ob der Aufsichtsrat seinen Aufgaben weiterhin nachkommen kann: Ja, allerdings muss geklärt werden, ob und welches Mitglied des AR falsche Infos nach außen gegeben hat. Gegebenenfalls müssten dann personelle Konsequenzen folgen.
Weiter wollten wir wissen, ob Herr Götz nicht durch die Einordnung eines “skandallösen Vorgehens” durch Herrn Bock auch die MWSP geschädigt habe? “Die Positionierung der SPD in der PM vom 03.03.2019 richtete sich einerseits gegen das Verhalten des Investors Tom Bock und weiterhin wurden Fragen/Anforderungen über die weitere Entwicklung auf Turley formuliert. Ich habe in kleinster Weise das Ansehen der MWSP beschädigt; im Gegenteil ich habe stets die außerordentlich gute Arbeit unserer Projektentwicklungsgesellschaft hervorgehoben.
Prof. Dr. Heidrun Kämper, SPD:
Zu keiner Zeit habe ich über Inhalte der AR-Sitzungen mit Medienvertretern gesprochen. Ich habe diesbezüglich keinerlei Informationen weitergegeben. Da ich zu keiner Zeit über Inhalte der AR-Sitzungen mit Medienvertretern gesprochen habe, habe ich mich auch nicht in dieser Hinsicht geäußert. Der AR hat bisher gut und vertrauensvoll gearbeitet. Für den Fall, dass eines der Mitglieder tatsächlich gegenüber dem MM behauptet hat, dass der AR nicht informiert war, muss hinsichtlich dieser Person ggf. ein Wechsel vorgenommen werden.
Konrad Schlichter, CDU:
Nein, zu keinem Zeitpunkt. Bekanntermaßen war ich in den vergangenen 10 Tagen im Pflegehilfeeinsatz im Hotzenwald/Südschwarzwald. Pressegespräche gab es keine.
Zum Aufsichtsrat: Sehr wohl und mit aller Kraft mit Blick auf die Konversionsherausforderungen in unserer Stadt. Jede Aufsichtsratstätigkeit ist und war immer mit schwierigen Themenstellungen konfrontiert. Jeder Sachverhalt ist dabei singulär zu sehen und bedarf unterschiedlicher Verfahrensweisen und Lösungswege rechtlicher, betriebswirtschaftlicher- und Gemeinwohl orientierter Natur. (z. B.: Bewältigung der Sparkassenthematik in den 90er Jahren usw.) Man braucht Mut zur äußersten Zurückhaltung in der Öffentlichkeit, muss aber dennoch unberechtigten, falschen und menschlich abqualifizierenden Angriffen in Kenntnis der Komplexität der jeweiligen Thematik entgegentreten.
Raimund Fojkar, Bündnis90/Die Grünen:
keine Antwort
Einordnung: Mit dem anonymen wörtlichen Zitat hat MM-Chefredakteur Dirk Lübke alle sechs Aufsichtsräte in Verruf gebracht, erstens die Schweigepflicht gebrochen zu haben und zweitens eine Lüge verbreitet zu haben – es sei denn, er hat sich selbst das Zitat einfach nur ausgedacht. Diese Variante ist wahrscheinlich, denn wie mittlerweile bekannt ist, wurde 32 Minuten lang und damit sehr ausführlich in der AR-Sitzung der MWSP vom 10. Dezember 2018 über den Verkauf der Bauflächen IV und V durch den Investor Tom Bock an die Fortoon Development GmbH und andere gesprochen. Sollte jemand das Gegenteil behauptet haben, wäre das eine äußerst dreiste Lüge gewesen. Weiter ist der MM nicht nur nicht seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen, sondern hat zudem den Stadtsprecher Ralf Walther ebenfalls in eine zwielichte Rolle gebracht, indem dessen Aussage zur Sichtung durch das Zitat erheblich in Zweifel gezogen worden ist. Wie feststeht, hatte sich Herr Walther absolut korrekt und wahrheitsgetreu geäußert. Eine entsprechende Korrektur und Richtigstellung hat die Zeitung bislang nicht veröffentlicht.
Interessant ist auch, wie empört sich insbesondere die SPD und Stadtrat Götz sowie die Grünen über den Stadtrat Gerhard Fontagnier (wohungspolitischer Sprecher) auf Anfrage der Zeitung gezeigt hatten. Herr Götz hatte persönlich Kenntnis vom Verkauf, Herr Fontagnier sollte über Herrn Fojkar informiert sein – neu war die Information für die Stadträte also nicht. Auch Herr Weiß wusste persönlich Bescheid, ebenso Herr Kranz. Wieso hatten die Fraktionen nicht früher reagiert und wie die ML beispielsweise einen Ausschuss gefordert? Warum hatte der Aufsichtsrat nicht entsprechende Aufklärung verlangt, wie das jetzt scheinbar “kämpferisch” ML und Grüne tun?
Spannend dürfte sein, wie die Fraktionen mit dem neuen Informationsstand umgehen – Fortoon hat eine Änderung der ursprünglich geplanten Bebauung bekannt gegeben und will nun kein Eigentum, sondern 300 Mietwohnungen schaffen, möglicherweise sogar die “Sozialquote” zumindest teilweise umsetzen. Damit bleibt vom “Skandal”, wie er inszeniert wurde, nicht mehr viel übrig. Aber es ist ja Wahlkampf – die lautesten Rufer sollten allerdings vorsichtig sein, sich nicht selbst ein Bein zu stellen und am Ende als unglaubwürdige Krakeeler dazustehen.
Ebenfalls spannend: Daniele Fusca tritt auf Platz 40 der Wahlliste der Mannheimer Liste/Freie Wähler zur Kommunalwahl als Kandidat an. Bis zum 11. März war er Geschäftsführer der Soho Development GmbH (Tom Bock) und auch der Bock Baukunst Developement GmbH. Seit 19. Februar ist er Geschäftsführer der 1T Greene GmbH, die am selben Tag beim Registergericht Mannheim eingetragen worden ist.